1.03.2005

Ministerin contra
- Ministeriale pro Gentech?

'Report Mainz' enthüllt wahre Aufgabe des Künast-Ministeriums

Daß die Entscheidungen des Künast-Ministeriums auf eine zwar vorsichtige, aber "nachhaltige" Einführung der Agro-Gentechnik in Deutschland hinauslaufen, ist spätestens seit Mitte 2002 nicht mehr zu übersehen.1 Während jedoch Ministerin Renate Künast angestrengt weiterhin die Rolle der Kämpferin gegen die Agro-Gentechnik mimt, offenbaren ihre ministeriellen Mitarbeiter unbeschwert, wes Geistes Kind sie sind. 'Report Mainz' enthüllte nun in einem TV-Beitrag die allzu öffentlichen Äußerungen von Künast-Untergebenen.

Noch reichlich ungläubig fragt 'Report Mainz' im Titel des TV-Beitrags: "Wie befangen sind deutsche Spitzenbeamte?" Doch bereits in der Anmoderation gibt Fritz Frey die Antwort: "Problematisch allerdings wird es, wenn sich bei näherem Hinsehen die Experten eben nicht als unabhängig erweisen. Wenn die Experten in Verdacht geraten, auch im Dienste großer Konzerne zu agieren."

Die von 'Report Mainz' vorgeführten Pro-Gentech-Wissenschaftler sind gar im Auftrag der Bundesregierung auf EU-Ebene mit der Entscheidung über die Zulassung von Gen-Pflanzen betraut. Drei von 21 dort agierenden europäischen und angeblich unabhängigen2 WissenschaftlerInnen kommen aus Deutschland. Es sind:

Dr. Joachim Schiemann von der Biologischen Bundesanstalt, der Anträge zur Freisetzung von Genpflanzen überprüft.

Dr. Detlef Bartsch, Bundesamt für Verbraucherschutz, zuständig für die Sicherheit von Genpflanzen.

Prof. Hans-Jörg Buhk, Bundesamt für Verbraucherschutz, der die Genehmigungsbehörde zur Freisetzung von Genpflanzen leitet.

Es sind dies drei leitende Beamte, denen gegenüber dennoch Ministerin Künast weisungsbefügt ist oder die sie bei offensichtlichem Verstoß gegen ihre Neutralitätspflicht aus dem Amt entfernen könnte. Doch die bei Entscheidungen über Sicherheit und über die Genehmigung des Anbaus oder der Einfuhr von Gen-Pflanzen nötige Unabhängigkeit ist leicht zu widerlegen. Dem ARD-Magazin wurden öffentlich zugängliche Werbe-Videos der Gentech-Industrie zugespielt.

In einem solchen Video wird für genmanipulierten Mais geworben. Schon auf der Hülle ist ersichtlich, daß es sich nicht um eine neutrale Information, sondern um Werbung der Gentech-Industrie handelt. Eindeutig auch die Botschaft: Gen-Mais bietet die ökologisch beste Lösung. Und in diesem Werbe-Video ist Professor Buhk zu bewundern, der ungeniert die ökonomischen Vorteile von Gen-Mais anpreist.

Und im selben Werbe-Video tritt auch Dr. Detlef Bartsch auf. Zum Zeitpunkt der Aufnahme war er allerdings Mitarbeiter der Uni Aachen. Dennoch ist kaum anzunehmen, daß ein Wissenschaftler seine Position in so kurzer Zeit ändert. Und dazu in einer Frage, in der zwar über 70 Prozent der deutschen Bevölkerung eine eindeutig ablehnende Position beziehen, während es nahezu unmöglich ist, in diesem Wissenschaftsbereich mit einer ablehnenden Position gegenüber der Agro-Gentechnik Karriere zu machen.

'Report Mainz' zeigte das Werbe-Video für Gen-Mais dem Experten für Beamtenrecht, Professor Ulrich Battis von der Humboldt-Universität in Berlin und bat ihn um eine Stellungnahme. Diese läßt an Schärfe nichts zu wünschen übrig: "Das ist eindeutig ein Verstoß gegen die Amtspflicht zur unparteiischen Amtsführung. Das ist ganz einfach. Und das muß abgestellt werden."

Gegenüber 'Report Mainz' mochten sich weder Professor Hans-Jörg Buhk noch Dr. Detlef Bartsch zu Fragen äußern. Sie behaupteten lediglich, ohne ihr Wissen in das Werbevideo geraten zu sein. Doch wie konnte das geschehen? Und warum sind sie nie dagegen vorgegangen? Auf Nachfrage bei einem der Auftraggeber erfuhr 'Report Mainz', daß die Erlaubnis zum Auftritt im Werbe-Video auf offiziellem Weg eingeräumt worden sei. Und das TV-Magazin recherchierte, daß Professor Buhk bereits 2002 als Gentech-Befürworter aufgefallen war. Er war 2002 auf einer Veranstaltung zur Gentechnik aufgetreten. Das Künast-Ministerium sah darin die "Gefahr einer Interessenkollision". Buhk wurde daraufhin auf seine Dienstpflichten hingewiesen - und damit hatte sich der Fall.

Noch doller liegt der Fall beim dritten Spitzenbeamten, Dr. Joachim Schiemann von der Biologischen Bundesanstalt, zuständig für die Überprüfung von Freisetzungsanträgen. 'Report Mainz' fand heraus, daß Schiemann einen "Nebenjob" ausübt: Er gehört einem Verein zur Förderung der Agro-Biotechnologie an, der FINAB. Thomas Reutter von 'Report Mainz' nannte dies ohne Umschweife "eine schöne Umschreibung für Gentech-Lobbyismus."

Schiemann engagiert sich für ein Zentrum, in dem Genpflanzen hergestellt werden sollen, sogenannte transgene Organismen. Auch er war zu keinem Interview mit 'Report Mainz' bereit. Seine Behörde teilt mit, privat könne der Beamte machen, was er wolle. Prof. Ulrich Battis von der Humboldt Universität Berlin sieht dies anders: "Es gibt hier auch eine spezifische Pflicht zur Zurückhaltung. Das heißt, ich darf mich als Beamter auf dem Gebiet, auf dem ich amtlich tätig bin, nicht privat exponieren. Ich kann also nicht sagen, ja hier bin ich als Privatmann und deshalb mach ich das."

Aber der Spannungsbogen der 'Report-Mainz'-Sendung hatte noch nicht seinen Höhepunkt erreicht: Professor Hans-Jörg Buhk fand sich im Organisations-Komitee der ABIC 2004. Die ABIC 2004 in Köln war einer der bedeutendsten Gentech-Kongresse für die Industrie weltweit. 'Report Mainz' kommentierte: "Der Spitzenbeamte wieder in der Doppelrolle, wieder als Diener zweier Herren. Im Amt soll er unbefangen Gen-Pflanzen auf ihre Sicherheit prüfen und hier arbeitet er für die, die sie herstellen." Nicht allein, daß der Charakter solcher Kongresse eindeutig ist - die ABIC 2004 wurde von der Gentechfirma Phytowelt GmbH ausgerichtet. Ziel des Kongresses: die Erschließung eines Marktes.

Und ganz zum Schluß präsentierte das Magazin die "größte Ungeheuerlichkeit": Die Beamten wurden von der EU nach solchen Interessenkonflikten befragt. Aber alle drei haben ihre Lobby- Tätigkeiten verschwiegen. Gegenüber der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) stellten sich die Spitzenbeamten als "unabhängige Experten" dar. In schriftlichen Befragungen der EFSA gaben sie an, keinerlei Interessen zu vertreten. Von 'Report Mainz' befragt, versprach Ministerin Künast "gegebenenfalls Konsequenzen" zu ziehen.

"Wir sind gespannt, ob und wie Konsequenzen gezogen werden," meinte Fritz Frey am Ende skeptisch - und er versprach, daß 'Report Mainz' am Thema "dranbleiben" wolle.

 

Klaus Schramm

 

Anmerkungen

1 Siehe auch unseren Artikel
      'Künast schlägt Bresche für Gen-Mais' (27.06.02)

2 Siehe auch im Interview
      "Ich werde versuchen, so weiter zu arbeiten..." (7.10.04)
      die Erfahrungen eines kritischen Wissenschaftlers.

Ein interessanter link:
      Die 92 deutschen Anbauflächen für gentechnisch veränderten Mais
      http://194.95.226.234/GENTEC/GENTEC.HTM

 

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