27.11.2004

Hamburg:
Wegen Airbus droht Enteignung

Bürgermeister von Beust kündigt Enteignungen im Zuge der Airbus-Ansiedlung an

Seit Jahren läuft der Kampf von Anwohnern und Umweltschützern gegen den Ausbau der Start- und Landebahn für das Airbus-Werk in Hamburg-Finkenwerder1. Am gestrigen Donnerstag hat die Stadtregierung die Auseinandersetzung erneut eskaliert. Bürgermeister Ole von Beust (CDU) drohte den verbleibenden Grundstücksbesitzern offen mit der Enteignung ihres Landes. Zudem stellte sich die evangelische Landeskirche auf die Seite des Kapitals.

Bislang hatten die Stadt Hamburg und die in dem betroffenen Gebiet ansässigen Obstbauern über den Kauf der Grundstücke für einen Quadratmeterpreis 61,50 Euro verhandelt - was über dem gegenwärtigen Verkehrswert liegt. Zwei Privateigentümer und die Kirchgemeinde Neuenfelde weigern sich jedoch, das Geschäft abzuschließen. Dich Kirchgemeinde brach die Verhandlungen jetzt ab.

Hintergrund ist die anhaltende Natur- und Heimatzerstörung im Zuge des Airbus-Ausbaus. Für die Verlängerung der Start- und Landebahn, die die Voraussetzung für den Ausbau des Airbus-Standorts am Standort Finkenwerder ist, hatte die Stadtregierung in den letzten Jahren nicht nur zähe Verhandlungen geführt, sondern auch ein rücksichtsloses Vertreibungs- und Naturzerstörungsprogramm durchgesetzt. Das Mühlenberger Loch, eines der wichtigsten Ökosysteme Norddeutschlands und Heimat diverser bedrohter Tierarten, wurde für das Projekt zum großen Teil zugeschüttet. Die betroffenen Anwohner sahen sich einem massiven Druck der Behörden ausgesetzt, ihre Grundstücke "freiwillig" zu verkaufen.

Nun hat von Beust ein verändertes Planfeststellungsverfahren angekündigt, mit dem im kommenden Jahr die Enteignung der renitenten Grundstückseigentümer durchgesetzt werden soll. Auch die Entschädigung werde dann empfindlich niedriger ausfallen, als der jetzt gebotene Quadratmeterpreis. Von Beust heuchelte ob des Verhandlungsabbruchs durch die Kirchgemeinde tiefe menschliche Enttäuschung und bezeichnete die Entscheidung als "unchristlich". Zuvor hatte Airbus angekündigt, seine Investitionen in das neue Großraumflugzeug A 380 so zu gestalten, daß die Produktion auch noch 2006 nach Hamburg umziehen kann.

Als besondere Großzügigkeit legte die Hamburger Stadtregierung diesen Schritt des Konzerns aus. Und mit ihr die bürgerliche Presse. Airbus gebe Hamburg mehr Zeit, titelte etwa die 'Frankfurter Allgemeine'. Tatsächlich hat das Unternehmen allen Grund, auf die Vertreibung der Anwohner zu warten. Denn die Hansestadt steckt Milliardenbeträge in die Natur- und Heimatzerstörung. Der ursprüngliche Kostenrahmen von 1,3 Milliarden Mark war bereits im Sommer 2001 ausgeschöpft. Selbst bei der optimistischsten Planung wurden seinerzeit pro Jahr 1,6 Millionen Mark zusätzlicher Steuereinnahmen durch die Ansiedlung pro Jahr erwartet.

Dabei ist der Erfolg des Großraumflugzeugs völlig unklar. Zudem werden nur 5 Prozent der A-380-Komponenten in Hamburg gebaut, der Standort wäre also bei einer Umstrukturierung vermutlich der erste, der aufgegeben wird. Dazu kommt, daß es im Großraum Hamburg diverse Standorte gibt, die für den Bau geeigneter und billiger gewesen werden. So berichtet der 'spiegel' bereits von drei Jahren über Möglichkeiten im jetzigen Obstanbaugebiet 'Altes Land'. Statt dessen beharrte der Senat auf der Zerstörung des Mühlenberger Lochs und bot statt dessen die aufwendige und fragliche Re-Naturisierung eines verseuchten Landstrichs an.

Trotz der unsinnigen Planung hat die Stadtregierung inzwischen ihre Verbündeten gefunden. So drohte die Hamburger Bischöfin Maria Jepsen der Kirchgemeinde jetzt mit rechtlichen Schritten, der Harburger Probst Jürgen Bollmann zeigte sich laut 'Hamburger Morgenpost' "äußerst verärgert" über die Haltung der Neuenfelder Gemeinde. Angeblich will Jepsen sogar die Auflösung des Kirchenvorstands prüfen. Dieser zeigte sich unbeeindruckt und kündigte an, dann eben in neuer Zusammensetzung einen identischen Beschluß zu fassen.

Und Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) ließ sich zu einer offenen Drohung hinreißen: "Der Kirchenvorstand wurde von den Kirchenmitgliedern gewählt mit der Aufgabe, sich um den ordnungsgemäßen Gottesdienst zu kümmern, kirchliche Einrichtungen zu verwalten etc. Jetzt muß man leider den Eindruck gewinnen, daß der Kirchenvorstand instrumentalisiert wird, um ein Industrievorhaben zu verhindern", hieß es in einer Presseerklärung.

Da die Positionen nun fest gemacht wurden, müssen die nächsten Schritte im Rechtsstreit abgewartet werden. Dabei wäre es bereits ein Erfolg, wenn der Stadt oder dem Konzern durch ein langwieriges Verfahren möglichst hohe Verluste entstünden. Bislang siehst es zumindest nicht so aus, als ob die rücksichtslose Zerstörung der dortigen Landschaft - vergleichbar mit der Vertreibung von Bewohnern im Zuge des ökonomisch und ökologisch kontraproduktiven Berliner Großflughafens - ein neues Symbol der Umweltbewegung wird. Vielleicht könnte sich dies bei einer offenen Enteignung ja ändern.

 

Martin Müller-Mertens

 

Anmerkungen

1 Siehe hierzu auch unseren Artikel
      'Bau des Super-Airbus verzögert' (31.05.04)

 

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