26.01.2001

Interview mit Professor Franz Daschner

Müssen wir umdenken?

Die Industrie bringt immer neue Produkte mit "antibakterieller Ausrüstung" auf den Markt. Diese Artikel des Tages- und Haushaltsbedarfs sollen angebliche Infektionsgefahren bannen - wie millionenschwere Werbekampagnen den Verbrauchern suggerieren. Alles unnötig, erhöht wird nur das Allergierisiko, sagen kritische Hygieniker.

Interview mit Prof. Franz Daschner, vom Institut für Umweltmedizin und Krankenhaushygiene am Univer- sitätsklinikum Freiburg.
Daschner erhielt im Oktober 2000 den Deutschen Umweltpreis.

Sind deutsche Haushalte unhygienisch ?

Prof. Daschner:
Davon kann überhaupt keine Rede sein. Die deutsche Hausfrau ist eine der saubersten der Welt. Die meisten deutschen Haushalte sind sogar so sauber, daß man vom Boden essen könnte.

Wäre nicht ein weniger an antibakterieller Kriegsführung auch ein weniger an Hygiene ?

Prof. Daschner:
Antibakterielle Kriegführung im Haushalt ist völlig überflüssig, denn die Reinigungsmittel ohne bakteriellen Zusatz sind für den normalen Haushalt völlig ausreichend. Normal heißt in diesem Zusammenhang ein Haushalt mit gesunden Personen. Wenn natürlich jemand in einem Haushalt an einer ansteckenden Infektionskrankheit erkrankt ist, muß man sehr selten gezielt Desinfektionsmittel einsetzen; dann aber nur auf Anordnung des Arztes.

Hersteller von Reinigungs- und Hygieneartikeln propagieren "notwendige Hygienemaßnahmen" und zusätzliche "antibakterielle Komponenten". Nur ein Trick zur Absatzsteigerung ?

Prof. Daschner:
Was Hersteller von Reinigungs- und Hygieneartikeln zur Zeit propagieren, ist eine ganz gezielte Werbekampagne, man könnte auch Volksverdummung dazu sagen, denn dem Verbraucher wird eingeredet, der Haushalt sei nicht sauber genug, man müsse die dort lebenden Bakterien auch noch zusätzlich mit antibakteriellen Komponenten abtöten. Alles dies ist lediglich ein Trick zur Absatzsteigerung.

Von 'Domestos' zum Beispiel werden Listerien- und Chlamydieninfektionen, Influenza, Kolibakterien, Schimmelsporen und Trichomonaden genannt. Ist das etwa alles nur Panikmache ?

Prof. Daschner:
Jawohl, schlicht und ergreifend Panikmache. Denn Trichomonaden holt man sich nicht vom Klodeckel, sondern beim Geschlechtsverkehr. Schimmelpilzsporen sind im Haushalt nur für extrem abwehrgeschwächte Patienten gefährlich und die meisten Haushaltsdesinfektionsmittel wirken gegen Schimmelpilze überhaupt nicht. Auch zur Bekämpfung der anderen Infektionserreger sind Reinigungsmittel mit zusätzlichen antibakteriellen Substanzen überflüssig. Normale Reinigung ist ausreichend.

Nach einer Studie wurden Listerien in 20 Prozent aller Haushalte nachgewiesen. Sie wurden auch auf Zahnbürsten gefunden. Und da sollen wir keine Angst bekommen ?

Prof. Daschner:
Das habe ich noch nie gehört. Aber auch wenn es so wäre - Zahnbürsten werden in der Regel nicht gegessen. Um aber eine Listerieninfektion zu bekommen, muß man eine größere Menge an Nahrungsmittel zu sich nehmen, die massiv mit Listerien verunreinigt ist.

Gelten für ältere Menschen, Pflegebedürftige, Schwangere, Säuglinge oder Immungeschwächte nicht besondere Hygieneregeln ?

Prof. Daschner:
Ja, aber das bedeutet nur, daß man bei diesen abwehr- geschwächten Personengruppen besonders sauber arbeiten und reinigen soll, nicht jedoch, daß man Reinigungsmittel mit Desinfektionszusatz verwenden muß. Unsere eigenen Untersuchungen haben im übrigen gezeigt: Wenn man mit Reinigungsmitteln bzw. Waschmitteln mit Desinfektionsmittel- zusatz oder ohne Desinfektionsmittelzusatz reinigt bzw. wäscht, ist hinterher die Keimzahl auf dem Gegenstand bzw. in der Wäsche identisch. Die Konzentration der Desinfektions- stoffe in Reinigungsmitteln sind meist so gering, daß sie sowieso kaum eine Wirkung haben.

Wie oft muß ein Spültuch oder -schwamm, wie häufig ein Wischlappen ausgetauscht werden ?

Prof. Daschner:
Mindestens einmal wöchentlich oder bei starker Verschmutzung. Mindestens aber dann, wenn es zu riechen beginnt.

Gibt es Bereiche wie z.B. die Toilette, wo spezielle antibakterielle Mittel akzeptabel erscheinen ?

Prof. Daschner:
Nein. Die wichtigste Hygienemaßnahme auf der Toilette ist das Händewaschen hinterher, das aber leider von 30 bis 40 Prozent aller Personen vergessen wird. Mittlerweile gibt es ja sogar antibakterielles Klopapier und antibakterielle Klodeckel. Dies ist völliger Unsinn.

Besteht nicht in belasteten öffentlichen Einrichtungen die Notwendigkeit, antibakterielle Reinigungsmittel einzusetzen ?

Prof. Daschner:
Nein, normale Reinigungsmittel genügen. Wie schon gesagt: Antibakterielle Zusätze sind nicht effektiver als das Reinigungsmittel ohne antibakterielle Zusätze.

Ist die antibakterielle Ausstattung von Haushalts- reinigern für den Menschen und / oder die Umwelt gefährlich ? Müssen wir vielleicht mit einer Zunahme der Restistenzentwicklung von Krankheitserregern durch den verstärkten Einsatz dieser Mittel rechnen ?

Prof. Daschner:
Ja, denn ausnahmslos alle antibakteriellen Zusätze können auch Allergien hervorrufen und schädigen vor allem nicht nur die bösen, krankmachenden Bakterien, sondern die guten Bakterien im Abwasser, die wir für die biologische Abwasserreinigung benötigen. Es gibt jetzt schon Resistenzen gegen Desinfektionsmittel und wenn wir in Deutschland und weltweit mit Desinfektionsmitteln weiter so sorglos umgehen, werden sich noch mehr Krankheitserreger- Resistenzen gegen Desinfektionsmittel entwickeln. Da gibt es überhaupt keinen Zweifel.

Herr Professor Daschner, vielen Dank für dieses Interview.

 

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