24.10.2003

Kommentar

Fünf Jahre "Rot-Grün"
und die BUND-Umweltbilanz
der letzten 12 Monate

Zum Jahrestag des Amtsantritts der zweiten rot-grünen Bundesregierung hat der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) eine Umwelt-Bilanz vorgelegt. Vor "Rückschritten in der Umweltpolitik" wird darin gewarnt. Ob die bisherige "rot-grüne" Umweltpolitk als Fortschritt oder als Rückschritt zu werten ist, läßt die Umwelt-Organisation offen. Atom-Politik und Gen-Politik - obwohl letztere gerade in einer entscheidenden Phase - werden vom BUND ausgespart. Der Text läßt auf eine zutiefst verunsicherte Umwelt-Organisation schließen.

Beklagt wird, daß einige Bereiche, in die der BUND noch in den ersten Jahren von "Rot-Grün" große Hoffnungen gesetzt hatte, "zunehmend in Mißkredit" gerieten: LkW-Maut, Energiewende, Dosenpfand und Ökosteuer werden beispielhaft genannt.

Selbst in den nachrangigen Bereichen (den einzigen beiden die der BUND für erwähnenswert erachtet), in denen "Rot-Grün" objektiv Pluspunkte zugeschrieben werden müssen wie Entfernungspauschale (ein halber Pluspunkt, der Sätzer) oder Eigenheimzulage, konstatiert der BUND, daß hierbei die Motive weniger in konsequenter Umweltpolitik denn in der Finanzpolitik zu suchen sind. Die BUND-Vorsitzende Angelika Zahrnt beklagt den Widerspruch zwischen Worten und Taten, zwischen der Selbstverpflichtung "mit großem Tamtam zur Nachhaltigkeit in allen Politikfeldern" einerseits und andererseits, daß die Regierung im Umweltbereich "in Deckung" gehe, sobald es schwierig werde. An der Ehrlichkeit der Versprechungen hält sie gutgläubig fest.

So ist es dann auch nur als Rhetorik zu verstehen, wenn im Hinblick auf den 150 Milliarden Euro teuren Bundesverkehrswegeplan der schon reichlich abgenutzte Begriff "Offenbarungseid" verwendet wird. Angemerkt wird, daß für Investitionen im Straßenbau bis 2015 ein neues Rekordniveau vorgesehen ist, aber andererseits wird die angebliche Notwendigkeit von Sparpolitik, "Agenda 2010" und "Modernisierung des Sozialstaates" dennoch nicht in Frage gestellt. Vergessen wohl auch der kurze friedenspolitische Frühling beim BUND, der Hoffnungen geweckt hatte, hier würden etwa die tief verborgene Zusammenhänge zwischen den 18 Milliarden für den Eurofighter und den "fehlenden" Finanzmitteln für erneuerbare Energien, zwischen der "Sicherung deutscher Interessen" am "Hindukusch" und der Friedensfähigkeit von Solarenergie einmal bewußt werden. Und ausgerechnet die Aussage über einen entscheidenden Punkt, der Auskunft über die Ernsthaftigkeit einer "Energie-Wende zu geben vermag, wird in der BUND-Stellungnahme im Konjunktiv formuliert: "Fortschritte gebe es leider auch nicht beim Ausbau der hoch effizienten Kraft-Wärme-Kopplung". Offensichtlich trauten die vom BUND mit der Abfassung des Textes Beauftragten der eigenen Erkenntnis so wenig, daß sie diese (versehentlich ?) abschwächen mußten. Oder aber die Angst führte die Feder, der dann unausweichlichen Schlußfolgerung ins Auge sehen zu müssen.

Bemerkt wird vom BUND wohl einerseits, daß Lärm, Flächenverbrauch und Kohlendioxisemission weiterhin zunehmen (nicht erwähnt bleibt die Tatsache, daß diese Zunahme ärger ist als in der schwarzen Ära Bundeskanzler Kohls) und dennoch wird um "Unterstützung" für die Bundesregierung geworben, damit diese ihre internationale Wirkung "stärker betonen" könne. Es wird in vielen Ländern Europas und aller Welt durchaus mit Interesse registriert, wie eine Regierung zugleich einen "Atomausstieg" propagieren und vor der UNO eine Resolution unterstützen kann, in der "die Vorteile der friedlichen Atomenergie-Nutzung und nuklearer Techniken" anerkannt werden "und (ihr) Beitrag, um in den Entwicklungsländern nachhaltige Entwicklung zu erreichen sowie um generell das Wohlergehen und die Lebensqualität der Menschheit zu verbessern".

Bemerkt wird vom BUND auch, daß die "rot-grüne" Regierung noch keinesfalls bewiesen hat, ob sie die propagierte "sozial-, umwelt- und tiergerechte Landwirtschaft" denn "wirklich" wolle. Dennoch wird Künast und Trittin weiterhin zugute gehalten, daß sich diese für gentechnikfrei produzierende Landwirte einsetzten, obwohl de facto alles in die entgegengesetzte Richtung läuft. Das fadenscheinige Theaterspielchen von den Guten (Künast und Trittin) und den Bösen (Clement und Buhlmann) in der Regierung wird nach wie vor kolportiert und ganz ohne daß dies etwa ironisch gemeint wäre, heißt es: "Selbst Bundeskanzler Schröder scheint sich an seine Aussage während der BSE-Krise, wir müssten weg von den Agrarfabriken, nicht mehr zu erinnern".

Ja wo kämen wir denn hin, wenn wir uns erdreisteten, annehmen zu wollen, ein Bundeskanzler könne sich an seine Versprechungen erinnern...

 

Klaus Schramm
(BUND-Mitglied ohne Rang und Funktion)

 

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