14.07.2004

EU-Flotte darf Fischgründe
um Azoren plündern

Weltnaturerbe in akuter Gefahr

Entgegen allen Sonntagsreden über Nachhaltigkeit hat der Europäische Gerichtshof dieser Tage entschieden, daß europäische Fischfang-Flotten ihren Raubbau1 auf die bisher den einheimischen Fischern der Azoren vorbehaltenen Fanggründen ausdehnen dürfen. Eine Zone von 100 bis 200 Seemeilen rund um die Azoren darf nun ab August 2004 von europäischen Tiefseefangflotten geplündert werden. Bereits im November 2003 hatte der EU-Ministerrat der Fischereiminister seine Zustimmung gegeben, doch die autonome Region der Azoren hatte sich mit Unterstützung der Umweltorganisationen 'Seas at Risk' und WWF an den Europäische Gerichtshof gewandt. Dieser wies nun den Antrag der Azoren, die Regelung des EU-Ministerrats bis zu einer endgültigen Entscheidung auszusetzen "mangels Dringlichkeit" ab - ein negatives Signal sowohl für die Fischbestände um die Azoren als auch in Hinblick auf die noch ausstehende Grundsatzentscheidung.

Mit einer durchschnittlichen Tiefe von 3.000 Metern sind die Gewässer rund um die Azoren reich an riesigen Seebergen, Tiefwasserkorallen, heißen Tiefseequellen, mehr als 20 Walarten und verschiedenen Tiefseefischen wie beispielsweise dem Atlantischen Sägebauch. Aufgrund dieser in Europa seltenen Konstellation wurde das Gebiet als Weltnaturerbe vorgeschlagen. Die langlebigen und sich langsam fortpflanzenden Tiefseefische sind besonders empfindlich gegenüber intensiver Fischerei.

Über Generationen haben die Menschen auf den Azoren mit kleinen Schiffen und traditionellen Fischereimethoden gefischt, ohne die Bestände zu gefährden. Sie haben die Umwelt aktiv geschützt, indem sie beispielsweise spezielle Haken benutzten, um den Beifang von Meeresschildkröten auf ein Minimum zu reduzieren. "Um dieses Erbe noch zu bewahren, muß Portugal oder die EU-Kommission jetzt eine Eilmaßnahme zum Schutz dieser einmaligen Unterwasserwildnis verhängen", fordert Stephan Lutter vom WWF.

"Dies ist ein schrecklicher Schlag für die Meeresumwelt und die Fischer der Azoren. Ohne effektive Kontrollen wird die Europäische Fischereiflotte das ökologisch hochwertige Gebiet binnen einiger Monate leer fischen", erklärt Monica Verbeek von 'Seas at Risk'. Ihr Kollege Stephan Lutter vom WWF ergänzt: "Eine Region, die gerade noch als leuchtendes Beispiel für nachhaltige Fischerei galt, wird hiermit für immer zerstört. Besonders fatal ist neben der Invasion der Flotten, daß auch die bisher verbotenen, rabiaten Bodenschleppnetze jetzt Einzug halten und die prächtigen Korallen niederwalzen werden. Das haben wir uns unter einer umweltverträglichen Fischereipolitik der EU nicht vorgestellt."

 

Petra Willaredt

 

Anmerkung:

1 Siehe auch unseren Artikel

    Raubbau an den Fischbeständen ungebremst (20.10.03)

 

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