26.04.2005

Monsanto knebelt US-Landwirtschaft

Gentech führt Landwirtschaft in die Abhängigkeit

Ein Bericht des US-amerikanischen 'Zentrums für Nahrungsmittel- sicherheit' (CFS)* hat für Aufsehen und Diskussionen gesorgt. Darin wird aufgedeckt, daß US-amerikanische LandwirtInnen in hohem Maße vom Agro- und Gentech-Konzern Monsanto durch juristische Angriffe drangsaliert und geknebelt werden. Insbesondere in Hinblick auf patentierte genmanipulierte Nutzpflanzen verfolgt der Konzern eine äußerst aggressive, aber erfolgreiche Strategie.

Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) weist darauf hin, daß der CFS-Bericht deutschen Bäuerinnen und Bauern Gelegenheit biete, von den "Erfahrungen ihrer US-amerikanischen Kollegen zu lernen." Laut AbL sei dies dringend anzuraten, bevor "in Deutschland und der EU die Einführung der Gentechnik in der Landwirtschaft vollzogen" werde. Bereits in diesem Jahr sollen auf 1.000 Hektar Gen-Mais in Deutschland angebaut werden.1

Neben ökologischen und ethischen Fragen birgt der Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft laut AbL die Gefahr einer "zunehmenden Abhängigkeit der Bauern von einer Handvoll Konzerne". Wie begründet die Sorge ist, daß sich das Kräfteverhältnis zwischen LandwirtInnen und Gentech-Konzernen durch den Einsatz der patentgeschützten Agro-Gentechnik verschiebt, belegt der Bericht in bedrückender Klarheit.

In den USA wird seit über neun Jahren großflächig gentechnisch verändertes Soja-, Raps-, Mais und Baumwollsaatgut ausgebracht.2 Die juristischen und finanziellen Folgen für die Bauern sind erschreckend. Monsantos Ermittlungsmethoden und das skrupellose Verklagen von Bauern stellen einen Angriff auf die Grundfesten bäuerlicher Gewohnheiten und Traditionen dar, die in den USA Jahrhunderte und weltweit Jahrtausende überdauert haben. Zu diesen bäuerlichen Gewohnheiten und Traditionen gehört eines der ältesten Rechte: Das Recht, Saatgut der eigenen Ernte aufzubewahren und wieder auszusäen.

Monsanto, Weltmarktführer bei genmanipuliertem Saatgut, gewann schleichend immer mehr Kontrolle über die US-LandwirtInnen. Im ersten Schritt drängt Monsanto darauf, beim Kauf patentierten Saatguts einen speziellen Vertrag zu unterschreiben. Dieser Vertrag gibt Monsanto das Recht, Kontrollen auf Privatland durchzuführen, verpflichtet die LandwirtInnen zu enormer finanzieller Haftung bindet sie für mehrere Jahre an ein Aufsichtsrecht seitens Monsantos und umfaßt eine Reihe weiterer Bedingungen, durch die rechtswirksam festgelegt wird, welche Rechte ihnen in Bezug auf die Aussaat, die Ernte und den Verkauf gentechnischen Saatgutes zustehen und welche nicht.

Monsantos Vorgehen bei der Verfolgung von LandwirtInnen kann in drei Phasen eingeteilt werden:

1. Ermittlungen durch eigene Detektive
2. außergerichtliche Vergleiche
3. Klagen bei Gericht, in denen Monsanto Vertragsbruch oder die Verletzung von Patenten behauptet.

Monsanto hat bestätigen müssen, bei LandwirtInnen, die sie der Vertragsverletzung bezichtigen, aggressive Nachforschungen zu betreiben. Zeugenaussagen weisen darauf hin, daß die Zahl solcher Fälle in die Tausende geht. Den Aussagen von LandwirtInnen zufolge, die von CFS befragt wurden, führen diese Nachforschungen häufig in die zweite Phase: Monsanto versucht, die LandwirtInnen dahingehend unter Druck zu setzen, daß sie sich vertraulich und außergerichtlich auf geheimgehaltene Zahlungsbeträge und sonstige Vergleichsbedingungen einlassen.

Bei manchen LandwirtInnen führten Monsantos Ermittlungen gegen sie auch bis vor Gericht. Insgesamt wurden bis heute von Monsanto mindestens 90 Klagen gegen US-amerikanische LandwirtInnen eingereicht. Die Klagen betreffen 147 LandwirtInnen und 39 kleine Firmen oder LandhändlerInnen. Die beklagten LandwirtInnen stammen aus der Hälfte aller US-Bundesstaaten. Die Bauern sind klar im Nachteil: Monsanto hat einen jährlichen Haushalt von 10 Millionen US-Dollar und 75 Angestellte, die sich ausschließlich den Ausforschungen und der juristischen Verfolgung von LandwirtInnen widmen.

Die teuerste dokumentierte Entscheidung, die bisher zugunsten von Monsanto in Folge einer Klage gegen einen Landwirt ausgesprochen wurde, umfaßt einen Zahlungsanspruch von über 3 Millionen US-Dollar. Die Gesamtsumme aller dokumentierten Gerichtsurteile, die Monsanto aufgrund von Klagen zugesprochen wurden, erreicht eine Höhe von über 15 Millionen US-Dollar. LandwirtInnen haben in Fällen mit dokumentierten Gerichtsurteilen im Durchschnitt eine Zahlung von über 400.000 US-Dollar geleistet.

Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) erklärt ergänzend zum CFS-Bericht, daß viele LandwirtInnen zusätzlich Gerichts- und Anwaltsgebühren bezahlen mußten und manchmal sogar dazu verpflichtet werden, diejenigen Kosten zu bezahlen, die bei Monsanto durch die Ermittlungen gegen sie entstanden. Die endgültige Höhe der Zahlungsverpflichtungen ist bei der Mehrzahl der 90 Klagen, die CFS recherchierte, sei wegen der Vertraulichkeitsklausel vieler Einigungen nicht in Erfahrung zu bringen.

Gary Rinehart, Kaufmann aus Missouri, berichtete dagegen frank und frei, wie Agenten von Monsanto in seinem kleinen Gemischtwarenladen erschienen und versuchten, ihn einzuschüchtern: "Sie drückten mir ihre Visitenkarten in die Hand und erklärten in aggressivem Tonfall, sie seien gekommen, um sich mit mir wegen der Sojabohnen zu einigen." Als "großmäulig", "heftig" und als "Klugscheißer" beschrieb er einen der Monsanto-Ermittler. Er warf die beiden kurzerhand aus seinem Laden. Doch erst nachdem er einen Anwalt einschaltete, konnte sich Rinehart der Monsanto-Mitarbeiter erwehren. Er konnte nachweisen, daß er kein Landwirt sei, sondern Kaufmann und mit genmanipulierten Soja-Bohnen nichts zu tun habe. Gegenüber der 'Chicago Tribune' berichtet Rinehart zudem, die Ermittler hätten auch einige "Farmer der Gegend drangsaliert", immer wieder "betont, wie groß und mächtig Monsanto" sei und daß "ein kleiner Bauer ohnehin keine Chance vor Gericht" habe.

"Kein Bauer kann vor Monsantos langem Arm sicher sein", zieht die AbL als Fazit des Berichts. LandwirtInnen wurden verklagt, nachdem ihr Feld durch Pollen genmanipulierter Pflanzen von benachbarten Feldern verunreinigt wurde,3 wenn gentechnisches Saatgut einer vorjährigen Kultur auf Feldern, auf denen im Folgejahr keine gentechnischen Sorten angebaut wurden, keimte und selbst dann, wenn die Bauern zwar nie Monsantos Saatgut-Vertrag unterschrieben hatten, aber trotzdem das patentierte Pflanzensaatgut aussäten. So, wie das Patentrecht bisher angewandt wird, müssen Bauern technisch gesehen in all diesen Fällen haften. Es scheint dabei nicht von Bedeutung zu sein, ob die Anwendung unwissentlich geschah oder ob jemals ein Vertrag unterschrieben wurde.

Seit der Einführung genmanipulierter Pflanzen hat sich die Landwirtschaft in den USA grundlegend verändert. Die US-LandwirtInnen wurden gezwungen, in gefährliches und bisher unbekanntes Gebiet vorzudringen, und mußten feststellen, daß sie dabei Schaden erlitten. Mit wachsender Anzahl von LandwirtInnen, die wegen vermuteter Verletzung von Saatgutpatenten und der Verletzung des Monsanto-Saatgut-Vertrags Opfer von Belästigungen, von Ermittlungen und gerichtlicher Verfolgung durch Monsanto werden, wächst der Druck auf die bisher in den USA wie auch in Deutschland faktisch Gentechnik-freundliche Regierungspolitik. Eine Reihe von US-amerikanischen Umweltorganisationen dringt inzwischen darauf, lokale oder US-bundesstaatsweite Anbauverbote oder Moratorien für genmanipulierte Pflanzen zu erlassen. Weitere Forderungen betreffen die Patentgesetzgebung. Genmanipulierte Pflanzen dürften nicht länger als patentierbar anerkannt werden und der Nachbau von Saatgut dürfe nicht als Patentverletzung anerkannt werden. Laut AbL sei die Realisierung dieser Forderungen, die im CFS-Bericht ausführlich dargelegt werden, für die Zukunft der US-amerikanischen Landwirtschaft und für die bäuerlich-ländlichen Gemeinschaften weltweit entscheidend.

Seit Ende der 1990er Jahre gibt es auch in Deutschland eine juristische Auseinandersetzung zwischen Pflanzenzucht-Firmen und LandwirtInnen über die Frage, in welchem Umfang LandwirtInnen gegenüber wem zu Auskunft verpflichtet sind, welche Pflanzensorte sie in welchem Umfang anbauen und vor allem welchen Anteil der Ernte sie wieder als Saatgut verwenden dürfen. Über die recht einfache Frage der Auskunftspflicht sind inzwischen mehrere Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof anhängig. Aber die Pflanzenzucht-Firmen zerren - laut AbL - nach zwei ersten Niederlagen vor dem EuGH weitere LandwirtInnen und Saatgut-AufbereiterInnen vor Gericht.

 

Ute Daniels

 

Anmerkungen

* Das 'Center for Food Safety' ist eine angesehene amerikanische Non-Profit-Organisation, die über eine erfahrene Gruppe von JuristInnen verfügt. Der aktuelle Bericht beruht auf einer zweijährigen Recherche und zahlreichen Interviews mit US-LandwirtInnen und AnwältInnen.

1 Siehe auch unseren Artikel

      Künast als Terminatorin der Öko-Landwirtschaft?
      2005 dürfen über 1.000 Hektar Gen-Mais angebaut werden (19.03.05)

2 Siehe auch unsere Artikel

      Erhöhter Pestizideinsatz durch Gen-Pflanzen in den USA (30.11.03)

      Beweis unkontrollierbarer Gen-Kontamination (25.02.04)

3 Siehe auch unseren Artikel

      Gen-Pflanzen - Streit vor Kanadas höchstem Gericht (1.08.03)

 

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