11.01.2008

Neubau britischer AKWs
aus Steuermitteln?

Sterbende britische Atom-Branche hofft auf Brown

Laut Meldungen der Mainstream-Medien plant die britische Regierung unter Premierminister Gordon Brown den Neubau von Atomkraftwerken. Selbst wenn ein solcher Plan umgehend in Angriff genommen würde, könnte nach aller Erfahrung ein neues britisches AKW nicht vor 2016 in Betrieb gehen.

Die bisher einzigen beiden AKW-Neubauvorhaben in den vergangenen 25 Jahren in Europa wurden im finnischen Olkiluoto im Jahr 2004 und im französischen Flamanville im Jahr 2007 begonnen. Noch vor zwei Jahren hieß es, der Reaktor in Olkiluoto solle 2009 in Betrieb gehen, doch die - nicht zuletzt durch Pfusch - immer wieder verzögerten Baufortschritte, lassen inzwischen eine Fertigstellung vor 2011 wenig glaubhaft erscheinen. Die Fertigstellung des Reaktorneubaus in Flamanville ist von offizieller französischer Seite für das Jahr 2012 geplant.

Nun ist es nicht zu leugnen, daß der Treibstoff der Atomkraftwerke, Uran, immer teurer wird. Die weltweiten Vorkommen gehen zur Neige. Neufunde nennenswerter Uranminen werden immer unwahrscheinlicher, so daß Atomstrom ohne steigende staatliche Subventionen auf dem Markt keine Chance mehr hat.1 Für Frankreich und Finnland spielte dies offenbar keine große Rolle, da in diesen Ländern der Staat im Bereich Energiepolitik nach wie vor die Richtung vorgibt. Hier hat der neoliberale Trend zur Liberalisierung auch der Energiemärkte noch wenig Wirkung gezeigt. Während in anderen europäischen Staaten von Seiten der Wirtschaft und von privaten Investoren keinerlei Interesse an einem finanziellen Engagement für AKW-Neubaupläne gezeigt wurde, werden die Bauten in Olkiluoto und Flamanville - pro AKW nach neuesten Schätzungen immerhin rund fünf Milliarden Euro - aus Steuergeldern vorfinanziert.

Anders jedoch in Großbritannien und den USA, wo die Energiewirtschaft bereits vor Jahrzehnten weitgehend "dereguliert" wurde. So wurde das Unternehmen 'British Energy', das acht der zehn noch bestehenden britischen AKWs betreibt, bereits 1996 an der Börse plaziert. Seitdem zeigt sich, daß Atomstrom nicht gegen billigen Strom aus Gaskraftwerken konkurrenzfähig ist. Da die britische Regierung wegen ihres Atomwaffen-Arsenals auf AKWs angewiesen ist - zumindest solange sie sich nicht zu atomarer Abrüstung durchringen kann - , war sie immer wieder gezwungen, den britischen Atom-Konzernen mit "Nothilfen" in Milliardenhöhe unter die Arme zu greifen.2

Nicht anders in den USA: Auch dort hat seit der wirtschaftlichen Liberalisierung der Reagan-Zeit kein Unternehmen Interesse daran gezeigt, Geld in den Neubau eines AKWs zu investieren. Seit einem Vierteljahrhundert wurde in den USA kein AKW mehr in Auftrag gegeben. Doch der damalige Präsidentschaftskandidat George W. Bush löste im Jahr 2000 - ähnlich wie heute Gordon Brown - mit seinem Versprechen, die USA in eine neue Ära der Atomenergie zu führen, in den Reihen der Anti-Atom-Bewegung Ängste aus. Auch Präsident Bush jr. konnte - ebenso wie sein Vorgänger William Clinton - die Wirtschaft in den vergangenen sieben Jahren nicht zu einem Wiedereinstieg in ein solch spekulatives Geschäft motivieren. Laut FinanzexpertInnen ist mit einer Amortisation der investierten Gelder nicht vor Ablauf von zehn Jahren zu rechnen - wohlgemerkt: zehn Jahre ab Betriebsbeginn gerechnet, bei zuverlässiger staatlicher Subventionierung des Atomstroms und bei Uranpreisen auf dem Niveau zur Jahrtausendwende.

Kurz vor dem G8-Gipfel in Heiligendamm im Juni 2007 versuchte sich US-Präsident G.W. Bush erneut als Prophet einer Atom-Renaissance: Ein 22 Jahre zuvor stillgelegter Reaktor im AKW Browns Ferry werde wieder hochgefahren, kündigte er an. Bereits zwei Tage später mußte der Reaktor wegen Rohrbruch sang- und klanglos abgeschaltet werden.3

Da eine Renaissance der Atomenergie aus wirtschaftlichen Gründen völlig absurd erscheint - zumal bei steigenden Uran-Preisen, kommen für die Pläne der britischen Regierung nur in einer Hinsicht rationale Erwägungen in Betracht: Gordon Brown mußte die britischen Parlamentswahlen im vergangenen Herbst verschieben, weil er angesichts düsterer Meinungsumfragen mit einer Abwahl rechnete. Wenn er der sterbenden britischen Atom-Branche mit Milliarden-Subventionen zum Bau neuer Atomkraftwerke und so zum Überleben verhilft, darf er auf den Rückfluß einiger Millionen als Wahlhilfe rechnen. Daß diese Bauten dann in zehn oder fünfzehn Jahren als Milliarden-Ruinen in der Landschaft herumstehen werden, ist zwar für die britische Volkswirtschaft wenig rational, doch für beide Seiten recht lukrativ. Wie das Beispiel der deutschen Milliarden-Ruinen in Kalkar (Schneller Brüter, aufgegeben 1991, offizielle Kosten: 5 Milliarden Mark) oder Hamm-Uentrop (Thorium-Hochtemperatur- Reaktor, stillgelegt 1989, offizielle Kosten: 6 Milliarden Mark) zeigt, wäre dies nicht das erste Mal in der an Kuriositäten reichen Geschichte der Atomenergie.

Als rationales Motiv für eine britische Atom-Renaissance kommt die herannahende Klimakatastrophe wiederum nicht in Betracht. Einmal ganz abgesehen davon, daß PolitikerInnen von Klimapolitik allenfalls reden, aber niemals etwas zu tun gewillt sein werden, da ihr Lohn sich auf den Dank derer beschränken würde, die nichts zu vergeben haben als ein Kreuzchen auf einem Stimmzettel - bei einem Ausbau der Atomenergie stünde der finanzielle Aufwand in keinem Verhältnis zum erreichbaren Effekt. Bekanntlich ist Atomstrom keineswegs klimaneutral, sondern verursacht bei Berücksichtigung der gesamten Produktionskette mehr Kohlendioxid pro Kilowattstunde als Strom aus regenerativen Energien. Weiter ist zu berücksichtigen, daß die bis heute übrig gebliebenen zehn britischen AKWs lediglich rund 20 Prozent des britischen Strombedarfs decken. Würden tatsächlich zehn AKWs gebaut - und betrieben - könnte der britische Ausstoß an Kohlendioxid lediglich um vier Prozent reduziert werden. Die Investition von fünfzig Milliarden Euro ließe sich hingegen zum Bau von Ökokraftwerken verwenden, um so den Ausstoß an Kohlendioxid um über 90 Prozent zu verringern.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

1 Siehe hierzu unseren Artikel:

      IPPNW: Uranvorräte bestimmen
      Zeitpunkt für "Atomausstieg" (31.10.05)

2 Siehe hierzu unseren Artikel:

      'British Energy' und der europäische Atom-Ausstieg
      Blair kämpft ums Überleben des Atom-Konzerns 'British Energy'
      (8.05.04)

3 Siehe hierzu unseren Artikel:

      Reaktor im AKW Browns Ferry nach zwei Tagen
      wieder abgeschaltet: Rohrbruch (30.05.07)

 

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