11.04.2009

wikileaks.de gesperrt

Beginn der Internet-Zensur in Deutschland?

"China - und nun Deutschland - sind die einzigen Laender dieser Welt, die versuchen eine ganze Wikileaks Domain zu zensieren," heißt es in einer Medien-Mitteilung der Betreiber der Internet-Domain wikileaks.de. Das Projekt, das sich der Veröffentlichung brisanter geheimer Dokumente verschrieben hat, ist derzeit nicht erreichbar. Bei Denic ist allerdings nach wie vor die Domain als vergeben und der bisherige Domain-Inhaber unverändert eingetragen. Beim Aufruf der URL www.wikileaks.de erscheint derzeit eine wenig aussagekräftige Standard-Mitteilung von Denic.

Der Medien-Mitteilung des Wikileaks-Projekts zufolge wurde wikileaks.de am 9. April "ohne Vorwarnung durch die deutsche Registrierungsstelle Denic gesperrt". Offenbar steht der Vorgang im Zusammenhang mit der Veröffentlichung einer australischen Zensurliste auf wikileaks.de. Mitte März hatten die Betreiber eine nicht-öffentliche Liste der Australian Communications and Media Authority (ACMA) ins Netz gestellt, auf der mehr als eintausend Internet-Angebote mit angeblich kinderpornografischen Inhalten verzeichnet waren.1 Zweck dieser Veröffentlichung war es, nachzuweisen, daß 85 Prozent der Adressen auf nicht-pornographische Internet-Seiten und nur fünf bis sieben Prozent tatsächlich zu Kinderpornos im Netz führten.

Bereits seit Beginn dieses Jahres steht der Verdacht im Raum, daß die Bestrebungen der deutschen Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen, Internet-Seiten mit kinderpornographischen Inhalten zu sperren, lediglich als Vorwand dienen, eine politisch motivierte Zensur des Internets einzuführen.2

Am 24. März fand beim Domain-Inhaber eine Hausdurchsuchung statt. Die Staatsanwaltschaft Dresden erklärte, es gehe um ein Verfahren wegen der Verbreitung pornographischer Schriften und um das Auffinden von Beweismaterial. Nach Aussagen eines Sprechers der australischen ACMA gab es keinerlei Amtshilfeersuchen gegenüber deutschen Behörden.

Wikileaks erhebt nun den Vorwurf, daß all diese Repressalien erfolgt seien, "ohne den Herausgeber überhaupt zu kontaktieren". Kontaktinformationen zu Wikileaks seien auf jeder Seite des Portals zu finden. Die Situation erinnere an den Rechtsstreit zwischen Wikileaks und der Schweizer Bank Julius Baer im vergangenen Jahr. Nachdem Wikileaks brisante Dokumente über das Geschäftsgebaren der Bank veröffentlicht hatte, beantragte diese eine Sperrung der Domain wikileaks.org, der ein kalifornischer Richter zunächst auch entsprach. Erst nach einigen Tagen wurde die Sperrung wieder aufgehoben.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

1 Siehe hierzu:

      Hausdurchsuchung bei Inhaber der Domain wikileaks.de
      Aktionismus gegen Kinderpornographie
      als Vorwand für politische Zensur (25.03.09)

2 Siehe hierzu:

      Aktionismus gegen Kinderpornographie
      zielt auf Zensur des Internets
      Im Visier ist das letzte Kommunikationsfeld
      für freie linke Nachrichten (1.02.09)

 

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