5.02.2009

Schwedische Regierung
wünscht
neue Atomkraftwerke

Kommt nun doch die "Renaissance der Atomenergie"?

In den Mainstream-Medien (so auch in der heutigen Ausgabe der 'taz') wird mit Hilfe einer Absichtserklärung der schwedischen Regierung, den Neubau von Atomreaktoren zu unterstützen, zum wiederholten Male versucht, eine "Renaissance der Atomenergie" zu suggerieren. Bereits vor acht Jahren hatte der neue US-amerikanische Präsident George W. Bush angekündigt, fünfzig neue Atomkraftwerke zu bauen. Kein einziges wurde realisiert. Schon seit der Jahrtausendwende stagniert die Zahl der weltweit stromproduzierenden Atomreaktoren bei rund 440.

1980 hatte sich in Schweden bei einer Volksabstimmung eine Mehrheit von rund 79 Prozent gegen Atomenergie ausgesprochen. Doch anders als in Österreich, wo ein Atomausstieg 1978 nach einem Volksentscheid durchgesetzt werden konnte und anders als in Italien, wo ein Volksentscheid gegen Atomenergie 1987 mit viel Glück innerhalb eines Jahres zum Atomausstieg führte1, blieb der schwedischen Anti-Atom-Bewegung der Erfolg versagt.2

"Das Gesetz zum Atomausstieg wird zurückgezogen", erklärte der schwedische Ministerpräsident am heutigen Donnerstag. Ein Witz angesichts der Bilanz der vergangenen 28 Jahre. Zwar wurden zwei von insgesamt zwölf Atomreaktoren in Schweden stillgelegt: 1999 Block 1 und 2005 Block 2 des AKW Barsebäck, so daß nur noch drei der ursprünglich vier Atomkraftwerke in Betrieb sind. Doch durch riskantes Tuning der verbliebenen zehn Reaktoren ist deren Stromproduktion - falls sie einmal alle gleichzeitig funktionieren - höher als die der zwölf Reaktoren vor 1999. Hinzu kommt, daß der schwedische Staats-Konzern Vattenfall mit den Entschädigungsgeldern für das AKW Barsebäck die Hamburgischen Electricitätswerke samt deren Anteilen an den Atomkraftwerken Stade, Brunsbüttel, Krümmel und Brokdorf aufkaufte. Nach dem Beginn des "Atomausstiegs" besitzt Schweden also mehr Atomkraftwerke als vorher. Und Vattenfall wurde so neben E.on, RWE und EnBW zu einem der "Großen Vier", die den deutschen Strommarkt beherrschen.

Die schwedische Industrie hatte Anfang dieses Jahres eine PR-Kampagne für neue Atomkraft gestartet. Zugleich werden von den Mainstream-Medien AtomkraftgegenerInnen hofiert, die viel von einem Kampf gegen die angeblich drohende "Renaissance der Atomenergie" reden, aber über den schwedischen Atomausstieg kein Wort mehr verlieren. Dabei ist vor dem Hintergrund der immer mehr um sich greifenden Weltwirtschaftskrise kaum mehr mit dem Neubau von Atomkraftwerken zu rechnen. Und gerade erst gestern wurde eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung A.T. Kearney publik, laut der sich der Neubau von Kraftwerken nicht mehr rechnet und so die Überalterung des europäischen Kraftwerksparks voranschreiten wird.3

Wohlweislich hat auch die schwedische Regierung ihrer Ankündigung einen Passus beigefügt, wonach staatliche Finanzmittel für den Ausbau der Atomenergie nicht zur Verfügung stünden. Doch hierüber wird von den Mainstream-Medien nicht berichtet. Bekanntlich aber wurde weltweit noch kein einziges Atomkraftwerk ohne staatliche Subventionen gebaut. Und wer sich die schwedische Ankündigung genauer durchliest, erfährt, daß nur ausgediente Atomreaktoren durch neue ersetzt werden sollen und so die Gesamtzahl von zehn Reaktoren nicht überschritten wird. Wie Deutschlands "Atomausstieg" läuft dieser schwedische "Atomeinstieg" also auf eine Bestandsgarantie hinaus.

Uninformierte - oder zur Desinformation ihrer LeserInnen neigende - JournalistInnen schrieben dennoch wohlgemut, ein positives Beispiel, an dem sich die schwedische Regierung hätte orientieren sollen, sei der von "Rot-Grün" im Jahr 2000 beschlossene deutsche "Atomausstieg". Darin seien "genaue Laufzeitvorgaben festgezurrt". Um festzustellen, daß dies nicht mit den Tatsachen übereinstimmt, würde allein ein Blick in den Vertagstext genügen. Und ebenso ein Blick auf die Tatsache, daß noch vor wenigen Jahren in einer Veröffentlichung des Bundes-"Umwelt"-Ministeriums zu lesen war, das AKW Biblis A werde am 26. Februar 2007 abgeschaltet. Inzwischen befinden wir uns bekanntlich im Februar 2009.4

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

1 Siehe hierzu auch

      Der italienische Atom-Ausstieg
      Folge 9 der Info-Serie 'Atomenergie'

2 Siehe hierzu auch

      Schwedens "Atom-Ausstieg"
      Folge 10 der Info-Serie 'Atomenergie'

3 Siehe hierzu auch

      Weltwirtschaftskrise trifft Energie-Konzerne
      Keine Investitionen für AKW-Neubauten (4.02.09)

4 Siehe hierzu auch

      Gabriel läßt AKW Biblis A in Betrieb
      Abschaltung war für 26.02.2007 angekündigt (28.02.07)

 

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