Der Wunderglaube der katholischen Kirche
Ein Kandidat für eine Seligsprechung muß ein unwiderlegbares Wunder vollbracht
haben. Papst Johannes Paul II. erfüllt diese Bedingung - zumindest, wenn man dem
Postulator des Seligsprechungsprozesses, Slawomir Oder, glauben will. Demnach
soll Karol Wojtyla die französische Nonne Marie-Simon Pierre auf wundersame
Weise von ihrer Parkinson-Erkrankung geheilt haben.
Am 2. April, dem zweiten Todestag des polnischen Papstes, wurde die sogenannte
diözesane Phase des Prozesses abgeschlossen. Die Diözese Krakau, lange Zeit
Wirkungsstätte Wojtylas, hat die Akten für die Seligsprechung jetzt an die
vatikanische Kongregation für die Selig- und Heiligsprechung übergeben.
Der Journalist und Mediziner Werner Bartens steht angeblichen Wunderheilungen
eher kritisch gegenüber. In einem Artikel in der 'Süddeutschen Zeitung' befaßt er sich
mit Wojtyla und anderen Fällen. So pilgerten seit den angeblichen
Marienerscheinungen 1858 geschätzte 100 Millionen Menschen ins französische
Lourdes, und immer wieder soll es dort zu Wunderheilungen gekommen sein. Dem
Artikel zufolge erkennt die katholische Kirche davon weniger als 100 an. Sollten alle
100 Millionen Besucher mit dem Wunsch, von einer Krankheit zu genesen nach
Lourdes gepilgert sein (diese Feinheit läßt der Artikel offen), so läge die
Erfolgsquote nur bei einem Millionstel - deutlich niedriger als bei medizinisch
erklärbaren Spontanheilungen von Krebs. Diese treten immerhin bei jedem
zehntausendsten bis hunderttausendsten Fall auf.
Tatsächlich kennen Mediziner eine Reihe von natürlichen Erklärungen für
Spontanheilungen. "Der Tumor kann absterben, sich zurückbilden oder durch
Thrombosen von der Blutversorgung abgekoppelt werden", zitiert Bartens den
Vorsitzenden der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie, Gerhard
Ehninger.
Bei keiner von Ehninger untersuchten "Wunderheilung" war die Krankheit vorher
dokumentiert, sodaß sich der Heilerfolg nicht nachvollziehen ließ. Die Symptome,
von denen die französische Nonne geheilt sein soll, könnten beispielsweise auch auf
andere Krankheiten zurückgehen. Eine spontane subjektive Besserung werde indes
oft durch Entlastung von Angst und anderen Beschwerden hervorgerufen, so
Ehninger weiter.
Die Wundergläubigen wird das nicht stören. Nach der Seligsprechung von Johannes
Paul II. kann seine Heiligsprechung in Angriff genommen werden. Johannes Paul II.
selbst hatte 482 Personen heilig gesprochen.
REGENBOGEN NACHRICHTEN
Quellen:
Bartens, Werner (2007) Medizin und Wunder: Spontan gesund
In: Süddeutsche
Zeitung vom 28.03.2007:
www.sueddeutsche.de/gesundheit/artikel/176/108068/
Anonymus (2007) SPIEGEL ONLINE - 28. März 2007:
www.spiegel.de/panorama/0,1518,474411,00.html
Anonymus (2007) Liste des Vatikans, die die Heiligsprechungen durch Johannes
Paul II zeigt
www.vatican.va/news_services/liturgy/saints/index_saints_ge.html
Dieser Artikel der GWUP wurde erstmals am 14.04.2007 auf den
Seiten der GWUP veröffentlicht:
www.gwup.org/aktuell/news.php?aktion=detail&id=388
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Ist Alternativ-Medizin
nur Esoterik? (28.09.05)
Astrologie - voll daneben (16.12.04)
RTL-Verdummung mit Günter Jauch und Uri Geller (15.11.04)
Rutengänger und Geistheiler
blamierten sich reihenweise (13.10.04)
Eine Million Dollar geboten (10.10.04)
Der Kongreß des Schweigens (23.10.03)
Die Himalya-Bauchlandung (28.05.03)
Esoterik - rationale Irrationalität (31.12.02)
Vor 25 Jahren lernte
die Menschheit fliegen (30.12.02)