7.12.2007

Krebs-Häufung
in der Nähe von AKWs

Neue Studie im Auftrag des Bundesamtes für Strahlenschutz

Im Umkreis der 17 deutschen AKWs erkranken Kleinkinder signifikant häufiger an Blutkrebs. Dies wird durch eine neue Studie des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) nachgewiesen. Eine Studie von Alfred Körblein vom Umweltinstitut München, die bereits seit sechs Jahren vorliegt,1 wurde bisher von offizieller Seite ignoriert. Körblein, der im Auftrag der ÄrztInnen-Vereinigung IPPNW, die Krebshäufigkeit in der Umgebung der bayerischen AKWs Gundremmingen, Isar und Grafenrheinfeld untersucht hatte, war zum selben Ergebnis gekommen wie die nun offiziell veranlaßte Studie.

Leukämie bei deutschen Atomkraftwerken

Kleinkinder, die in der Nähe von Kernkraftwerken leben, erkranken signifikant häufiger an Krebs. Laut der BfS-Studie steigt die Zahl krebskranker Kinder, je näher ihr Wohnort an einem der 17 deutschen Reaktorstandorte liegt.

ForscherInnen der Universität Mainz, die im Auftrag des BfS tätig waren, stellten fest, daß im Fünf-Kilometer-Umkreis der Reaktoren 37 Kinder neu an Leukämie erkrankt sind. Im statistischen Durchschnitt wären im Untersuchungszeitraum zwischen 1980 und 2003 lediglich 17 Fälle zu erwarten. Mehr als die Hälfte der Leukämie-Fälle steht daher im Zusammenhang mit dem Wohnort der Kinder. Je näher die Kinder am Atom-Reaktor aufgewachsen waren, desto höher lag ihr Risiko, an Krebs zu erkranken - und umgekehrt.

Konkret bezieht sich dieses Ergebnis auf Kinder in den ersten fünf Lebensjahren. Die Mainzer WissenschaftlerInnen hatten für ihre Studie eine aufwendige Vorgehensweise gewählt. In die Studie wurden alle von 1980 bis 2003 diagnostizierten Krebsfälle der Kinder unter fünf Jahren einbezogen, die in den Landkreisen wohnten, die an die 17 deutschen Atomkraftwerke grenzen. Insgesamt sind das 41 Landkreise. In diesen Regionen erkrankten 1.592 Kleinkinder an Krebs, darunter 593 an Leukämie. Den 1.592 krebserkrankten Kindern stellten die Forscher 4.735 gesunde Kinder gegenüber, die zur selben Zeit in derselben Gegend aufgewachsen waren. Diese als "Fall-Kontroll-Studie" bezeichnete Vorgehensweise gilt für derartige Fragestellungen als besonders zuverlässig. Der Wohnort wurde bis auf 25 Meter genau bestimmt.

Streng wissenschaftlich betrachtet ist mit dieser Studie ein kausaler Zusammenhang zwischen dem strahlenden Inventar der Atomkraftwerke und den Krebsfällen nicht nachgewiesen. Hierzu müßte die Ursachenkette bis zum möglicherweise eingeatmeten Teilchen minutiös untersucht werden. So heißt es denn auch in der Studie: Das Ergebnis sei "nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand nicht strahlenbiologisch erklärbar". Dies hebt darauf ab, daß die Strahlenbelastung außerhalb der Atomkraftwerke nach offiziellen Zahlen aus medizinischer Sicht zu gering sind, um als Ursache für die Krebsfälle in Frage zu kommen. Ein Zusammenhang ist zwar nunmehr unbestreitbar - eine Kausalität jedoch nicht bewiesen. Welcher Art dieser Zusammenhang ist, bleibt vorerst ungeklärt. Unter solch strengen Kriterien ist allerdings auch die Wirksamkeit vieler Medikamente nicht kausal nachweisbar.

Im Gegensatz zu früheren Untersuchungen jedoch lassen sich die BfS-Ergebnisse nicht mit sogenannten statistischen Ausreißern erklären. Damit wurde bisher im Falle der Häufung von Leukämie-Fällen in der Umgebung des AKW Krümmel und des benachbarten Forschungszentrums GKSS argumentiert. Im Rahmen der BfS-Studie wurden Gegenkontrollen vorgenommen, die ergaben, daß sich die erhöhte Leukämie-Rate im Durchschnitt bei allen Standorten einstellte - wenn auch nicht so auffällig wie beim AKW Krümmel.

Im Februar 2006 hatte das Kinderkrebsregister an der Universität Mainz den fünfzehnten Fall vermeldet, der in der Region um Krümmel zwischen 1990 und 2005 diagnostiziert wurde. Nur fünf Fälle wären in diesem Zeitraum nach den Gesetzen der Statistik zu erwarten gewesen. "Eine solche Leukämie-Häufung bei Kindern ist in der Umgebung anderer deutscher Kernkraftwerke nicht zu sehen", hieß es damals in einer Stellungnahme aus Mainz. Vier der erkrankten Kinder sind mittlerweile verstorben.

Als Grenzwert in der Nähe von Atomkraftwerken gelten in Deutschland 0,3 Milli-Sievert (mSV) pro Jahr. Die tatsächliche Belastung ist nach offiziellen Angaben geringer: Sie liege für 50-Jährige mit Wohnsitz im Fünf-Kilometer-Umkreis der AKWs zwischen 0,0000019 und 0,0003200 mSV. Wenn jedoch bei Pannen in AKWs die Meßgeräte abgeschaltet werden oder Meßprotokolle verschwinden, ist die Aussagekraft der auf dem "Normalbetrieb" beruhenden Zahlen zumindest fraglich.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

1 Siehe auch:

      Bayerische AKWs rufen nachweislich
      Krebs bei Kindern hervor (14.02.01)

      Dokumentation der Orginalarbeit
      von Dr. Alfred Körblein (14.02.01)

      Signifikant erhöhtes Leukämie-Risiko bei Atomkraftwerken
      Wissenschaftliche Studie über 136 AKWs (21.07.07)

 

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