12.09.2006

Nachruf

Solange Fernex starb am Montag

Solange Fernex, 1934 geboren, war neben Antoine Waechter und Brice Lalonde eine der Mitbegründerinnen der französischen politischen Ökologiebewegung. Sie starb am Montag auf ihrem Familienwohnsitz im oberelsässischen Biederthal.

Die aus Straßbourg stammende Biologin ging 1957 zusammen mit ihrem Mann Michel Fernex, einem Tropenarzt, in den Senegal, später an ein Urwaldkrankenhaus nach Tansania. Nach sechs Jahren kehrte die fünfköpfige Familie aus Afrika nach Europa zurück. Solange brachte ihr viertes Kind auf die Welt und gründet 1965, die Terre-des-Hommes-Sektion Oberrhein. In den 70er Jahren begann ihr Engagement in der weltweit aufkeimenden Ökologiebewegung zunächst im Kampf für den Erhalt der Natur in ihrer elsässischen Heimat.

Bereits 1973 war sie Assistentin von Henri Jenn, der im Wahlbezirk Mulhouse die damalige Wahl zur Nationalversammlung nutzte, um das Thema Ökologie in die öffentliche Diskussion zu bringen. In dieser Zeit begann die Freundschaft mit den grünen Politikerinnen Petra Kelly und Sara Parkin.

1979 kandidierte sie als französische Spitzenkandidatin für 'Écologie Europe', ähnlich wie in Deutschland eine Vorläuferorganistation von 'Les Verts' / 'Die Grünen' bei den Europawahlen. Weder Petra Kelly noch Solange Fernex ahnten damals, daß das Spiel, Wahlkämpfe und Parlamente als Tribüne für ihre Anliegen zu instrumentalisieren, alsbald umschlagen sollte. 1983 beteiligte sich die - wie ihre deutsche Freundin Petra Kelly pazifistisch orientierte - Solange Fernex an einem 40-tägigen Hungerstreik für nukleare Abrüstung in Paris. Und ähnlich wie Kelly war sie mit kleinem Gepäck häufig weltweit unterwegs, um für Abrüstung und die Abkehr von der Atomenergie zu kämpfen. Sie war immer eine konsequente Gegnerin des französischen Atomprogramms und der Atomwaffentests im Pazifik.

Brice Lalonde, 1981 gemeinsamer Spitzenkandidat bei der französischen Präsidentschaftswahl, brachte zwar bei der Fusion mit der Parti Écologiste (zuvor Mouvement d'Écologie Politique), der Solange Fernex angehörte, seine Partei 'Confédération Écologiste' zur Gründung der französischen 'Les Verts' 1982 mit ein, trat dieser aber wegen beginnender Machtkämpfe selbst nicht bei. Erst 1990 gründete er in Konkurrenz eine weitere Partei: 'Génération Écologie'.

Solange Fernex kooperierte mit Greenpeace New Zealand, übersetzte verschiedene internationale Studien und trug so zur Aufklärung der französischen Bevölkerung über die Folgeschäden der kolonialen Nuklearpolitik bei. Fernex war langjährige Vorsitzende des französischen Zweiges der internationalen Organisation 'Femmes pour la Paix et la Liberté'.

1988 erzielte Antoine Waechter als Präsidentschaftskandidat von 'Les Verts' mit 3,8 Prozent einen Achtungserfolg. Bis 1988 setzte er sich innerhalb der französischen Grünen mit einem nicht selten als autoritär kritisierten Führungsstil durch. Im Gegensatz jedoch zu dem als "links" firmierenden deutschen "Grünen"-Führer Joseph ("Joschka") Fischer bestimmte er einen kaum nachvollziehbaren Kurs eines "weder links noch rechts".

1989 wurde Solange Fernex von ihrer auch in Frankreich mehr und mehr angepaßten Partei ins Europaparlament abgeschoben und verlor in der Folge innerparteilichen Einfluß. Häufig verhedderte sie sich in den Fußangeln der ihr immer fremd gebliebenen Parteienpolitik.

In einem in den französischen Medien als "Putsch" bezeichneten Kurswechsel orientierten 'Les Verts' 1994 nach dem Vorbild der deutschen "Grünen" auf eine Zusammenarbeit mit der französischen pseudo-sozialistischen Partei, der 'Parti Socialiste'. Antoine Waechter trat nach dieser Niederlage aus und gründete die Partei 'Mouvement Écologiste Indépendant' (MEI), deren unangefochtener Führer er seitdem ist. Kaum verwunderlich sind daher die kläglichen Wahlergebnisse aller drei "grünen" französischen Parteien.

Bei den Präsidentschaftswahlen 1995 erreichte Dominique Voynet für 'Les verts' 3,3 Prozent. Nach dem Sieg der "Linken" bei den Parlamentswahlen 1997 wurde Dominique Voynet Ministerin für Umwelt und Raumplanung (2001 durch Yves Cochet abgelöst) unter Lionel Jospin. Sie konnte weder ökologische Ziele durchsetzen, noch dem vom "Sozialisten" Jospin ähnlich wie in Deutschland von "Rot-Grün" verfolgten Kurs des Sozialabbaus etwas entgegensetzen.

Solange Fernex verlegte in den letzten Jahren den Schwerpunkt ihrer Arbeit in die Aufklärung der weithin verharmlosten Folgen der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl. Nach langem Leiden starb sie am Montag an Krebs.

 

Adriana Ascoli

 

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