Einstein wird in den Medien gern und ausschließlich als Urtypus des genialen und
vergeßlichen Professors portraitiert. Eine Variante der beliebten Methode, vorbildliche
Menschen auf einen solch hohen Sockel zu stellen, daß sie als "unnachahmlich" erscheinen.
In den dreißiger Jahren war der strubbelköpfige Nobelpreisträger in den USA beliebt wie ein
Hollywood-Star. Seine radikalen politischen Ansichten wurden jedoch in der Öffentlichkeit
wenig beachtet. Einstein hatte einmal seinen - übrigens auch sehr politisch engagierten -
Freund Charlie Chaplin gefragt, warum er gefeiert werde: "Mich umjubeln die Leute, weil
jeder versteht, was ich mache. Dich umjubeln sie, weil keiner kapiert, was du machst".
Als 'Time' Albert Einstein (1879 - 1955) zur bedeutendsten Person des 20. Jahrhunderts
kürte, verlor
das Magazin kaum ein Wort über die politischen Ansichten des Genies.
Doch andere interessierten sich sehr dafür. Im Verborgenen legte die US-amerikanische
Bundespolizei, das FBI, die "Akte Einstein" an, die im Verlauf von 22 Jahren Bespitzelung
und gesteuerter Verleumdung tausende Seiten an Umfang gewann.
Einstein sprach sich zwar gegen den Kapitalismus und für eine sozialistische
Planwirtschaft aus, lehnte aber das Modell der Planwirtschaft wie es in den
Ostblock-Staaten realisiert war, ab. Bereits 1949 schrieb er in einem Artikel zum
Thema Sozialismus:
"Dennoch ist es notwendig festzuhalten, dass eine Planwirtschaft noch kein Sozialismus
ist. Eine Planwirtschaft als solche kann mit der totalen Versklavung des Individuums
einhergehen. Sozialismus erfordert die Lösung einiger äußerst schwieriger sozio-politischer
Probleme: Wie ist es angesichts weitreichender Zentralisierung politischer und ökonomischer
Kräfte möglich, eine Bürokratie daran zu hindern, allmächtig und maßlos zu werden? Wie
können die Rechte des Einzelnen geschützt und dadurch ein demokratisches Gegengewicht
zur Bürokratie gesichert werden?"
(Als Anlage zu diesem Artikel der Originaltext: Albert Einstein
"Warum Sozialismus?")
Allerdings engagierte sich Einstein durchaus auch für Kommunisten, wenn diese in den USA
bedroht, in einigen Fällen sogar zum Tode verurteilt waren. Bereits kurz nach seiner
zunächst beruflich motivierten Landung in den USA 1933, die dann durch die Machtergreifung
der Nazis dauerhaft werden sollte, bemühte sich Einstein - allerdings mit geringem
Erfolg - um die Einreiseerlaubnis für Flüchtlinge aus Deutschland.
Schon zuvor hatte er sich für die Verteidiger der gewählten Regierung in Spanien gegen
Franco und dessen Faschisten eingesetzt. Er verteidigte Führer der kommunistischen
Partei als sie aufgrund des Smith-Gesetzes von 1948 angeklagt wurden. Er versuchte
Ethel und Julius Rosenberg zu helfen, die als sowjetische Spione verdächtigt und im
Juni 1953 von der US-Justiz zum Tode verurteilt und damit juristisch legalisiert
ermordet wurden. Wie aus der Akte Einstein hervorgeht, wurde ernsthaft erwogen, ihm
die US-Staatsbürgerschaft zu entziehen. Noch mit 74 Jahren unterstützte Einstein den
Brooklyner Lehrer William Frauenglass, der von dem Mc-Carthy-Komitee im US-Kongress
aussagen sollte, mit einem Brief an die 'New York Times', der immerhin auf der ersten
Seite abgedruckt wurde. Die Schlagzeile lautete: "Verweigere die Aussage - Einstein
berät Intellektuelle, die vor dem Kongress erscheinen müssen." Die Redakteure allerdings
kommentierten diesen Aufruf als "illegal", "unnatürlich" und "unklug".
Einstein war nicht ganz so einfach als Feind der USA einzustufen. Obwohl zuvor
Pazifist, hatte sich Einstein als einer der ersten und aus Sorge um die Skrupellosigkeit
des Hitler-Regimes und der deutschen Wirtschaft an den damaligen US-Präsidenten Roosevelt
gewandt und die Entwicklung einer Nuklearwaffe befürwortet. Als Einstein dann für die
Mitarbeit im "Manhatten-Projekt" vorgeschlagen wurde, war die noch nicht sehr
umfangreiche "Akte E" des FBI ausschlaggebend, Einstein aus dem Atombomben-Projekt
herauszuhalten. Einige Jahre später vermerkte das FBI Einsteins heftigen Widerstand
als die US-Administration nicht den Finger vom Drücker lassen konnte und die ersten
Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfen wurden.
Allein seine Popularität bewahrte Einstein davor, selbst in die Mühlen der Justiz zu
geraten und bewirkte, daß alle Diffamierungsversuche an ihm abprallten. Obwohl die
Kampagne gegen ihn vom FBI geheim geführt wurde, wußte Einstein Bescheid. Bei einer
Dinnerparty 1948 sagte er dem polnischen Botschafter: "Ich nehme an, daß Sie inzwischen
wissen, daß die USA kein freies Land mehr ist, daß unsere Unterhaltung zweifelsohne
aufgenommen wird. Das Zimmer ist verwanzt und mein Haus wird streng überwacht." Das
Protokoll dieser Unterhaltung und damit die Bestätigung der Warnung ist in der Akte
Einstein enthalten.
Dieses Jahr, 2002, ist ein Buch über die Einstein-Akte erschienen: "The Einstein File -
J. Edgar Hoover's War Against the Worlds Most Famous Scientist" von Fred Jerome.
St. Martin's Press.
Rezension siehe hier.
Klaus Schramm
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