27.04.2001

Artikel

Das Theater
mit den Gelöbissen

Erstmals wurde ein Gelöbnis-Aktivist freigesprochen
Versammlungsgesetz greift nicht

Bei einer Gelöbnis-Feierlichkeit im Juli 1999 in Berlin hatte Michael K. zusammen mit anderen Friedens-Aktivisten den öffenlichen Platz für sich beansprucht und war lautstark und mit einem Transparent "Bundeswehr abschaffen" der Bundeswehr in die Parade gefahren - zu Fuß selbst- verständlich. Wie schon oft zuvor bei solchen Gelegenheiten stürmten Feldjäger auf ihn zu, rissen ihn zu Boden und trugen ihn und die anderen zwanzig Demonstranten vom Platz.

Die Staatsanwaltschaft klagte ihn daraufhin wegen eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz an und es kam zu einer Verhandlung vor dem Amtgericht Berlin-Tiergarten. Zwar wurde das Bundeswehr-Gelöbnis nicht mit einer kleinen Tierschau verglichen, aber immerhin frecherweise mit einer Theatervorführung. Und damit kam Rechtsanwalt Christoph Kliesing vor Gericht durch, denn er hatte stichhaltige Argumente:

Ein Gelöbnis sei keine Versammlung im Sinne des Gesetzes, klärte Anwalt Kliesing die Staatsanwaltschaft über den unmißverständlichen, aber nicht für jeden leicht lesbaren juristischen Text auf. Denn das Versammlungsgesetz verbietet das Tragen von Uniformen und Waffen bei einer Versammlung. Vom Charakter der Performance her sei ein Gelöbnis weit eher "mit einer Theaterveranstaltung vergleichbar", so Kliesing. Der Protest der Kriegsgegner sei eine legitime Form der Meinungsäußerung - wie eben Buhrufe bei einer schlechten Theateraufführung auch.

Die Staatsanwaltschaft konnte dem nichts mehr entgegensetzen, nahm die Anklage zurück und beantragte ihrerseits Freispruch. Dem Charme dieser Argumentation konnte sich auch Richterin Garske-Ridder nicht entziehen. Sie folgte zudem in der Urteilsbegründung weitgehend dem Plädoyer des Verteidigers und gab zu Protokoll, daß sie mittlerweile die Auffassung teile, daß es in Gelöbnis-Verfahren "keine Anwendbarkeit des Versammlungsrechts" gebe.

Um den ernsten und auch bei der Bundeswehr inzwischen blutigen Hintergrund über dieser spaßigen Affaire nicht aus den Augen zu verlieren, sei hier zum Schluß Albert Einstein zitiert:

"Wenn einer mit Vergnügen zu einer Musik in Reih und Glied marschieren kann, dann verachte ich ihn schon; er hat sein großes Gehirn nur aus einem Irrtum bekommen, da für ihn das Rückenmark schon völlig genügen würde. Diesen Schandfleck der Zivilisation sollte man so schnell wie möglich zum Verschwinden bringen. Heldentum auf Kommando, sinnlose Gewalttat und die leidige Vaterländerei wie glühend hasse ich sie, wie gemein und verächtlich erscheint mir der Krieg; ich möchte mich lieber in Stücke schlagen lassen, als mich an einem so elenden Tun beteiligen ! Töten im Krieg ist nach meiner Auffassung um nichts besser als gewöhnlicher Mord."

Siehe auch unseren Artikel v. 20.04.01

 

Adriana Ascoli

 

neuronales Netzwerk