18.03.2007

Großdemos in Frankreich
gegen Atomenergie

Über 62.000 demonstrierten in fünf französischen Städten gegen Atomenergie
Für einen Atomausstieg in Frankreich, gegen das neue EPR-Atomkraftwerk und für erneuerbare Energien

Am gestrigen Samstag gingen allein in Rennes über 40.000 FranzösInnen auf die Straße. Rennes liegt nur rund 160 Kilometer vom AKW Flamanville entfernt, wo nach einem Beschluß des Energiemonopolisten EdF und der französischen Regierung nach über zwanzigjähriger Pause ein neuer Reaktor gebaut werden soll. Es handelt sich dabei um den von Areva-Siemens entwickelten 'European Pressurized Water Reactor' (EPR). Die Beteiligung an den Kundgebungen in Lyon (8.000), Toulouse (5.000), Strasbourg (5.000) und Lille (4.000) übertraf alle Erwartungen, so daß die VeranstalterInnen vom Bündnis 'Stop-EPR' in einer Abschlußerklärung von einer "historischen Mobilmachung" sprachen. Der Protest sei vergleichbar mit den Anti-Atom-Demonstrationen der 70er Jahre.

Großdemos gegen Atomenergie in Frankreich, 17.03.2007

'Stop-EPR' ist ein Bündnis von über tausend Organisationen, darunter Agir pour l'environnement, Attac France, la Confédération paysanne (der alternative Bauernverband, zu dessen Mitgliedern der Aktivist und jetzige Präsidentschaftskandidat José Bové zählt), France Nature Environnement, Greenpeace, Les Amis de la Terre (der Partnerverband des deutschen BUND), Réseau Action Climat, Réseau Sortir du nucléaire (das Bündnis für einen französischen Atomausstieg, dem seinerseits über 700 Ant-AKW-Gruppen angehören) sowie WWF France.

Teile der französischen Anti-Atom-Bewegung hoffen, so auf den aktuellen Präsidentschaftswahlkampf Einfluß nehmen zu können. Dabei werden verschiedene Präferenzen allerdings nur indirekt deutlich. Unter den DemonstrantInnen in Lille befanden sich die PräsidentschaftskandidatInnen Corinne Lepage, Olivier Besancenot und Yves Cochet.

Die beiden großen Parteien jedoch stellen die Atomenergie nicht in Frage - weder in Hinblick auf Atomkraftwerke, noch in Hinblick auf die französische Atomstreitmacht. In der aktuellen Klimadebatte werden zwar fantastische Versprechungen gemacht und eine Lockerung der Bremsen bei den erneuerbaren Energien in Aussicht gestellt. Beide neoliberalen Parteien, sowohl die "sozialistische" als auch die "konservative" bezeichnen allerdings die Atomenergie als umweltfreundliche Alternative zu Kohle und Öl und als Garant energiepolitischer Unabhängigkeit.

Für Atomenergie und Atombombe, 17.03.2007

Nach neuesten Umfragen sprechen sich 78 Prozent der FranzösInnen dafür aus, dem Ausbau der erneuerbaren Energien Vorrang einzuräumen. Und 58 Prozent sind der Ansicht, daß die Atomenergie bei einem Ausbau der erneuerbaren Ernergien und einer Steigerung der Energieeffizienz leicht ersetzt werden könnte. 37 Prozent sind der gegenteiligen Ansicht.

"Das EPR-Projekt in Flamanville wurde ohne eine echte demokratische Debatte beschlossen. Frankreich hat diesen neuen Atomreaktor nicht nötig, um seine Energieversorgung zu sichern. Und wir sind hier, um aufzuzeigen, daß ein solcher EPR-Reaktor, einmal fertiggestellt, der weltweit gefährlichste Reaktor wäre," erklärte Frédéric Mariller, Sprecher der Anti-Atom-Kampage von Greenpeace Frankreich. Atomunfall, atomare Abfälle, Abgabe radioaktiver Substanzen in die Umwelt, Proliferation von atomwaffenfähigem Material und Verwundbarkeit für Attentate: all diese Risiken wurden in den verschiedensten Redebeiträgen genannt.

Häufig wurde die Sorge laut, mit dem Bau des EPR, der nach offiziellen Angaben rund 3,3 Milliarden Euro kosten soll, werde die Atomenergie als Hauptenergiequelle Frankreichs festgeschrieben. Werde erst der EPR in Flamanville gebaut, würden ihm Dutzende weiterer neuer Atomreaktoren folgen. In Frankreich gibt es bereits 19 Atomkraftwerke, die 74 Prozent des Strombedarfs decken. Erst vor kurzem war eine geheime Studie des französischen Stromkonzerns EdF aufgetaucht, die feststellt, daß ein EPR einer Flugzeug-Attacke wie jener vom 11. September 2001 in New York nicht standhalten würde.

Die Proteste richteten sich nicht allein gegen Frankreichs jüngsten Reaktor, sondern auch gegen Frankreichs ältestes Atomkraftwerk in Fessenheim, das am 7. März sein 30-jähriges Betriebsjubiläum gefeiert hatte. Das AKW Fessenheim hat die von den französischen Anlagenbauern ursprünglich vorgesehene maximale Laufzeit von 25 Jahren nunmehr bereits um fünf Jahre überschritten.

Mit Blick auf Europa kam auch zur Sprache, daß allein im Jahr 2006 acht Reaktoren in vier EU-Staaten endgültig stillgelegt wurden. Und ebenfalls als Ermutigung wurde aufgenommen, daß die Anti-Atom-Bewegung mit den ItalienerInnen dieses Jahr den Atomausstieg feiern kann, den sie 1987 in Italien durchsetzten.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Siehe auch unseren Beitrag:

      Anti-Atom-Protest in Frankreich
      30.000 demonstrierten in Cherbourg (16.04.06)

 

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