24.04.2008

"Umwelt"-Minister Gabriel
macht den Coca-Cola-Vertreter
in der Schule

Was hat Coca-Cola wirklich mit Wasser zu tun?

Laut einer heute (Donnerstag) veröffentlichten Pressemitteilung aus dem "Umwelt"-Ministerium übernimmt Sigmar Gabriel die Schirmherrschaft des von Coca-Cola bundesweit gestarteten PR-Feldzugs "Wasserschutz macht Schule". Den Dienst für einen der skrupellosesten internationalen Wasser-Konzerne, erklärt die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium Astrid Klug mit dem doppeldeutigen und an Zynismus kaum mehr zu überbietenden Satz: "Wasser zählt zu unseren wertvollsten Ressourcen."

"Wasser wird das Öl des 21. Jahrhunderts", sagte Neville Isdell, der Vorstandsvorsitzende des Coca-Cola-Konzerns im Januar 2008 auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Und ebenso wenig wie die Mineralöl-Konzerne die Grundlage ihrer wirtschaftlichen Macht an mittellose AfrikanerInnen verschenkten, ebenso wenig geht es Coca-Cola um Wohltätigkeit. Es geht um gigantische Profite bei einem Gut, das global immer knapper wird und dessen Nachfrage zugleich steigt.

Unsichtbar ist der Coca-Cola-Konzern längst auf dem Wasser-Markt in Deutschland präsent: So gehören ihm beispielsweise Apollinaris mit einem Absatzvolumen von rund 200 Millionen Litern und das Heilwasser Heppinger. Und auch bei der Zerstörung des umweltfreundlichen Mehrweg-Systems ist Coca-Cola an vorderster Front zu finden: Kaum ein anderer Getränke-Abfüller erzeugte einen vergleichbaren ökonomischen Druck bei der Durchsetzung von Plastikflaschen.

Globale Konzerne wie Vivendi, Suez, Pepsi und Coca-Cola haben mit Unterstützung des IWF (Internationaler Währungs Fond) und der WTO (World Trading Organisation) - beides scheinbar unabhängige Institutionen, die allein dazu dienen, die Vorherrschaft globaler Konzerne zu stärken und zu sichern - längst ganze Volkswirtschaften zur Privatisierung des Wassers gezwungen. Überall war es das gleiche Spiel: Die Opfer werden in die Schuldenfalle getrieben, es werden neoliberale Zwangsmaßnahmen verordnet und die Konzerne können sich große regionale Wassermärkte untereinander aufteilen.1

In Frankreich und England können wir sie bereits heute besichtigen: die Folgen der Privatisierung der öffentlichen Trinkwasserversorgung. Sobald die Wasserrechte von den Kommunen auf große Konzerne übergegangen waren, stiegen die Wasserpreise kartellartig an. In Frankreich beispielsweise um das Zweieinhalbfache, in England allein zwischen 1989 und 1995 um mehr als das Doppelte. Im gleichen Zeitraum stiegen die Gewinne der Wasserkonzerne um 692 Prozent.

Coca-Cola gilt nicht zu unrecht als "globaler Akteur" per se.2 Der Konzern besitzt ein weltweit bekanntes Logo, das allein Milliarden wert ist. Das Getränk aus Atlanta im US-Staat Georgia wird nahezu überall auf der Welt akzeptiert und sein Werbe-Feldzug hat alle Erdteile erobert. "Der Name des Limonadenherstellers aus Atlanta steht geradezu paradigmatisch für Kommerz gegen Kultur und für kulturelle Dominanz Amerikas, des Westens bzw. des Nordens gegenüber dem Rest der Welt, ja für 'Imperialismus'. Doch steht das 'Rot von Coca-Cola' in weiten Teilen der Welt auch für "Freiheit" und eignet sich daher durchaus als Symbol für die 'Eine Welt'-Bewegung - die Provokation immer mit gedacht," schrieb Jürgen Hausmann bereits 1998.3 Trotz der hohen Produktionskosten und der Verdrängung vieler lokaler Getränke4, sind Produktion und Vermarktung dieser Limonade selbst in Afrika unverzichtbar geworden.

Wohin ein Großteil der Entwicklungshilfe-Gelder fließt, zeigt folgendes Beispiel: Eines der wenigen sichtbaren Projekte, das von der US-amerikanischen Agentur für internationale Entwicklung (US Aid) in Afghanistan finanziert wurde, ist der Bagrami Industrial Park bei Kabul. Dort hat Coca-Cola im Dezember 2005 eine Fabrik für 25 Millionen Dollar gebaut. Es ist die größte ausländische Investition seit dem Fall des Taliban-Regimes. Ebenso grotesk - und vorbei an den Bedürfnissen der AfghanInnen - ist die Zuckerfabrik in Baghlan. Sie gilt als Vorzeigeprojekt und Springers 'Welt' feierte sie als "Symbol einer wirtschaftlichen Entwicklung jenseits des Mohnanbaus".

Neben der permanenten Verseuchung durch hormonell wirksame Substanzen, die aus den Plastikflaschen ins Getränk abgegeben werden, machte Coca-Cola in Indien durch andere Beimischungen negative Schlagzeilen. Im August 2006 wurde bekannt, daß in elf verschiedenen von Coca-Cola und Pepsi in Indien abgefüllten "Softdrinks" zwischen drei und fünf verschiedene Pestizide gefunden wurden. Die Getränke stammten aus 25 verschiedenen Niederlassungen von Coca-Cola und Pepsi, die sich über zwölf indische Bundesstaaten verstreut befinden. In allen Proben wurden Pestizid-Konzentrationen gemessen, die um das 24-Fache über dem von den indischen Behörden erlaubten Limit lagen.

Coca-Cola versuchte sich zunächst damit herauszureden, daß die Pestizide aus dem Wasser der Brunnen stammte, mit dem das Limo-Konzentrat bei der Abfüllung zum fertigen "Softdrink" vor Ort abgemischt wird. Diese Pestizide seien Rückstände aus der indischen Landwirtschaft und die Verantwortung läge daher bei Indien.

Neben all diesen Problemen nehmen sich die Sorgen um immer mehr übergewichtige Kinder in den Industriestaaten als zweitrangig aus. Doch insbesondere in den USA scheint sich nach Kampagnen von Verbraucherschutz-Organisationen, die Getränke und Speisen mit übermäßigem Zuckergehalt anprangerten, der Wind gedreht zu haben. Wie der 'spiegel' im Mai 2006 berichtete, haben Coca-Cola, Pepsi und andere Hersteller zuckerhaltiger Limos sich in den USA verpflichtet, keine ihrer "Softdrinks" mehr an Schulen zu verkaufen.5 Da muß es geradezu als grotesk erscheinen, wenn sich Coco-Cola nun mit Hilfe eines übergewichtigen deutschen Ministers Zutritt an Deutschlands Schulen verschafft.

Nur nebenbei sei hier noch vermerkt: Coca-Cola versucht sich bei seinem Werbefeldzug an deutschen Schulen ausgerechnet als Schutzpatron des Wassers aufzuspielen. Mit einer "Donau Box", einem Schulmedienset für die vierte bis sechste Klasse, soll den Kindern und Jugendlichen angeblich der zweitlängste Fluß Europas und damit der Lebensraum Wasser näher gebracht werden. Das Wasser der Donau ist zwar auf weite Strecken durchaus braun - es geht bei diesem Projekt jedoch um eine andere braune Flüssigkeit, die der Coca-Cola-Konzern den Kindern und Jugendlichen näher bringen will.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

1 Norbert Copray, Der Ausverkauf des Wassers,
      Publik-Forum Nr. 5 / 2003

2 Burchardt, Hans-Jürgen (1996): Die Globalisierungsthese -
      von der kritischen Analyse zum politischen Opportunismus,
      Das Argument, 5/6 : 741-755

3 Hausmann, Jürgen (1998): Thema: Kulturelle Globalisierung?
      Einführung, Kulturpolitische Mitteilungen, 81/II: 16-17.

4 Von Weizsäcker, U. (1996): Der falsche verstandene Darwin.
      Globaler Freihandel - Irrweg und Denkfehler?
      Bild der Wissenschaft, 2: 70-71.

5 http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,414330,00.html

Siehe auch unsere Artikel:

      Sigmar Gabriel (VW) hatte PR-Firma (5.02.05)

      Sigmar Gabriels Geheim-Gutachten,
      Odeon Zwo und Gerhard Schröder (21.02.04)

 

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