24.12.2002

Die Akte E
The Einstein File

Einstein wird in den Medien gern und ausschließlich als Urtypus des genialen und vergeßlichen Professors portraitiert. Eine Variante der beliebten Methode, vorbildliche Menschen auf einen solch hohen Sockel zu stellen, daß sie als "unnachahmlich" erscheinen. In den dreißiger Jahren war der strubbelköpfige Nobelpreisträger in den USA beliebt wie ein Hollywood-Star. Seine radikalen politischen Ansichten wurden jedoch in der Öffentlichkeit wenig beachtet. Einstein hatte einmal seinen - übrigens auch sehr politisch engagierten - Freund Charlie Chaplin gefragt, warum er gefeiert werde: "Mich umjubeln die Leute, weil jeder versteht, was ich mache. Dich umjubeln sie, weil keiner kapiert, was du machst". Als 'Time' Albert Einstein (1879 - 1955) zur bedeutendsten Person des 20. Jahrhunderts kürte, verlor das Magazin kaum ein Wort über die politischen Ansichten des Genies.

Doch andere interessierten sich sehr dafür. Im Verborgenen legte die US-amerikanische Bundespolizei, das FBI, die "Akte Einstein" an, die im Verlauf von 22 Jahren Bespitzelung und gesteuerter Verleumdung tausende Seiten an Umfang gewann.

Einstein sprach sich zwar gegen den Kapitalismus und für eine sozialistische Planwirtschaft aus, lehnte aber das Modell der Planwirtschaft wie es in den Ostblock-Staaten realisiert war, ab. Bereits 1949 schrieb er in einem Artikel zum Thema Sozialismus: "Dennoch ist es notwendig festzuhalten, dass eine Planwirtschaft noch kein Sozialismus ist. Eine Planwirtschaft als solche kann mit der totalen Versklavung des Individuums einhergehen. Sozialismus erfordert die Lösung einiger äußerst schwieriger sozio-politischer Probleme: Wie ist es angesichts weitreichender Zentralisierung politischer und ökonomischer Kräfte möglich, eine Bürokratie daran zu hindern, allmächtig und maßlos zu werden? Wie können die Rechte des Einzelnen geschützt und dadurch ein demokratisches Gegengewicht zur Bürokratie gesichert werden?" (Als Anlage zu diesem Artikel der Originaltext: Albert Einstein "Warum Sozialismus?")

Allerdings engagierte sich Einstein durchaus auch für Kommunisten, wenn diese in den USA bedroht, in einigen Fällen sogar zum Tode verurteilt waren. Bereits kurz nach seiner zunächst beruflich motivierten Landung in den USA 1933, die dann durch die Machtergreifung der Nazis dauerhaft werden sollte, bemühte sich Einstein - allerdings mit geringem Erfolg - um die Einreiseerlaubnis für Flüchtlinge aus Deutschland.

Schon zuvor hatte er sich für die Verteidiger der gewählten Regierung in Spanien gegen Franco und dessen Faschisten eingesetzt. Er verteidigte Führer der kommunistischen Partei als sie aufgrund des Smith-Gesetzes von 1948 angeklagt wurden. Er versuchte Ethel und Julius Rosenberg zu helfen, die als sowjetische Spione verdächtigt und im Juni 1953 von der US-Justiz zum Tode verurteilt und damit juristisch legalisiert ermordet wurden. Wie aus der Akte Einstein hervorgeht, wurde ernsthaft erwogen, ihm die US-Staatsbürgerschaft zu entziehen. Noch mit 74 Jahren unterstützte Einstein den Brooklyner Lehrer William Frauenglass, der von dem Mc-Carthy-Komitee im US-Kongress aussagen sollte, mit einem Brief an die 'New York Times', der immerhin auf der ersten Seite abgedruckt wurde. Die Schlagzeile lautete: "Verweigere die Aussage - Einstein berät Intellektuelle, die vor dem Kongress erscheinen müssen." Die Redakteure allerdings kommentierten diesen Aufruf als "illegal", "unnatürlich" und "unklug".

Einstein war nicht ganz so einfach als Feind der USA einzustufen. Obwohl zuvor Pazifist, hatte sich Einstein als einer der ersten und aus Sorge um die Skrupellosigkeit des Hitler-Regimes und der deutschen Wirtschaft an den damaligen US-Präsidenten Roosevelt gewandt und die Entwicklung einer Nuklearwaffe befürwortet. Als Einstein dann für die Mitarbeit im "Manhatten-Projekt" vorgeschlagen wurde, war die noch nicht sehr umfangreiche "Akte E" des FBI ausschlaggebend, Einstein aus dem Atombomben-Projekt herauszuhalten. Einige Jahre später vermerkte das FBI Einsteins heftigen Widerstand als die US-Administration nicht den Finger vom Drücker lassen konnte und die ersten Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfen wurden.

Allein seine Popularität bewahrte Einstein davor, selbst in die Mühlen der Justiz zu geraten und bewirkte, daß alle Diffamierungsversuche an ihm abprallten. Obwohl die Kampagne gegen ihn vom FBI geheim geführt wurde, wußte Einstein Bescheid. Bei einer Dinnerparty 1948 sagte er dem polnischen Botschafter: "Ich nehme an, daß Sie inzwischen wissen, daß die USA kein freies Land mehr ist, daß unsere Unterhaltung zweifelsohne aufgenommen wird. Das Zimmer ist verwanzt und mein Haus wird streng überwacht." Das Protokoll dieser Unterhaltung und damit die Bestätigung der Warnung ist in der Akte Einstein enthalten.

Dieses Jahr, 2002, ist ein Buch über die Einstein-Akte erschienen: "The Einstein File - J. Edgar Hoover's War Against the Worlds Most Famous Scientist" von Fred Jerome. St. Martin's Press.
Rezension siehe hier.

 

Klaus Schramm

 

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