23.03.2005

Gen-Mais jahrelang
ohne Zulassung angebaut

In den USA gelangte die Sorte Bt10 seit 2001 "unbeabsichtigt" auf Anbauflächen

Wie schon mehrfach zuvor, diesmal jedoch in weitaus größerem Ausmaß, zeigt sich, daß die Kontrolle über genmanipuliertes Saatgut in den USA nicht funktioniert. Der Gentech-Konzern Syngenta brachte über mehrere Jahre hinweg mehrere hundert Tonnen nicht-zugelassenes genmanipuliertes Saatgut in Umlauf. Syngenta beruft sich auf ein Versehen, obwohl der Skandal bereits seit Monaten intern bekannt ist und offenbar geheim gehalten werden sollte.

Es handelt sich um Saatgut der Gen-Maissorte Bt10. Zwischen Bt10 und Bt11 besteht ein großer Unterschied, obwohl es sich um die fortlaufende Nummer einer Reihe für verschiedene, aber ähnliche genmanipulierte Maissorten handelt. In beide wurde zwar - wie das "Bt" bereits andeutet - ein Gen eingebracht, das bewirkt, daß der so veränderte Mais das Insektengift eines bestimmten Bakteriums, des Bacillus thuringiensis, in seinen Blättern und Stengeln bildet.

Die Eiweißausstattung von Bt10 und Bt11 ist nahezu identisch - sie unterscheidet sich nur in wenigen DNA-Bausteinen, die - angeblich - keinen Einfluß auf die Pflanze selbst besitzen. Daß dennoch gravierende, geheim gehaltene Unterschiede bestehen, ist naheliegend, denn: Bt11 ist seit 1996 für den Anbau und als Nahrungsmittel in den USA zugelassen und ist als Zuckermais inzwischen auch in Europa zum Verkauf freigegeben. Im Gegensatz dazu darf Bt10 bislang nicht in den Verkehr kommen. Doch genau das ist seit Jahren geschehen, wie jetzt das renommierte Naturwissenschafts-Magazin 'Nature' berichtet.

Einige hundert Tonnen Bt10-Mais sind demnach seit 2001 vom Hersteller Syngenta in den USA als Bt11 verbreitet worden. Die zuständigen amerikanischen Behörden FDA, EPA und USDA wußten mindestens seit Ende 2004 Bescheid und hielten den Skandal unter der Decke. Erst durch Züchtungsversuche brachten zum Vorschein, daß Bt10 und nicht - wie angenommen - Bt11 bereits in die Umwelt gelangt war.

Doch Syngenta wiegelt ab: das "Problem" werde nicht eskalieren. Syngenta bekundete gegenüber 'Nature', daß Bt10 "nur" auf 150 Quadratkilometern innerhalb der vier Jahre angebaut worden sei. Für VerbraucherInnen und Umwelt bestehe keinerlei Gefahr.

Auf der Homepage von 'Syngenta' ist zu lesen, daß Bt10 "unbeabsichtigt" in einer kleinen Anzahl der Mais-Zuchtlinien "aufgetaucht" sei, die hauptsächlich für die nicht-kommerzielle Produktentwicklung verwendet wurden. Alle Anpflanzungen und Saat-Vorräte seien vernichtet oder isoliert worden. Rund eine Milliarde Dollar hat ein ähnlicher Skandal die US-Nahrungsmittelindustrie bereits im Jahr 2000 gekostet. Damals waren Spuren der Aventis-Maissorte StarLink in Taco-Schalen entdeckt. Der Gen-Mais war nur als Viehfutter, nicht als Nahrungsmittel zugelassen.

Angeblich berieten VertreterInnen der US-amerikanischen Behörden zusammen mit Syngenta monatelang darüber, was zu tun und wann die Öffentlichkeit zu informieren sei. "Wir wollten den Behörden die Chance geben, in Ruhe ihre Untersuchungen durchzuführen", erklärt Syngenta-Sprecherin Sarah Hull hierzu. Auch die US-Regierung war laut 'Nature' an den "Beratungen" darüber beteiligt, wie mit dem Fehler umgegangen werden sollte. Wohl auch deshalb, weil es offiziell zwischen der US-Regierung und der EU einen "Handelsstreit" darüber gibt, daß Gen-Pflanzen aus der Sicht der Konzerne zu zögerlich in Europa in den Markt gedrückt werden.

Eine Liste mit den Ländern, in denen der "versehentlich" vertriebene Bt-10-Mais angebaut wurde, will Syngenta bis heute nicht zur Verfügung stellen.

 

Solveig Brendel

 

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