16.04.2007

Antike Esoterik

Der Wunderglaube der katholischen Kirche

Ein Kandidat für eine Seligsprechung muß ein unwiderlegbares Wunder vollbracht haben. Papst Johannes Paul II. erfüllt diese Bedingung - zumindest, wenn man dem Postulator des Seligsprechungsprozesses, Slawomir Oder, glauben will. Demnach soll Karol Wojtyla die französische Nonne Marie-Simon Pierre auf wundersame Weise von ihrer Parkinson-Erkrankung geheilt haben.

Am 2. April, dem zweiten Todestag des polnischen Papstes, wurde die sogenannte diözesane Phase des Prozesses abgeschlossen. Die Diözese Krakau, lange Zeit Wirkungsstätte Wojtylas, hat die Akten für die Seligsprechung jetzt an die vatikanische Kongregation für die Selig- und Heiligsprechung übergeben.

Der Journalist und Mediziner Werner Bartens steht angeblichen Wunderheilungen eher kritisch gegenüber. In einem Artikel in der 'Süddeutschen Zeitung' befaßt er sich mit Wojtyla und anderen Fällen. So pilgerten seit den angeblichen Marienerscheinungen 1858 geschätzte 100 Millionen Menschen ins französische Lourdes, und immer wieder soll es dort zu Wunderheilungen gekommen sein. Dem Artikel zufolge erkennt die katholische Kirche davon weniger als 100 an. Sollten alle 100 Millionen Besucher mit dem Wunsch, von einer Krankheit zu genesen nach Lourdes gepilgert sein (diese Feinheit läßt der Artikel offen), so läge die Erfolgsquote nur bei einem Millionstel - deutlich niedriger als bei medizinisch erklärbaren Spontanheilungen von Krebs. Diese treten immerhin bei jedem zehntausendsten bis hunderttausendsten Fall auf.

Tatsächlich kennen Mediziner eine Reihe von natürlichen Erklärungen für Spontanheilungen. "Der Tumor kann absterben, sich zurückbilden oder durch Thrombosen von der Blutversorgung abgekoppelt werden", zitiert Bartens den Vorsitzenden der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie, Gerhard Ehninger.

Bei keiner von Ehninger untersuchten "Wunderheilung" war die Krankheit vorher dokumentiert, sodaß sich der Heilerfolg nicht nachvollziehen ließ. Die Symptome, von denen die französische Nonne geheilt sein soll, könnten beispielsweise auch auf andere Krankheiten zurückgehen. Eine spontane subjektive Besserung werde indes oft durch Entlastung von Angst und anderen Beschwerden hervorgerufen, so Ehninger weiter.

Die Wundergläubigen wird das nicht stören. Nach der Seligsprechung von Johannes Paul II. kann seine Heiligsprechung in Angriff genommen werden. Johannes Paul II. selbst hatte 482 Personen heilig gesprochen.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Quellen:

Bartens, Werner (2007) Medizin und Wunder: Spontan gesund
In: Süddeutsche Zeitung vom 28.03.2007:
www.sueddeutsche.de/gesundheit/artikel/176/108068/

Anonymus (2007) SPIEGEL ONLINE - 28. März 2007:
www.spiegel.de/panorama/0,1518,474411,00.html

Anonymus (2007) Liste des Vatikans, die die Heiligsprechungen durch Johannes Paul II zeigt
www.vatican.va/news_services/liturgy/saints/index_saints_ge.html

Dieser Artikel der GWUP wurde erstmals am 14.04.2007 auf den Seiten der GWUP veröffentlicht:
www.gwup.org/aktuell/news.php?aktion=detail&id=388

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Ist Alternativ-Medizin
      nur Esoterik? (28.09.05)

      Astrologie - voll daneben (16.12.04)

      RTL-Verdummung mit Günter Jauch und Uri Geller (15.11.04)

      Rutengänger und Geistheiler
      blamierten sich reihenweise (13.10.04)

      Eine Million Dollar geboten (10.10.04)

      Der Kongreß des Schweigens (23.10.03)

      Die Himalya-Bauchlandung (28.05.03)

      Esoterik - rationale Irrationalität (31.12.02)

      Vor 25 Jahren lernte
      die Menschheit fliegen (30.12.02)

 

neuronales Netzwerk