8.12.2004

Artikel

Agentur-Schluß
am 3. Januar

Neue Aktions-Form gegen Sozialabbau

In vielen Städten haben sich im Rahmen der Montags-Demos, aber auch darüber hinaus Initiativen gebildet, um am Montag, 3. Januar, um 10 Uhr morgens die Arbeits-Agenturen zu besetzen. Die MitarbeiterInnen der Arbeits-Agenturen sollen einbezogen und es soll der Eindruck vermieden werden, die dezentralen, aber koordinierten Aktionen richteten sich gegen sie. In einem Schreiben an die MitarbeiterInnen der Arbeits-Agenturen erinnern die InitiatorInnen der Aktion an deren persönliche Verantwortung. 'Agentur-Schluß' will die MitarbeiterInnen der Behörde ermutigen, sich intern ebenfalls gegen die in Hartz VI vorgesehene "Verfolgungsbetreuung" zur Wehr zu setzen. Während der Belagerung wollen die Beteiligten "vor Ort" über Widerstand und Perspektiven jenseits des Zwangs zur Arbeit beraten.

Ziel der Aktionen ist es, den Betrieb der Arbeits-Agenturen noch vor dem faktischen Inkrafttreten von Hartz IV lahmzulegen. Die vom Gesetz Betroffenen und (noch) Nicht-Betroffenen wenden sich damit gegen die Verarmungs- und Disziplinierungsoffensive von "Rot-Grün".

Die "Zusammenlegung von Sozial- und Arbeitslosen-Hilfe" bedeutet konkret weitere Einschränkungen für diejenigen, die heute schon Sozial- oder Arbeitslosen-Hilfe beziehen. Der immer wieder gemachte Hinweis, es würde den meisten Sozialhilfe-EmpfängerInnen nicht schlechter gehen, geht an den tatsächlichen Ausführungsbestimmungen vorbei. Was auf der einen Seite in manchen Fällen mehr ausbezahlt werden soll, geht dann meist auf der anderen Seite durch ebenfalls geplante Kürzungen ganz oder in noch größerem Umfang verloren.

Rund 500.000 Menschen sollen von der weiteren Zahlung von Arbeitslosenhilfe ausgeschlossen werden. Das Einkommen von LebenspartnerInnen und "Bedarfsgemeinschaften" soll angerechnet werden. Nach einem Jahr Arbeitslosigkeit soll es nur noch AlG II auf Sozialhilfe-Niveau geben. Und mit AlG II können dann weitere Verschlechterungen beim Arbeitslohn und der Arbeitszeit durchgedrückt werden.

Bei den "Ein-Euro-Jobs" (oder: Zwei, Drei-, ...-Euro-Jobs) geht es nicht um den damit angeblich erwünschten Effekt, Leute in Arbeit zu bringen. Es geht auch nicht allein um die Verdrängung regulärer Jobs beispielsweise im Pflegebereich, wo immer mehr Zivildienstleistende fehlen. Es geht um die schleichende Einführung der vom Grundgesetz bislang geächteten Zwangsarbeit.

Einige Initiativen haben bereits die dauerhafte "Beobachtung" der Verhältnisse in den Arbeits-Agenturen angekündigt. Foren und Anlaufstellen sollen eingerichtet werden, um direkt und angemessen auf FallmanagerInnen zu reagieren, die ihren Spielraum "nutzen", um Erwerbslose zu schikanieren. In einigen Städten wollen TeilnehmerInnen der Aktionen die Arbeits-Agenturen zum "öffentlichen Ort" machen, an dem die Auseinandersetzung um Hartz IV geführt wird. "Hier werden wir die ausführende Institution des sozialen Angriffs mit unserem Protest und unserem kollektiven Ungehorsam konfrontieren", formulierte das ein Initiator von der Gruppe 'Agentur-Schluß' in Gelsenkirchen.

Die Arbeits-Agenturen werden vielerorts von diesem Besuch nicht überrascht sein, da im Internetforum www.labournet.de eine stetig wachsende Liste von Städten veröffentlicht ist, wo der 'Agentur-Schluß' stattfinden soll. Denkbar, daß sich die Arbeits-Agenturen der Auseinandersetzung zu entziehen versuchen und den Zutritt von Polizei und privaten Sicherheitskräften überwachen lassen. "Bei einer Schließung der Agentur durch die Polizei wäre damit ein Teil unserer Arbeit erledigt", hieß es dazu auf dem Gelsenkirchener Plenum der Aktion.

Gleich ob innerhalb oder außerhalb - die AktivistInnen wollen sich am 3. Januar bei den Arbeits-Agenturen versammeln. Diskutiert werden soll beispielsweise über die Rolle der Wohlfahrtsverbände im Geschäft mit dem Zwang zum Ein-Euro Job und zu den aufenthaltsrechtlichen Konsequenzen für Flüchtlinge. Informationen über die ersten konkreten Fälle von Wohnungsräumungen können ausgetauscht werden. Einen Katalog von Sofortmaßnahmen zur Verhinderung solcher Zwangsräumungen wollen die AktivistInnen ebenfalls erstellen.

Da das Konzept des 'Agentur-Schluß' inzwischen zunehmend breiter diskutiert wird, kommen auch Gegenargumente zur Sprache: "Ihr solltet lieber zu den politisch Verantwortlichen gehen. Die Arbeits-Agenturen haben die Hartz-Gesetze doch nicht gemacht", lautet eines der häufigsten.

Der "grüne" 'ver.di'-Chef Frank Bsirske erklärt sich zum "Schützer" der von seiner Gewerkschaft vertretenen Beschäftigten der Arbeits-Agenturen. Die Aktion 'Agentur-Schluß' sei eine "Zumutung". Ob die so "Geschützten" dies eben so sehen oder sich vielleicht statt dessen mit der Aktion solidarisieren, muß sich zeigen. Offensichtlich ist die Position von Bsirske keinesfalls einhellige Meinung unter den Gewerkschaftsmitgliedern. Auf einer öffentlichen Veranstaltung im November in Essen kritisierten ver.di-Aktive lautstark diese unpolitische Haltung, die dort vom ver.di-Landesvorstand NRW auf dem Podium vertretenen wurde.

In Freiburg wird der 'Agentur-Schluß' weiter vorbereitet am:
22.12.04 um 20 Uhr
in der Belfortstr. 24 (U-Asta)

Weitere Infos:
www.labournet.de/agenturschluss

 

Harry Weber

 

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