11.07.2003

Leserbrief

Billige Propaganda
für Gen-Food

Zum Artikel
'Grüne Gentechnik birgt Chancen für den Menschen'
von Lucian Haas (Badische Zeitung vom 3.07.03,
Seite 4, Seite 'Kommentar und Analyse')

Manchmal verwundert es schon, wie ein Text den Weg in die Spalten der Badischen Zeitung findet. Da erscheint doch am 3.07. ein Artikel von Lucian Haas, der bereits letzten November unter der Überschrift 'Der Weltmarkt schafft Fakten' in 'Ver.di Publik' veröffentlicht war, nur leicht verändert - die ersten beiden Abschnitte vertauscht, vier Sätze ein wenig umformuliert - als aktueller Kommentar zur vortags im EU-Parlament verabschiedeten Richtlinie zur Kennzeichnung von Gen-Food.

So billig die Recycling-Methode - so billig die pseudo-kritische Propaganda für Gen-Food: Aus einer scheinbar neutralen Position heraus arbeitet der Autor mit den billigsten Tricks aus der Mottenkiste suggestiver Beeinflussung. Den Umweltverbänden sei es gelungen, die Verbraucher gegen die "grüne Gentechnik" einzustimmen und Ängste zu schüren. Bis auf den Vorwurf an die BefürworterInnen der Gentechnik, sie trieben trotz "Mangel an Wissen" ihre Technologie voran, wird allerdings kein einziges Argument der KritikerInnen von Gen-Food benannt. Statt dessen heißt es dann, dieser Mangel an Wissen diene der Gegenseite "gerne als Grund dafür, die grüne Gentechnik als gefährlich zu verdammen". Weiter wird der gesamte bisherige Streit als "ideologisch" abgetan. Da stellt sich mir die Frage, wertet der Autor die bisherige Diskussion als "ideologsch", weil er die Argumente (beider Seiten ?) nicht kennt, oder hat er sich nicht kundig gemacht, weil er "den Streit über das Für und Wider" als guter Deutscher von Vornherein als "ideologisch" erkannte?

Schon das Grundtableau des Artikels ist suggestiv zugerichtet. Es wird ein aussichtsloses Bild gezeichnet, das Bild einer Welt in der "die Biotech-Saaten schon auf knapp 59 Millionen Hektar" stehen. "Das ist eine Fläche größer als Frankreich". Daß sich diese Fläche fast ausnahmslos in den USA und China findet, wird dem Leser vorenthalten. Von oben herab mokiert sich der Autor darüber, daß die Verbraucherin und der Verbraucher meine, Europa sei noch eine "Insel der gentechnikfreien Seeligen" - der "Schock" stände kurz bevor. Und unter dem Vorwand, die gegenwärtige Landwirtschaft (Frage: die konventionelle oder die Bio- ?) "kritisch zu hinterfragen", findet der Autor dann im zweiten Teil seines Textes zum Lob der "grünen Gentechnik", das darin gipfelt, diese als eine "Option" zu preisen, welche "Landwirtschaft und Nachhaltigkeit miteinander zu versöhnen" in der Lage sei.

In den wenigen Pro-Argumenten verheddert sich der Autor in süßliche Sentimentalität und fabuliert von der "von Pestiziden eingenebelten" Feldmaus und von "unschuldigen Faltern", die sich nur auf Blättern sonnen wollen, um glaubhaft zu machen, daß diese durch gentechnisch in die Pflanze eingebaute Insektengifte gerettet würden. Auf den Schmetterling hätte er besser verzichten sollen, denn dieser schreit von der Unkenntnis des Autors: Gerade die in unabhängigen Studien nachgewiesene Schädigung der Popuationen des Monarch-Schmetterlings ist eines der schlagendsten Argumente der Gentech-KritikerInnen. "Nachhaltigkeit" wird hier - wie von so vielen - nur als wohlklingende aber sinnentleerte Worthülse mißbraucht.

Am Ende seines Textes scheint der Autor sich dann wieder auf seine neutrale Position besinnen zu wollen und würzt noch ein wenig mit Kritik an die Pro-Gentech-Seite: Diese habe ein zu simples Bild der Natur und die "komplizierten Wechselwirkungen der Gene untereinander werden bislang zu wenig erforscht." Da mögen ihm Unbedarfte nicht widersprechen - doch Tatsache ist, daß die genannte Wechselwirkung durchaus gründlich erforscht wird, was aber - und hier liegt der Hund begraben - dennoch nicht davon abhält, trotz erkannten Risikopotentials allein aus kommerziellen Erwägungen den Schritt ins Freiland zu wagen.

Und nochmals blamiert sich der Autor und erweist der Seite der Gentech-BefürworterInnen einen Bärendienst. Er meint in einer erneuten geistigen Volte, Freilandversuchen oder gar dem kommerziellen Anbau von genmanipulierten Pflanzen unter einer wohlweislichen Einschränkung seine Zustimmung geben zu können: Dem "Vorsorgeprinzip" sei ja zur Genüge gedient, wenn der Anbau auf solche genmanipulierten Pflanzen eingeschränkt würde, die sich mangels verwandter einheimischer Wildpflanzen nicht auskreuzen könnten.

Deutlicher kann nicht demonstriert werden, wie leicht das menschliche Denken in solchen Zusammenhängen zu kurz greifen kann. Nicht, weil die Materie so kompliziert ist, sondern weil gerade die einfachen naheliegenden Dinge leicht übersehen werden. Im vorletzten Abschnitt seines ursprünglichen Textes, der in der BZ zum Preis eines abrupten Endes der Schere zum Opfer fiel, wird denn auch Mais als Beispiel einer Pflanze genannt, die ursprünglich aus Mittelamerika stammt und in Europa mangels einheimischer Verwandter die manipulierten Gene nicht auskreuzen könne. "Das Risiko einer unkontrollierbaren Gen-Verbreitung ist damit hierzulande ausgeschlossen", konstatiert der Autor keck. Schlicht übersehen wird dabei, daß die Bio-Landwirtschaft auf genfreien Mais angewiesen ist.

Durch mehrere unabhängige Studien (auch eine zunächst in der Schublade verschwundene Studie im Auftrag Trittins) wurde längst nachgewiesen, daß nicht nur bei Raps, Soja oder Baumwolle, sondern auch beim Anbau von genmanipuliertem Mais die Bio-Bauern und Bio-Bäuerinnen ihrer Existenz- grundlage beraubt werden. Genmanipulierter Mais wird nachweislich durch Pollenflug und Samenanhaftungen an landwirtschaftlichen Maschinen unkontrollierbar verbreitet. Schutzzonen sind nicht nur unbezahlbar, sondern erwiesen sich in den Untersuchungen als völlig unzureichend, um eine - wenigstens teilweise - gentechnik-freie Landwirtschaft zu gewährleisten. Fällt das europäische Moratorium gegen genmanipulierte Pflanzen, werden unsere Bio-Bauern ins Gras beißen. Dann ist die "Agrar-Wende" zu Ende noch bevor sie so recht begonnen hat.

 

Klaus Schramm

Anmerkung:

Siehe auch unseren gleichzeitig erschienenen Artikel über den gestrigen 'Monitor'-Beitrag:
'Krieg um Gen-Food - Aus für Bio-Bauern?'

 

neuronales Netzwerk