13.08.2004

Kette der "Pannen"
im AKW Gundremmingen
reißt nicht ab

Der "Atom-Ausstieg" wird immer konkreter

Wie erst heute, 13. August, von der offiziellen Homepage des AKWs Gundremmingen zu erfahren ist, wurde Block C des AKWs bereits am 5. August abgeschaltet - nachdem er bereits mehrmals dieses Jahr hatte abgeschaltet werden müssen. Die Bürgerinitiative 'Energiewende atomfreies Schwaben' erklärt hierzu, der AKW-Betreiber verheimliche, daß die Probleme, die zum Abschalten führten, bereits tagelang zuvor aufgetreten seien.

Die Bürgerinitiative vermutet, der AKW-Betreiber habe inzwischen den Überblick über die Vielzahl von "Pannen" verloren. Sie zählt allein für die Monate Juli und August sechs meldepflichtige "Pannen" auf. Die beiden seit 1984 im Betrieb befindlichen Reaktorblöcke B und C, beides Siedewasser-Reaktoren mit einer Leistung von 1.244 MW, zeigen also in ihrem zwanzigsten Betriebsjahr deutliche Alterungserscheinungen. Selbst von Betreiberseite wurden ursprünglich nur Betriebszeiten von maximal 25 Jahren in Betracht gezogen. Dennoch wurde im Jahr 2000 von "Rot-Grün" als "Atom-Ausstieg" eine durchschnittliche Gesamtlaufzeit der damals 19 in Betrieb befindlichen AKWs von mindestens 35 Jahren vereinbart.

Für die beiden Blöcke B und C der AKW Gundremmingen bedeutet dies konkret:
Block B hatte bis zum Stichtag 31.12..1999 in 16 Betriebsjahren insgesamt 142,9 TWh (Terawattstunden) Strom produziert. Als "Atom-Ausstieg" wurde eine "Rest"-Strommenge von 160,92 TWh für den Zeitraum ab 1.01.2000 vereinbart. Bei gleichbleibender Verfügbarkeit des Reaktors ergibt sich hieraus rein rechnerisch eine "Rest"-Laufzeit von 18 Jahren - also eine Gesamt-Laufzeit von 34 Jahren, die bis 2019 reichen würde. Diese Berechnung läßt jedoch die Alterung der Reaktoren und damit deren - wie gerade drastisch in den letzten Monaten ersichtlich - sinkende Verfügbarkeit außer acht. Infolge immer häufigerer Abschaltungen streckt sich die "Rest"-Laufzeit in unbekannte Länge. Dieser Irrsinn bedeutet faktisch, daß die Reaktoren um so länger betrieben werden dürfen, desto maroder sie werden, da die Stillstandszeiten den Zeitpunkt des Abschaltens entsprechend hinauszögern. Forderungen der "schwarz-gelben" Opposition, die Gesamt-Laufzeit der deutschen AKWs auf 40 Jahre zu "erhöhen", sind reine Phantom-Forderungen und können nur unter den Gesichtspunkten Profilierung und Anbiederung an die Atom-Mafia gesehen werden. Zudem wird der Betrieb von AKWs infolge versiegender Uran-Lagerstätten bereits in den nächsten Jahren merklich teurer und damit weniger profitabel.

Nur um nochmals den Zynismus der Vokabel "Atom-Ausstieg" zu illustrieren, sei hier auch die MINIMALE "Rest"-Laufzeit von Block C des AKW Gundremmingen berechnet: Block C hatte bis zum Stichtag 31.12..1999 in 16 Betriebsjahren insgesamt 134,1 TWh Strom produziert. Als "Atom-Ausstieg" wurde eine "Rest"-Strommenge von 168,35 TWh ab 1.01.2000 vereinbart. Bei gleichbleibender Verfügbarkeit des Reaktors ergibt sich hieraus rein rechnerisch eine "Rest"-Laufzeit von 20 Jahren - also eine Gesamt-Laufzeit von 36 Jahren, die bis 2021 reichen würde.

Nach den Spielchen um das AKW Obrigheim1 und bereits vor dem Abschalten des AKW Stade, das von Betreiberseite bereits vor 1998 als "unrentabel" bezeichnet worden war, am 14. November 2003, hatte "Rot-Grün" in trauter Eintracht mit der bayerischen CSU schon im April 2003 den Bau des ersten deutschen Reaktors nach der Atomkatastrophe von Tschernobyl 1986 zugestimmt.2 Und um der Reaktor-Industrie wie beispielsweise Siemens das Überwintern zu erleichtern, wird per Hermes-Krediten der weltweite Bau von Atomkraftwerken unterstützt.3

 

Klaus Schramm

 

Anmerkungen:

1 Entsprechend den als "Atom-Ausstieg" vereinbarten "Rest"-Laufzeiten hätte das AKW Obrigheim, das als ältestes AKW in Deutschland bereits seit 1968 in Betrieb ist, als erstes AKW - nicht vor, sondern knapp nach Ablauf der ersten vier Jahre "rot-grüner" Bundesregierung - im Herbst 2002 abgeschaltet werden sollen. Doch dann präsentierte EnBW-Chef Goll eine Geheimabsprache mit Bundeskanzler Schröder, laut der EnBW als Betreiber des AKW Obrigheim eine Betriebsverlängerung zugestanden wurde, von der auch Atom-Minister Trittin informiert war.
In einem Interview mit dem Fraktionsvorsitzenden der "Grünen" im Landtag von Baden-Württemberg war am 14.10.2002 im 'spiegel' (42 / 2002) zu lesen: "Was passiert, wenn sich Trittin entgegen Ihrer Erwartung einem Machtwort des Kanzlers beugen muß? - Kretschmann: Das wird nicht passieren. Wir werden im Koalitionsvertrag festhalten, daß es zu einer Betriebsverlängerung nicht kommt." Wenige Zeilen weiter : "Was ist, wenn Sie sich täuschen und Ihnen bei Ihrem Parteitag an diesem Wochenende ein Kompromiß vorgelegt würde, wonach Obrigheim weiterlaufen darf, wenn auch keine volle Wahlperiode lang? - Kretschmann: Ich bin ganz sicher, daß der Parteitag einer substanziellen Verlängerung der Laufzeit nicht zustimmen wird. Wir können unsere Glaubwürdigkeit nicht in einer so zentralen Frage aufs Spiel setzen. Das wäre politischer Selbstmord." Kretschmann irrte in jeglicher möglichen Hinsicht. Auch die Glaubwürdigkeit blieb Dank wohlwollender Beihilfe der Massenmedien weitestgehend erhalten und da die Partei bereits um 1990 das Zeitliche gesegnet hatte, war ein "politischer Selbstmord" längst nicht mehr möglich.
Ob es sich lohnt, folgende Pressemitteilung aus dem Ministerium Trittins bis 2005 aufzubewahren, sei dahingestellt:

Pressedienst Nr. 300/02
Berlin, 13. Dezember 2002

Gemeinsame Veroeffentlichung mit EnBW

Atom/Obrigheim Ende des AKW Obrigheim wird vertraglich besiegelt

Das Bundesumweltministerium und die Betreiber des Kernkraftwerks Obrigheim (KWO) haben sich darauf verstaendigt, dass der Reaktor spaetestens am 15. November 2005 endgueltig vom Netz geht. Dies soll in einem oeffentlich-rechtlichen Vertrag niedergelegt werden, der einen foermlichen Genehmigungsbescheid ersetzen wuerde. Darin wird festgelegt, dass die Zustimmung der Bundesregierung zur Uebertragung von 5,5 Terawattstunden vom Block 1 des Atomkraftwerks Philippsburg auf das KWO am 15. November 2005 unwirksam wird. Der Vertrag ist unterschriftsreif und wird voraussichtlich noch vor Weihnachten unterzeichnet.

Beide Seiten halten es zur Beseitigung der Ungewissheit und zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten fuer zweckmaessig, die am 14. Oktober 2002 getroffene politische Einigung zur Strommengenuebertragung von Philippsburg nach Obrigheim in einem oeffentlich-rechtlichen Vertrag zu regeln. Fuer die betroffenen Unternehmen, die zustaendigen Behoerden und die Oeffentlichkeit wird dadurch Rechtssicherheit geschaffen.

Der Vertrag legt fest, dass ueber die genehmigten Elektrizitaetsmengen von 5,5 TWh hinaus keine weiteren Strommengen auf das KWO uebertragen werden duerfen. Das Bundesumweltministerium sichert zu, das Verfahren zur Erteilung der Genehmigung fuer die Stilllegung des KWO im Rahmen seiner Zustaendigkeit und des geltenden Rechts zu foerdern.

2 Siehe auch unseren Artikel
    Teuerstes Spielzeug der Welt in Garching (10.06.04)

3 Siehe auch unseren Artikel
    Hanau-Export - nicht Neues
    "Rot-Grün" von Beginn an korrupt (9.12.03)

 

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