11.07.2003

Deutsche Gastlichkeit

Ein türkisches Ehepaar soll nach 30 Jahre Aufenthalt in der BRD abgeschoben werden

Einem seit 30 Jahren in Deutschland lebenden türkischen Ehepaar droht die Abschiebung, weil es sich nach herrschender Rechtslage zu lange außerhalb der BRD aufgehalten hat. Orhan und Yüksel Döger, wohnhaft in Neuenburg (Baden-Württemberg), hatten 1973 die Türkei verlassen, um in Deutschland zu arbeiten. Im Mai 2000 war der 57jährige Ehemann wegen einer familiären Angelegenheit in die Türkei gereist, im August desselben Jahres folgte seine Frau ihm nach. Im März 2001 kehrte das Ehepaar nach Deutschland zurück, richtete sich in Neuenburg eine neue Wohnung ein und meldete sich bei der Ausländerbehörde an.

Dann erlebten die Rückkehrer eine böse Überraschung: Weil die nach dem Ausländergesetz mögliche Frist des Auslandsaufenthalts für Ausländer nur sechs Monate beträgt, zog das Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald die bis dahin gültige unbefristete Aufenthaltserlaubnis ein. Wenig später flatterte ein Abschiebebescheid der Ausländerbehörde ins Haus der Dögers. Das Ehepaar ist schockiert: »Wir haben uns in Deutschland nie etwas zuschulden kommen lassen und zahlen seit 30 Jahren Steuern und Sozialabgaben«, erregte sich Orhan Döger am Donnerstag und versicherte, von der sechsmonatigen Frist nichts gewußt zu haben.

Die Familie stellte gegen den Bescheid einen Rechtsschutz- antrag. Dieser wurde sowohl vom Verwaltungsgericht Freiburg als auch vom Verwaltungsgerichtshof Mannheim abgelehnt. "Das Gericht behauptet in seiner Entscheidung, wir hätten damals Anlaß zu der Vermutung gegeben, wir wollten unseren Aufenthalt in Deutschland beenden, nur weil wir unsere Wohnung aufgelöst haben. Dies geschah jedoch einzig und allein aus Kostengründen", sagte die Mutter dreier Kinder. Sie und ihr Mann wären mit der festen Absicht in die Türkei gereist, wieder nach Deutschland zurückzukehren. Es widerspreche auch dem gesunden Menschenverstand, ihre in Deutschland eingebürgerten Kinder zurückzulassen und ohne Rente in die Türkei zurückzukehren.

Ihr letzte Hoffnung setzten die Dögers in den Petitionsausschuß des Stuttgarter Landtags. Aber auch dieser lehnte die Petition des türkischen Ehepaares vergangene Woche ab. »Damit ist der Rechtsweg abgeschlossen, juristisch besteht jetzt keine Chance mehr auf einen legalen Aufenthaltsstatus«, erläuterte Rechtsanwalt Joachim Eyrich. "So freizügig und freundlich ist das Ausländergesetz, daß es auch nach einem halben Leben in Deutschland Ausländer daran hindert, einen gesicherten Aufenthaltsstatus innezuhaben«", kommentierte Christian Möller vom Südbadischen Aktionsbündnis gegen Abschiebungen (SAGA).

Da Yüksel Döger aufgrund einer Erkrankung als nicht reisefähig gilt, wurde die Abschiebung des Ehepaars noch nicht vollzogen. "Herr Döger hatte nach seiner Rückkehr sogar eine Trainingsmaßnahme des Arbeitsamtes absolviert, in der Hoffnung, in Deutschland wieder arbeiten zu können", bemerkte Christian Möller. Alles umsonst: Im April wurde Orhan Döger die Arbeitserlaubnis entzogen, nachdem er schon Jahrzehnte in Deutschland gearbeitet hatte.

 

Martin Höxtermann

 

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