Hintergrund-Artikel

Agro-Gentechnik

Über ihre Auswirkungen und Risiken, die Frage der Koexistenz und die Chancen des Gen-Moratoriums

Zu den Gefahren

Obwohl in Diskussionen meist die gesundheitlichen Gefahren im Vordergrund stehen - hier zunächst ein Überblick über die Gefahren für die Landwirtschaft und die Gefahren einer Monopolisierung der globalen Nahrungsmittel-Versorgung.

Genmanipulierte Pflanzen können sich mit verwandten Arten kreuzen. Betroffen sind hierbei nicht nur konventionell gezüchtete Nutzpflanzen wie beispielsweise Mais, sondern auch Wildpflanzen. Genmanipulierter Raps kreuzt sich mit der in Europa häufig vorkommenden Wildpflanze Rüpsen, genmanipuliertes Sorghum mit dem sogenannten Unkraut Aleppohirse.

Da genmanipulierte Pflanzen Eigenschaften aufweisen, die ihnen einen Überlebensvorteil bieten, können sich diese, einmal freigesetzt, in der Umwelt schnell verbreiten. Dies gefährdet die biologische Vielfalt und zudem besteht die Gefahr, daß sogenannte Super-Unkräuter entstehen. Strittig ist dies längst nicht mehr, nachdem sich beispielsweise in Kanada ab 2004 gezeigt hat, daß durch den Anbau von Gen-Raps die Gen-Kontamination so weit fortgeschritten ist, daß landesweit kein konventioneller oder Bio-Raps mehr angebaut werden kann.

Nicht nur genmanipulierte Pflanzen können zu "Super-Unkräutern" werden, sondern auch Pflanzen, die sich an die chemische Keule, an die genmanipulierte Pflanzen angepaßt wurden, gewöhnen. In den USA wird seit rund 13 Jahren genmanipulierte Baumwolle angepflanzt, der ein Gen eingeschleust wurde, die sie resistent gegen das Monsanto-Pestizid Roudup macht. Gen-Pflanze und Pestizid werden im Doppelpack unter dem Markennamen Roundup-ready angeboten. Roundup-ready könnte ins deutsche ungefähr so übersetzt werden: "Rundumschlag - und fertig!" Die praktische Idee dahinter: Es muß nur noch ein Wirkstoff - nämlich Glyphosat, eine Phosphorchemikalie - eingesetzt werden und alle besprühten Pflanzen außer der genmanipulierten sterben ab. Nun macht sich jedoch seit zwei Jahren eine Pflanze breit, die gegen Roundup-ready eine Resistenz entwickelt hat: Amaranth. Die spezielle Unterart, Palmer Amaranth, kann zwei bis drei Meter hoch wachsen und läßt der Baumwolle keinen Platz mehr. Die Pflanze, deren Körner in Südamerika als eiweißreiches Nahrungsmittel und in Europa auch gerne im Müsli Verwendung finden, hat in den USA bereits vielfach auf Baumwollfeldern zum Totalverlust der Ernte geführt. Erste Farmer mußten bereits ihre Felder aufgeben.

Ein weiteres Risiko ist der so genannte horizontale Gentransfer, bei dem Pflanzengene in Mikroorganismen gelangen. Das ist vor allem dann gefährlich, wenn Antibiotikaresistenz-Gene transferiert werden. Solche Gene werden in der Grünen Gentechnik aus technischen Gründen als Marker-Gene verwendet. Gentech-BefürworterInnen meinen, daß horizontaler Gentransfer äußerst unwahrscheinlich sei; KritikerInnen weisen darauf hin, daß auch aus einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit bei einer sehr großen Anzahl Pflanzen und Mikroorganismen eine reale Möglichkeit resultiere.

Sicher ist: Das Risiko ist wenig erforscht. Nur rund hundert von tausend Freisetzungsversuchen mit genmanipulierten Pflanzen in Europa wurden von Risikoanalysen begleitet. Dies spricht für die Vermutung, daß diese Versuche nicht zu Forschungszwecken, sondern gezielt zur Genkontamination durchgeführt werden. Die weltgrößte Umweltschutz-Dachorganisation, die World Conservation Union IUCN, die unter anderem 82 Staaten zu ihren Mitgliedern zählt, forderte 2004 wegen der bestehenden Unsicherheiten ein Gen-Moratorium. In der Schweiz wurde mit einer Volksabstimmung am 27. November 2005 das dort bereits bestehende Gen-Moratorium um weitere fünf Jahre verlängert. In Deutschland dagegen wird die Forderung nach einem Gen-Moratorium von den großen Umweltverbänden wie BUND oder Greenpeace leider nur wenig unterstützt.

Eine der gewichtigsten negativen Folgen des Anbaus von genmanipulierten Pflanzen ist die zunehmende Abhängigkeit der Landwirtschaft und damit der globalen Versorgung mit Nahrungsmitteln. Diese Abhängigkeit liegt zugleich in der Technologie als in der Patentgesetzgebung und -praxis begründet. Denn zum einen: Wer genmanipulierte Pflanzen mit eingebauter Herbizidtoleranz kauft, ist darauf angewiesen, im Doppelpack das vom selben Konzern angebotene Herbizid einzusetzen. Die Markmacht einiger weniger Agrochemie-Konzerne steigt damit gewaltig.

Zum anderen: 1980 erklärte das US-Bundesgericht erstmals ein Patent auf einen genmanipulierten Mikroorganismus für gültig. Genmanipulierte Organismen sind heute weitgehend mit Urheberrechten belegt. Wer Saatgut kauft, kauft gleichzeitig eine - auf ein Jahr beschränkte - Nutzungslizenz für diese Urheberrechte, die im Besitz des Konzerns bleiben. Das verändert die Machtverhältnisse in der Landwirtschaft radikal. Und dies betrifft nicht nur die Landwirtschaft in Europa oder den anderen Industrienationen, sondern betrifft insbesondere KleinbäuerInnen in Entwicklungsländern und beeinflußt die Versorgungslage dieser Länder nachteilig. Der Markt für genmanipulierte Nutzpflanzen wird heute fast vollständig von vier Konzernen - Monsanto, Syngenta, DuPont und Bayer - beherrscht.

Sind diese Agrochemie-Konzerne vertrauenswürdig?

Nein. Bis im März 2005 exportierte Syngenta in Europa nicht zugelassenen Bt-10-Mais als Bt-11-Mais deklariert aus den USA in die EU. Als dies bekannt wurde, sprach Syngenta von einem Fehler und beteuerte, die beiden Maissorten seien fast identisch. Das war gelogen: Bt-10 enthält, anders als Bt-11, ein - in Europa verbotenes - Antibiotikaresistenz-Gen. Im vergangenen Jahr wurde das selbe Spiel mit einer in Europa verbotenen genmanipulierten Reissorte wiederholt.

Monsanto hat für die Zulassung von Mon-863-Mais in der EU eine in ihrem Auftrag erstellte, tausendseitige Studie eingereicht. Laut Zusammenfassung wiesen Fütterungsversuche an Ratten diesen Mais als unbedenklich aus. Doch Greenpeace stellte fest, daß die Zusammenfassung den Resultaten der Studie widersprach: An den Nieren der gefütterten Ratten waren Schädigungen festgestellt worden

Agrochemie-Konzerne und gentech-freundliche Regierungen üben außerdem Druck auf die öffentliche Forschung und wissenschaftliche Journale aus. 2001 publizierte 'Nature' ein Paper über Auskreuzungen von genmanipuliertem Mais in Mexiko. Ein besonders heikles Thema, da es sich bei Mexiko um die Wiege der Nahrungspflanze Mais handelt und die Zerstörung des dortigen Gen-Pools, eines kostbaren globalen Erbes der Menschheit droht. Die Studie ist umstritten - dieses Jahr publizierte 'PNAS-online' eine Studie, die keine Spuren von genmanipuliertem Mais im mexikanischen Mais feststellte -, doch wer immer Recht hat: Sicher ist, daß massiv Druck auf die 'Nature'-Redaktion ausgeübt wurde, der diese dazu brachte, sich von der Studie zu distanzieren - ein bisher einmaliger Vorgang.

Ein ähnlicher Vorgang spielte sich in Großbritannien ab: Arpad Pusztai verlor, nachdem er öffentlich über seine Lektin-Kartoffel-Versuche gesprochen hatte, auf Druck der britischen Regierung seine Stelle.

Im Oktober 2005 wurden die Ergebnisse einer großangelegten von der britischen Regierung in Auftrag gegebenen Studie publik. Sie bestätigte die Erfahrungen aus Kanada, daß nach dem Anbau von Gen-Raps ist eine Rückkehr zum Anbau von konventionellem Raps praktisch nicht mehr möglich ist. Außerdem zeigten die Feldversuche einen eindeutigen Rückgang der Artenvielfalt. Bereits im Juni 2003 hatte der britische Umweltminister Michael Meacher, der Anthony Blair sechs Jahre in diesem Amt gedient und die Studie in Auftrag gegeben hatte, seinen Hut nehmen müssen - er hatte sich öffentlich gegen die Einführung von Agro-Gentechnik ausgesprochen.

Nun zur Frage der Gesundheitsgefahren

Die Weltgesundheitsorganisation WHO schreibt, es gebe "keine Daten darüber, daß geprüfte Gentech-Lebensmittel nicht sicher sind". Millionen Menschen weltweit, argumentieren BefürworterInnen, essen aus gennmanipulierten Pflanzen hergestellte Produkte, und es seien keine Gesundheitsschäden bekannt, die nachweislich darauf zurückzuführen seien. Allerdings wurde bislang auch selten versucht, diesen Nachweis wissenschaftlich zu erbringen. Zumindest in Fütterungsversuchen mit Tieren sind Schäden festgestellt worden, die sich nicht eindeutig erklären lassen. 1998 fütterte der Biochemiker Arpad Pusztai Ratten mit Kartoffeln, die mit einem Gen des Schneeglöckchens ein Protein - sogenanntes Lektin - gegen Fraßinsekten herstellen. Die Ratten erkrankten, obwohl das Lektin selber, wenn es dem Futter beigemischt wurde, die Ratten nicht schädigte. Offenbar löst die Einbringung des Lektin-Gens in das Kartoffelgenom mehr aus als die bloße Bildung von Lektin. Gentech-BefürworterInnen zweifeln Pusztais Resultate an. Zu ähnlichen Resultaten wie Pusztai kam 2004 die bereits genannte Studie, die im Auftrag des Agrochemie-Konzerns Monsanto erstellt wurde und eigentlich hätte zeigen sollen, daß der Genuss des genmanipulierten Mais Mon863 unbedenklich sei.

Monsanto wird darüber hinaus vorgeworfen, in Kollaboration mit dem russischen Ernährungsinstitut eine Studie zu Gen-Kartoffeln unterdrückt zu haben. Diese hatte ergeben, daß innere Organe von Ratten geschädigt wurden. Die Untersuchung tauchte erst nach einem langjährigen Rechtsstreit auf. Die Ernährungs-Expertin Dr. irina Ermakova gibt an, daß die Studie zeige, daß Gen-Kartoffeln die Nieren, Leber, Dickdarm, das Blutserum, die Hoden und Prostata schädigten.

Anfang 2007 wurde das Ergebnis einer französischen Studie veröffentlicht: Der in der EU als Lebens- und Futtermittel zugelassene Gen-Mais MON863 kann zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen. MolekularbiologInnen und BiostatistikerInnen einer Forschergruppe fanden heraus, daß bei Versuchsratten nicht nur Gewichtsveränderungen, sondern auch für Vergiftungen typische Leber- und Nierenschäden festzustellen sind. Die Ergebnisse wurden am 13. März 2007 in Berlin vom Leiter der Forschungsgruppe, Professor Gilles-Eric Séralini in Berlin öffentlich vorgestellt.

Viele Zulassungsanträge für genmanipulierte Pflanzen wurden bei der EU in den letzten Jahren äußerst lax gehandhabt: Der Agrochemie-Konzern BASF reichte einen Antrag für die Zulassung einer Gen-Kartoffel mit dem hübschen Namen 'Amflora' ein. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA listete 22 Seiten mit Bedenken auf - gab aber letztlich dann doch grünes Licht. Dabei hatte sich bei Fütterungsversuchen, bei denen lediglich 30 Prozent genmanipulierte Kartoffeln beigemischt waren in einem kurzen Zeitraum von nur 90 Tagen negative gesundheitliche Effekte gezeigt. Rattenweibchen zeigten signifikant veränderte Werte in Bezug auf ihre weißen Blutkörperchen und ein verändertes Gewicht der Milz. Diese Effekte wurden jedoch nicht weiter untersucht.

Im Dezember 2005 wurde eine 10-jährige Langzeitstudie an Ratten veröffentlicht. ExpertInnen der austrlischen Forschungsorganisation CSIRO hatten genmanipulierte Erbsen mit einer Resistenz gegen den Erbsenkäfer untersucht. Ratten, die mit diesen Erbsen gefüttert worden waren, bildeten Allergien und andere starke Immunreaktionen aus. Als die Forscher die Tiere einen Gasnebel mit Erbsenmehlpartikeln atmen ließen, bekamen viele Lungenentzündung. Da das Anti-Käfer-Gen aus einer Bohne stammte, die für Säugetiere gut verträglich ist, zogen die Forscher den Schluß, daß beim Einbau in eine neue Zelle Wechselwirkungen möglich sind. Die Zelle gewinnt nicht einfach die gewünschte Eigenschaft hinzu, sondern produziert möglicherweise im Zusammenspiel des neuen Gens mit den ursprünglichen Genen andere Stoffe.

Nun sind Tierversuchen generell fragwürdig. Es muß jedoch zu Denken geben, wenn die großen Agrochemie-Konzerne derart manipulativ und selektiv auf wissenschaftliche Studien Einfluß nehmen, um die ihnen genehmen Unbedenklichkeits-Atteste zu erlangen.

Ist Koexistenz möglich?

Grundsätzlich ist Koexistenz - das Nebeneinander von Landwirtschaft mit und ohne genmanipulierte Pflanzen - eine asymmetrische Sache: Kreuzen Gen-Pflanzen in das Feld eines konventionell arbeitenden oder Bio-Landwirts ein, so kann dieser seine Produkte nicht mehr als gentechfrei verkaufen, sobald ein - politisch willkürlich festgesetzter - Grenzwert überschritten ist. Umgekehrt entsteht kein Schaden. In Deutschland setzte sich während der Zeit der "rot-grünen" Koalition Ministerin Renate Künast für eine angeblich strenge gesetzliche Regelung zur Koexistenz ein. Zugleich jedoch erlaubte sie in ihrer Eigenschaft als oberste Dienstherrin des Bundessortenamtes bereits im Jahr 2002 den Anbau von 50 Tonnen genmanipuliertem Saatgut auf deutschen Feldern. In den darauf folgenden Jahren erhöhten sich die Freigabemengen. Das Bundessortenamt ließ im Auftrag Künasts im Zeitraum 1998 bis 2005 insgesamt 32 genmanipulierte Maissorten mit den Fachkürzeln T25, BT176 und MON810 an jährlich bis zu 18 Standorten angebauen. Bei weitem nicht alle, die grün redeten, handelten auch entsprechend.

In einem Gentechnik-Gesetz, dessen Verabschiedung sich allerdings bis 2005, dem Jahr als die 7 Jahre währende "rot-grüne" Regierung abgelöst wurde, verzögerte, sollten Sicherheitsabstände und eine angeblich strenge Haftungsregelung für die praktische Durchführbarkeit der Koexistenz sorgen. Schon seit 2003 liegen jedoch eindeutige Fakten vor, die belegen, daß Koexistenz auf die Dauer nicht realistisch ist. Je nach Höhe der Grenzwerte wird kurz- oder mittelfristig der gesamte Bestand an Nutzpflanzen wie Mais, Raps oder Soja und Baumwolle genkontaminiert. Danach ist kein gentechnikfreier Anbau mehr möglich.

Noch im April 2005 - ein halbes Jahr vor dem Erfolg der Schweizer Abstimmung über das Gen-Moratorium - veröffentlichte die Eidgenössischen Forschungsanstalt Reckenholz (FAL) eine Studie, wonach Koexistenz möglich sei. Für Mais und Raps müßte zwischen den Feldern, je nach Sorte, lediglich ein Abstand von 25 bis 50 Metern eingehalten werden, zudem sei eine Reihe technischer und organisatorischer Maßnahmen nötig. Demgegenüber kam das Forschungsinstitut für Biologischen Landbau (FiBL) zum Schluß, Koexistenz sei in der kleinräumigen Landwirtschaft der Schweiz unwirtschaftlich: Beim Raps etwa wären Feldabstände von vier Kilometern nötig. Weil Rapssamen sehr lange fruchtbar bleiben, kann eine Auskreuzung auch noch nach Jahren stattfinden. Die Differenzen zwischen FAL und FiBL rühren von verschiedenen Annahmen her: Die FAL hielt eine Einkreuzung von 0,5 Prozent für tolerierbar. Das FiBL rechnete mit 0,1 Prozent, damit der Grenzwert auch dann eingehalten werden kann, wenn Verunreinigungen aus verschiedenen Quellen sich kumulieren. Hinzugefügt aber werden muß, daß der Grenzwert von 0,1 gegenüber dem von 0,5 die Dauer der Genkontamination lediglich um den Faktor 5 streckt. Der Effekt, der im einen Fall nach zwei Jahren eintritt, ist im anderen Fall nach zehn Jahren zu beobachten.

Zwischen 2005 und 2009 wurde die Koexistenz-Politik von Minister Seehofer, dem Nachfolger von Künast, nahezu unverändert fortgesetzt. Doch längst ist klar, daß es sich dabei um eine Falle handelt. Selbst wenn genmanipulierte Pflanzen zunächst nur großflächig in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern angebaut werden sollten, haben die Gen-Konzerne den Fuß in der Tür und eine unaufhaltsame Genkontamination wird in wenigen Jahren auch die vielen gentechnikfreien Zonen in Deutschland überrollen.

Selbst die scheinbar strenge Haftungsregelung, die von Seehofer ebenso wie die Abstandsregelungen übernommen wird, bietet keinerlei Schutz. Sie kann leicht ausgehebelt werden: Monsanto und Co. werden schlicht und einfach die gen-kontaminierte Ernte aufkaufen. Und dies funktioniert so: Die Ernte genkontaminierter Nachbarfelder wird zu Preisen aufgekauft, die über dem Markpreis für gentechnikfreien oder biologisch angebauten Mais, Weizen oder Raps liegen. Ein Schaden - nach gängigen juristischen Vorstellungen nur meßbar in Euro - ist somit nie entstanden. Für einen Schadensfall, der gar nicht eintritt, muß - ergo - niemand haften.

Aus internen Quellen wurde bekannt, daß bereits die Märkische Kraftfutter GmbH (Märka), die eng mit Monsanto kooperiert, eine Strategie festgelegt hat, möglichen Haftungsfällen aus dem Weg zu gehen, indem sie die Ernte von Nachbarfeldern im Abstand von weniger als 500 Metern zum garantierten Marktpreis aufkauft. Märka ist vorwiegend in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern tätig, den Bundesländern in denen 2006 allein über 80 Prozent des in Deutschland noch von Ministerin Künast zugelassenen Gen-Mais angebaut wurde. Auch interne Studien von Monsanto und Syngenta liegen vor, wonach diese Strategie verfolgt werden soll, um Haftungsfälle zu verhindern.

Welche Versprechungen sind mit der Agro-Gentechnik verbunden?

Die kommerziellen Anwendungen der Gentechnik in der Landwirtschaft betreffen heute hauptsächlich vier Pflanzenarten - Mais, Raps, Baumwolle, Soja - und zwei Eigenschaften - Herbizidresistenz und Schädlingsresistenz. Herbizidresistente Pflanzen werden zusammen mit einem Breitbandherbizid des gleichen Herstellers angeboten, das alle Pflanzen auf dem Feld außer den erwünschten vernichtet - solange keine natürlichen Resistenzen - Beispiel: Amaranth - entstehen. Seit Jahren angekündigt werden Pflanzen, die den KonsumentInnen und nicht nur den LandwirtInnen Vorteile bringen sollen: etwa besser schmeckende, vitaminreichere Früchte oder gar solche, die pharmakologische Wirkstoffe enthalten. Wie jedoch bereits vielfältig aufgezeigt, sind all diese Versprechungen mit einem Pferdefuß versehen.

Ein weiteres Versprechen betrifft die prekäre Ernährung der Weltbevölkerung. Um sich nicht von den Aussagen der Gen-Konzerne irre führen zu lassen, müssen wir allerdings wissen: Laut den allgemein anerkannten Daten der Welternährungsorganisation WHO (Welternährungsbericht) kann die Weltlandwirtschaft schon heute - ohne Gentechnik - problemlos zwölf Milliarden Menschen ernähren - also nahezu das doppelte der Weltbevölkerung. Dennoch sind im Jahr 2005 weltweit jeden Tag 100.000 Menschen an Hunger oder seinen unmittelbaren Folgen gestorben. Laut dem UN-Beauftragten Professor Jean Ziegler, ist dies einzig und allein ein Verteilungsproblem. Sehr deutlich sagt er: "Ein Kind, das heute an Hunger stirbt, wird ermordet."

Die BefürworterInnen der Grünen Gentechnik argumentieren wie folgt: Wächst die Weltbevölkerung weiter wie bisher, werden mehr Nahrungsmittel benötigt. Zusätzlicher Landverbrauch und noch mehr Einsatz von Agrochemikalien könnten die Ökosysteme zum Kollaps bringen. Gentechnik helfe, dies zu verhindern. Dank Ertragssteigerung könne der Flächenbedarf reduziert werden; außerdem sinke der Bedarf an Agrochemikalien, weil ja schädlingsresistente Pflanzen nicht mehr gegen Schädlinge gespritzt werden müßten.

Tatsächlich jedoch konnte in den USA und in Argentinien, wo genmanipulierter Mais und Gen-Soja bereits seit über zehn Jahren angebaut werden, folgendes beobachtet werden: Während der ersten drei Jahre erfüllten sich die Versprechungen und der Spritzmitteleinsatz konnte reduziert werden. In den darauffolgenden vier Jahren stieg er aber wieder an und ab dem siebten Jahr liegt er höher als bei vergleichbarem konventionellem Anbau.

Ein weiteres Gegenargument betrifft den Biolandbau: Wird der Verbrauch an Agrochemikalien, der Energie- und Wasserverbrauch, die Bodenfruchtbarkeit, die biologische Vielfalt gemessen, schneidet der Bio- gegenüber dem Gentechnik-Landbau überall - und teilweise ganz deutlich - besser ab.

Ein weiteres Argument der Gentech-BefürworterInnen betrifft genmanipulierte Nutzpflanzen, die in trockenen oder salzreichen Böden gedeihen könnten. Angeblich sind diese Pflanzen noch in der Entwicklung. Gerne wird auch auf den mit Hilfe von Genmanipulation zur verbesserten Vitamin-A-Versorgung optimierten "Golden Rice", dem "goldenen Reis" geworben.

Der an der ETH entwickelte transgene Golden Rice enthält Betacarotin, aus dem der Körper Vitamin A bildet. Er soll Millionen Kindern helfen, die unter Vitamin-A-Mangel leiden und von Erblindung bedroht sind.

Aus entwicklungspolitischer Sicht fragt sich, ob die Vorteile gentechnischer Lösungsansätze die Nachteile aufwiegen und ob sich die Ziele auf anderem Weg nicht effizienter erreichen lassen. Der Verdacht liegt nahe, daß auch "Golden Rice" lediglich eine Funktion als Türöffner erfüllen soll. Die Weltlandwirtschaftsorganisation (FAO) setzt auf Gentech, und auch einige unabhängige Entwicklungsfachleute wie Welternährungspreisträger Per Pinstrup-Andersen wollen diese Option offen halten. Für die Mehrheit der Entwicklungsorganisationen aber ist Gentechnik der falsche Weg. "Golden Rice" ist aus ihrer Sicht eine Hightechlösung für ein Problem, das durch eine Monokultur-Hightechlandwirtschaft verursacht wurde, die für den Weltmarkt statt für lokale Bedürfnisse produziert: Das Problem ist nicht, daß die traditionelle Nahrung zu wenig Betacarotin enthielte, sondern daß die Menschen keinen Zugang dazu haben.

Und was die Trockenheitsresistenz angeht: Das Internationale Forschungszentrum für Landbau in Trockenzonen in Aleppo (Icarda), das keinerlei Berührungsängste zur Gentechnologie kennt, setzt auf Lowtechmethoden zur optimierten Wassernutzung, auf konventionelle Züchtung sowie auf "vergessene" Landrassen statt auf genmanipulierte Pflanzen, weil es sich davon effizientere Lösungen verspricht.

Fazit: Auch im Hinblick auf Nachhaltigkeit ist die Bilanz der Grünen Gentechnik niederschmetternd.

Wäre ein Gen-Moratorium mit internationalem Recht vereinbar?

Immer wieder wurde argumentierte, ein Gen-Moratorium könne sich lediglich die Schweiz leisten, während Deutschland als EU-Mitglied rechtlich gebunden sei. Dies ist inzwischen durch die Politik Italiens und Polens widerlegt. Auf diese Länder wurde von Seiten der EU zwar großer Druck ausgeübt - aber faktisch ist dort der Anbau von genmanipulierten Pflanzen verboten, ohne daß der angedrohte Ausschluß aus der EU vollzogen wurde. Die Welthandelsorganisation (WTO) verbietet Handelshemmnisse, die nicht auf wissenschaftlich begründeten Bedenken beruhen. Doch was "wissenschaftlich" sei, läßt sich von Konzernen anders bestimmen als von unabhängigen WissenschaftlerInnen. Zwischen der EU und den USA war über Jahre hin ein Verfahren zu genau dieser Frage anhängig, bei dem die EU letztlich in einem Vergleich nachgab. Innerhalb der EU hat der Europäische Gerichtshof Anfang Oktober 2005 ein Moratorium in Oberösterreich für ungültig erklärt. Oberösterreich scheint als österreichisches Bundesland aber gewillt zu sein, das Gen-Moratorium faktisch mit Hilfe anderer Rechtskonstruktionen dennoch zu realisieren.

Wenn wir uns daran erinnern, daß Österreich trotz Atomausstieg wegen seiner EU-Mitgliedschaft jährlich als Folge des Euratom-Vertrags mehr als 40 Millionen Euro für die Subventionierung der europäischen Atom-Industrie aufbringen muß, darf die Frage erlaubt sein: Würde ein Austritt Österreichs aus der EU Europa nicht mehr nutzen als schaden? Es stellt sich überhaupt die Frage, ob die EU als Europa der Konzerne sich nicht längst überlebt hat und ob der politische Zusammenschluß Europas nicht vielleicht besser auf einer ganz neuen Grundlage aufgebaut werden sollte.

 

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