29.01.2004

Verbrecher in Fessenheim

Arbeiter im AKW verstrahlt - Versuch der Vertuschung

Bereits am Wochenende wurden bei Reparaturarbeiten am Primmärkreislauf des französischen AKW in Fessenheim bei Freiburg sieben Arbeiter verstrahlt. Entgegen den immer wieder von Betreiberseite propagierten Transparenz, kam in diesem Fall die charmante Pressesprecherin Anne Lazlo vier Tage lang nicht zum Einsatz. Die Verbrecher aus Fessenheim versuchten den Unfall geheim zu halten. Auch am gestrigen Mittwoch abend versuchte die immer noch zurecht als "Atom-Mafia" zu titulierende und zum französischen Energie-Konzern EdF gehörige Kraftwerksdirektion den schwersten Unfall in den 27 Jahren seit Inbetriebnahme des AKW im Jahre 1977 herunterzuspielen.

Die Filter, an denen die Arbeiter beschäftigt waren, gerieten eben erst diesen Monat in die öffentliche Diskussion, nachdem bekannt geworden war, daß es sich dabei um eine riskante Fehlkonstruktion handelt.1 Eine große Zahl der von der EdF in Frankreich betriebenen AKWs sind Druckwasser-Reaktoren, darunter das AKW Fessenheim und zahlreiche AKWs weltweit. Diese sind ausnahmslos nach demselben Bauprinzip konstruiert und weisen einen eklatanten Fehler im Notkühlsystem auf. Nach einer offiziellen Verlautbarung der französischen AKW-Aufsichtsbehörde können "in bestimmten Störfallsituationen" die Filter im Primärkreislauf verstopfen. Die Folge wäre eine Unterbrechung der Reaktorkühlung, die Überhitzung des Reaktors und somit in notwendiger Folge eine Reaktorkatastrophe wie 1986 in Tschernobyl. Und in genau diese Filter des Primärkreislaufs war im AKW Fessenheim aus noch unbekannten Gründen Harz geraten und hatte sie am Wochenende offenbar bereits zu großen Teilen verstopft.

Nur mit einer akuten Gefahrensituation ist zu erklären, daß Arbeiter unter Mißachtung von Sicherheitsvorschriften beim Reinigen der Filter heißem Wasserdampf ausgesetzt waren. Das Wasser des Primärkreislaufs ist hochgradig radioaktiv und so muß die heutige Auskunft der Kraftwerksdirektion, die sieben Arbeiter seien nur leicht kontaminiert worden - mit einer Strahlenbelastung von weniger als 0,45 Millisievert - mit großer Skepsis betrachtet werden. Diese Kontamination läge damit erheblich unter der in Frankreich zulässigen Jahresstrahlendosis von 35 Millisievert (in Deutschland: 20 Millisievert). Da es sich jedoch um eine Inkorporation handelt und strahlende Radionuklide in der Lunge über Jahre hin weiter wirken, ist das Krebsrisiko für die belasteten Arbeiter erheblich höher als bei einer äußerlichen Kontamination.

Nachdem bereits am Samstag - nach Auskunft der Fessenheimer Verbrecher - drei der sieben betroffenen Arbeiter verstrahlt worden waren, konnte Block 1 der beiden Fessenheimer Reaktoren offenbar dennoch nicht weiterbetrieben werden und wurde nach den weiteren Kontaminationsfällen am Sonntag abgeschaltet. Dies deutet darauf hin, daß es sich um einen größeren Unfall handelte als bisher eingestanden wurde.

Auch gegenüber dem Freiburger Regierungspräsidium hatten sich die Fessenheimer Verbrecher nicht an die Vereinbarungen gehalten - so jedenfalls ist einer Verlautbarung von deutscher Seite zu entnehmen. Bei einer unvorhergesehen Abschaltung sei das Freiburger Regierungspräsidium innerhalb von 24 Stunden unter Angabe der Gründe zu informieren. Dies sei nicht geschehen.

Die Liste der unerfreulichen Nachrichten, mit denen Fessenheim das "Dreyeckland", wie die Region am Oberrhein, die teils im Elsaß, teils in Baden liegt bis zum schweizerischen Basel reicht, genannt wird, nun bereits seit 1977 in Atem hält, ist lang. Bereits Ende der siebziger Jahre wurde bekannt, daß Haarrisse am Reaktordruckbehälter schon beim Bau des AKW ignoriert worden waren. Bei der Zehnjahresrevision wurden diese dann "entdeckt", was allerdings zu keinerlei Konsequenzen führte. Im August 2000 wurde endlich auch die Erdbebensicherheit offiziell in Frage gestellt: Daß Notspeisewasser- behälter und Trennwände nicht erdbebenfest ausgelegt waren, konnte nicht länger geleugnet werden. Nur mit unzureichenden Verstärkungen wurde inzwischen nachgebessert, da eine erdbebensichere Grundplatte nicht nachträglich eingezogen werden kann. Letzten Herbst wurden beschädigte Stoßdämpfer an Elektroschränken festgestellt. Und in diesem Monat gab es bereits eine automatische Notabschaltung, weil Techniker die Gebrauchsanweisungen verwechselt hatten.

 

Frank Bayer

 

Anmerkung:
1 Siehe auch unseren Artikel
    'AtomkraftgegnerInnen warnen vor neuem Tschernobyl in Frankreich'
    v. 10.01.2004

 

 

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