23.08.2003

Artikel

Blackout

Zu den Ursachen des Stromausfalls in New York, Detroit, Ottawa u.s.w.

Es war der insgesamt vierte - und schlimmste - dieser absolut unnötigen, großen Blackouts im Nordosten (seit 40 Jahren, seit 1965). Sein Radius war erschreckend - Detroit, Ottawa, New York, New Jersey - erschreckend vor allem, wenn man bedenkt, daß das Ganze auf Korruption und absolute Dummheit zurückgeht. Nicht zu vergessen die Blackouts in Kalifornien 2000/2001. Das waren “Erpressungsversuche” Enrons und der anderen Energiekumpels von Bush. 60 Milliarden Dollar wollte man dem Staat so aus den Rippen leiern. Eine der Folgen: die eventuell bevorstehende Amtsenthebung Gouverneur Gray Davis. Als die Lichter (in Kalifornien) ausgingen, hatte Gray Davis John Bryson von ‘Southern California Edison’ die Füße geküßt. Der sorgte für ein Deregulierungsgesetz, das den Steuerzahler 30 Milliarden Dollar kostete - investiert in die funktionsuntüchtigen kalifornischen Nuklearanlagen. Somit waren den Energie-Piraten Tür und Tor geöffnet, um sich weitere 60 Milliarden Dollar zu stehlen. Der Rückstoß erwischte Davis.

An der jetzigen Katastrophe im Nordosten trägt prinzipiell dieselbe Art Leute Schuld: jene Energie-Barone im Besitz der fossilen und atomaren Energiemacht und deren Kumpels im Stromversorgungsgeschäft. Ihre Waffe: ein absolut veraltetes Stromnetz - veraltet bis zur Obszönität, eine extrem fragile Konstruktion Marke Rube Goldberg, die Strom ebenso gefährlich wie ineffektiv aus zentralen Energieanlagen - die teuer, umweltverschmutzend und extrem unsicher produzieren -, zu Häusern herleitet, die zwar Unmengen Energie verschwenden, aber selbst keine produzieren. Eines steht fest: dieses Stromnetz wird wieder und wieder und immer wieder kollabieren. Stellt sich die Frage: Wer ist der wahre Terrorist? Ein herumreisender Irrer, der etwas in die Luft jagt oder jemand, der an verfestigten Interessen festhält und nicht bereit ist, diese Situation zu ändern?

Wir verfügen heutzutage über Technologien, die diesen Schlamassel unnötig machen. Mitte der 90ger schlugen kalifornische Verfechter ‘grüner’ Energie vor, ein 600-Megawatt-Mosaik aus Anlagen mit erneuerbarer Energie - Wind, Sonne, usw. - zu installieren. Hätte man auf sie gehört, es wäre nie zu der gefakten Deregulationskrise von 2001 gekommen. Die Kalifornische Kommission für öffentliche Versorgungsbetriebe (‘California Public Utilities Commission’) hatte dem Plan zugestimmt - dann schossen ihn Southern California Edison und die Nationale Energie-Regulierungskommission (Federal Energy Regulatory Commission) ab. Derzeit ist die Regierung Bush dabei, ihre Freunde in der fossilen Energie- bzw. in der Stromversorgungsbranche mit einem neuen, üblen Energiegesetz bzw. indem sie Milliarden in die “Modernisierung” des Stromnetzes steckt, zusätzlich zu subventionieren. Das Einzige, was sicher ist: jeder Cent dieses Geldes ist verschwendet.

1952 wurde (Präsident) Harry Truman in einem ‘Blue Ribbon’ Report vorausgesagt, die Zukunft der amerikanischen Energieversorgung liege in der Sonnenenergie. Bis 1975 würden sich hierzuland 13 Millionen Häuser durch Solaranlagen mit Energie selbstversorgen. Dezentrale, netzunabhängige Selbstversorgung - so lautete das Versprechen. Und was passierte? Dwight Eisenhower ritt uns mitten hinein in den Schlamassel: “Friedliche (Nutzung der) Kernenergie”. Eine Billion Dollars später blicken wir auf ein halbes Jahrhundert zusammenbrechender Stromnetze und gefährlicher Atomanlagen zurück. Atomanlagen sind anfällig für Terrorattacken, außerdem muß man sie just dann abschalten, wenn sie am nötigsten gebraucht werden (siehe jüngster Blackout). Bushs neues Energiegesetz macht die Sache nur noch schlimmer: höhere Subventionen für die Atomenergie und ein Mordszuschuss für fossile Brennstoffe - allen voran die Kohle.

Was das ganze System braucht, ist ‘grüner’ Rückbau. Die Solartechnologien bringen uns einer Energieselbstversorgung zum Greifen nah. Mit Photovoltaik-Zellen auf den Dächern bzw. in Fenster eingelassen erzeugen wir stromnetzunabhängige Energie (mit ein paar Batterien oder Brennstoffzellen in der Hinterhand). Dann die geothermische Energie: Sie nutzt einzig die Kräfte der Erdkruste zum Kühlen, zum Erhitzen. Methan-Gärungsprozesse machen es möglich, dass aus Abfall nützliches Gas entsteht. Wohnungsgeneratoren arbeiten mit Biomasse (Ethanol, Sojadiesel) - auch hier ist Selbstversorgung möglich. Es ist jedoch nicht gleich nötig, dass solche Systeme den Energiebedarf eines Gebäudes zu 100 Prozent decken. Schritt für Schritt wird man zum Selbstversorger - bei gleichzeitig zurückgehendem Verbrauch durch effizientere Beheizung und Beleuchtungs- und Kühlsysteme. Fenster, die man tatsächlich aufmachen und schließen kann, tragen zudem zur ausgeglichenen Energiebilanz bei - Gebäude für Gebäude. Spricht Bush von einer “Modernisierung des Netzes”, bedeutet dies nur wieder Verschwendung von Geldern, an dieselben alten, unsicheren Atomanlagen, an umweltverschmutzende Kohlekraftwerke und Gasturbinen - möglichst teure Energie - (und das alles zusammengehalten durch ebenso gefährliche wie energievergeudende Stromleitungen, die ständig kollabieren).

San Francisco hat eine öffentliche Anleihe (teilweise) dazu benutzt, die ersten einer neuen Generation von Solarzellen auf das Moscone Center in downtown Francisco zu installieren. Hätte man die Zellen auf Madison Square Garden - oder jedem anderen Gebäude Manhattans - installiert, dieses Gebäude hätte beim jüngsten Blackout weiterfunktioniert. Werden die New Yorker etwas daraus lernen? Die Technologie für ein solarbetriebenes, dezentrales Energiesystem ist vorhanden. Auf den großen Forschungsdurchbruch brauchen wir nicht mehr zu warten. Was wir hingegen benötigen, ist öffentliche Nachfrage und gut geförderte Produktionskapazitäten. Und man muß endlich aufhören, immer dieselben Fehler zu begehen, nur weil die Jungs aus der Energieversorgung und der fossilen / nuklearen Branche die Politiker an der Macht finanzieren. Wir brauchen keine Raketenwissenschaftler. Was wir brauchen, ist ganz normaler, gesunder Sonnenverstand - das wussten aber alle schon im Jahr 1952.

 

Harvey Wasserman

Harvey Wasserman ist Autor von ‘The last energy war’ und Senior Editor von www.freepress.org

Quelle: ZNet Deutschland vom 21.08.2003. Übersetzt von: Andrea Noll.

 

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