23.03.2004

Israels Spiel
mit der Atombombe

Israel soll einen neuen Atomtest unternommen haben
Der Aufbau einer Nuklearflotte mit deutschen U-Booten schreitet voran

Während die Welt nach dem Anschlag auf Hamas-Gründer Scheich Jassin auf einen palästinensischen Vergeltungsschlag wartet und eine Eskalation der Gewalt befürchtet, findet die wohl bedrohlichere Entwicklung im Geheimen statt. Angeblich soll die israelische Armee erst unlängst eine neue Atomrakete getestet haben. Die Übung war vermutlich Teil des Versuchs, eine seegestützte Atomstreitmacht aufzubauen. Die entsprechenden U-Boote hat das Land bereits und sie kommen aus Deutschland.

Wann und wo genau die Rakete mit dem Nuklearsprengkopf getestet wurde, ist unbekannt. Die Aktion soll "vor kurzem" stattgefunden haben. Das zumindest berichtete "Radio Teheran" am Montag. Nun ist der iranische Rundfunk vermutlich nicht die erste Quelle, wenn es um eine realistische Einschätzung der israelischen Militärpolitik geht. Der Sender beruft sich jedoch auf einen Beitrag der Zeitung "Yadi Ut Ahrunut" und diese wiederum auf den US-Nahostexperten Anthony Courdsman.

Courdsman ist überzeugter Republikaner und Mitarbeiter im konservativen Think Tank 'Center for Strategic and International Studies' in Washington. Und er gilt als Vertreter einer Gruppe des US-amerikanischen Kapitals, die die Politik der Regierung Bush nicht wegen ihrer imperialen Stoßrichtung, sondern wegen ihrer handwerklichen Fehler scharf kritisiert. So warf er der Washingtoner Administration vor Beginn des Golfkrieges im März 2003 vor, einer völligen Fehleinschätzung der Lage im Irak zu erliegen.

Seinem Bericht zu Folge soll die gestestete Rakete für den Abschuß von U-Booten geeignet sein. Israel, so heißt es, arbeite seit mehreren Jahren intensiv am Aufbau eines seegestützten Nuklearwaffenarsenals. Daß dem wohl so ist, bestätigen auch andere Quellen, wenngleich vor allem indirekt. So erwarb Israel in den Jahren 1999 und 2000 drei deutsche U-Boote der Dolphin-Klasse. Auf Wunsch des Käufers wurden noch in der deutschen Werft 650-Millimeter-Rohre installiert, obwohl die serienmäßigen 533-mm-Rohre für konventionelle Waffen ausgereicht hätten. Die Bundesregierung ignorierte diese offensichtliche Zeichen jedoch. Eine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Angelika Beer und Winfried Nachtwei wurde seinerzeit mit einer ausweichenden Antwort übergangen. Inzwischen hat Jerusalem zwei weitere U-Boote in Deutschland bestellt.

Mit welchem Hochdruck Jerusalem an der Entwicklung arbeiten muß, verdeutlicht auch eine Information des Militär-Informationsdienstes "Globaldefence", wonach gegenwärtig HARPOON-Anti-Schiffsraketen als Träger für Nuklearwaffen umgebaut werden. Sie könnten einen 220-Kilo-Sprengkopf tragen und rund 100 Kilometer weit fliegen. Zudem werde vermutlich an einem neuen Marschflugkörper gearbeitet, der später eine Reichweite von etwa 1.500 Kilometer haben würde.

Das seegestützte Arsenal wäre eine gute Ergänzung zu den gegenwärtigen Atomwaffen Israels, deren Existenz ein offenes Geheimnis ist. Die Berichte über ihre Anzahl varriieren stark - zwischen 100 und 300 Sprengköpfe sollen vorhanden sein. Zudem gibt es Gerüchte über eine Neutronenbombe. Getragen werden sie von umgerüsteten F-15- und F-16-Jägern, sowie der Rakete Jericho. Seit den 50er Jahren arbeitete das Land mit Hilfe von Frankreich, später auch den USA an einem Atomwaffenprogramm. Leiter der 1952 eingesetzten Atomkommission war Ernst David Bergman, als "Vater der Atombombe" gilt der Nuklearphysiker Yu'val Ne'eman. Bereits 1956 entstand ein erster Reaktor in der Nähe von Tel Aviv. 1964 ging die bis heute hermetisch abgelegene Dimona-Anlage in Betrieb, die im Negev liegt und offiziell eine Textilfabrik ist. In den Kriegen von 1967 und 1973 soll die Armee ihre Nuklearwaffen bereits scharf gemacht haben. In den 70er und 80er Jahren arbeitete Jerusalem nach Auskunft der Zeitung "Haaretz" in der Frage eng mit Südafrika zusammen. Nach Angaben des stellvertretenden südafrikanischen Außenministers Aziz Pahad soll sein Land 1979 einen Atomtest unternommen haben. Den Vertrag zur Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen unterschrieb Israel nie und gibt auch keine Erklärungen zu den immer wieder geäußerten Vermutungen ab. Offiziell gilt nach wie vor die zweideutige Aussage des damaligen Ministerpräsidenten Yitzak Rabin aus dem Jahre 1975: "Israel wird nicht als erstes Land Atomwaffen im Nahen Osten einführen. Wir können es uns aber auch nicht leisten, die zweiten zu sein."

Offiziell sollen die Dolphin-U-Boote, die auch in Küstennähe operieren können, die israelische Zweitschlagsfähigkeit auch im Falle einer Vernichtung des Landes gewährleisten. Dies räumte 1999 der israelische Internetdienst "nai-israel" ein, der der Gegnerschaft zum eigenen Lande vollkommen unverdächtig ist. "Die neuen Unterseeboote bilden Israels zweiten langen Arm neben der Luftwaffe. Im Falle eines atomaren Angriffs könnte die Luftwaffe vielleicht ausgelöscht werden; dann blieben die U-Boote, die den Rückschlag ausführen können," so die Internetseite. Ein Hinweis, daß es sich dabei um einen nuklearen Gegenschlag handelt, unterblieb verständlicherweise. Der Aufbau des seegestützten Systems ist auch ein Beleg dafür, wie ernst es Israel mit seiner Politik meint. Eine totale Zerstörung des eigenen Landes im Kriegsfall wird in Jerusalem offenbar bei den strategischen Planungen bereits einkalkuliert.

Finanziert wurden die U-Boote übrigens weitgehend vom deutschen Steuerzahler. Immerhin 1,1 Milliarden Mark schoß Berlin für die ersten drei Boote zu. Das Geschenk war einen Gegenleistung für die Zurückhaltung der israelischen Seite während des Golfkrieges von 1991, als Jerusalem die Einschläge von irakischen Scud-Raketen unbeantwortet ließ.

 

Martin Müller-Mertens

 

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