11.06.2008

Betrug beim Öko-Strom?

Lichtblick mit 2 Prozent "Egal-Strom" erwischt

Einem heutigen (Mittwoch) Bericht der Financial Times Deutschland zufolge kaufte der Öko-Strom-Anbieter 'Lichtblick' mehrfach Strom an der Leipziger Strombörse European Energy Exchange (EEX) ein. Nach Informationen der Zeitung bezog Lichtblick im Dezember 2006 und von Oktober 2007 an zeitweise knapp 4.000 Megawattstunden täglich von der EEX. Insidern zufolge betrug die eingekaufte Menge im Jahr 2007 rund 20 Gigawattstunden. Das seien rund zwei Prozent der Strommenge, die das Hamburger Unternehmen seinen KundInnen verkaufte. Anfang 2008 habe Lichtblick weiter an der EEX eingekauft, ohne es öffentlich bekannt zu machen. Lichtblick hat damit entgegen der eigenen Werbung auch Atom- und Kohlestrom an seine KundInnen verkauft. Auch wenn es sich um einen geringen Anteil handelt, dürften die Folgen für die Glaubwürdigkeit der gesamten Öko-Strom-Branche erheblich sein.

An der Leipziger Strombörse wird vor allem konventioneller Strom überwiegend aus Atom- und Kohlekraftwerken gehandelt. Lichtblick wirbt damit, "vollständig auf Strom aus Atom-, Kohle- und Ölkraftwerken" zu verzichten.

Nach anfänglichem Leugnen räumt Lichtblick inzwischen ein, Strom am EEX-Spotmarkt einzukaufen. Dies sei nötig, da es bei der Versorgung "Abweichungen zwischen Kurzfristprognose und zum Teil langfristig im Voraus vertraglich gesicherten regenerativen Strommengen" gebe. Der Zukauf könne aber nicht in Öko-Qualität erfolgen". Das Vorgehen sei "breit akzeptiert". Alle Ökostromanbieter und Zertifizierer wüßten dies.

Greenpeace Energy wies mittlerweile die Behauptung von Lichtblick zurück, die Lieferung von "Egal-Strom" als Öko-Strom sei unter den Öko-Strom-Anbietern breit akzeptiert. "Wir kaufen keinen Strom an der Börse", sagte Vorstandsmitglied Robert Werner. "Unser Öko-Strom stammt aus sauberen Kraftwerken, die in Lieferverträgen exakt definiert sind."

Der Strom-Handel von Lichtblick hat einen Rechtsstreit mit der EEX ausgelöst. Angeblich fürchtet nun auch die Strom-Börse einen Image-Verlust. Sie forderte Lichtblick auf, die Hintergründe der Geschäfte offenzulegen. Dagegen legte der Versorger Widerspruch ein. Lichtblick hat deswegen Klage am Verwaltungsgericht Leipzig eingereicht (Az.: 5K 414/08).

Lichtblick will eigenen Angaben zufolge nun darüber nachdenken, in seiner Werbung auf den "unvermeidlichen Anteil" von Strom aus Atom- oder Kohlekraftwerken hinzuweisen. Das Unternehmen erreichte 2007 200 Millionen Euro Jahresumsatz und versorgt nach eigenen Angaben mehr als 400.000 Strom- und 13.000 Gaskunden. Vom TÜV Nord hatte sich Lichtblick bislang bescheinigen lassen, "zu 100 Prozent regenerativen Strom" anzubieten. Lichtblick-Gründer Heiko von Tschischwitz war 2006 zum "Ökomanager des Jahres" gekürt worden.

Bereits im vergangenen Jahr hatte Lichtblick bei vielen UnterstützerInnen erneuerbarer Energien Unmut ausgelöst, als das Unternehmen ausgerechnet mit Deutschlands meistverkauftem Toilettenpapier (das mit den vier Buchstaben) eine Kooperation einging und seinen Strom als "BILD-Ökostrom" vermarktete. Hinzu kommt, daß Lichtblick bereits im Januar wegen der Verwendung der umstrittenen RECS-Zertifikate in die Kritik geraten war.1

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

1 Siehe auch unsere Artikel:

      Schwindel mit Öko-Strom
      Atom-Strom wird mit RECS umetikettiert (6.01.08)

      100 Prozent Ökostrom in 8 Jahren
      Eine realistische Perspektive für die Energiewende? (15.03.08)

 

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