3.08.2003

Artikel

Österreichische Studie:
Koexistenz ist eine Chimäre

EU-Kommissar Franz Fischler müßte es eigentlich wissen. Schließlich war er einmal österreichischer Landwirtschaftsminister und hat sich angeblich für die österreichische Bio-Landwirtschaft stark gemacht. Heute schaufelt er nicht nur der Bio-Landwirtschaft, sondern auch der gentechnik-freien konventionellen Landwirtschaft das Grab - assistiert von der deutschen Landwirtschaftsministerin Renate Künast und dem spanischen Landwirtshaftsminister Miguel Arias Canete.

Und Kommissar Fischler wird sicherlich - neben einer ganzen Reihe ähnlicher Studien - rechtzeitig vor seinen jüngsten Aktivitäten von der österreichischen Studie erfahren haben, die von der oberösterreichischen Gesundheitslandrätin Haubner und Gesundheits-Staatssekretär Waneck in Linz vorgestellt worden war.

Bislang ist der Anbau von genmanipulierten Pflanzen in Österreich verboten. Österreich ist bislang gentechnik-frei und auch Versuchspflanzungen wurden in Österreich weit rigider gehandhabt als in Deutschland. Doch schon im Herbst kann das EU-Moratorium für die Zulassung von Gen-Pflanzen aufgehoben und damit auf einen Schlag eine Reihe von Gentech-Sorten in Österreich legal angebaut werden. So stellten sich die Österreichischen Behörden die dringende Frage, ob der Anbau von Gen-Pflanzen neben der biologischen Landwirtschaft und der gentechnik-freien konventionellen Landwirtschaft überhaupt machbar wäre. Zweifel weckte laut Auskunft zum Beispiel eine aktuelle Studie der Europäischen Umweltagentur (EEA), die belegt, daß Wind und Bienen den Pollen von Feldern mit genmanipulierten Nutzpflanzen auch über weite Strecken auf andere Felder übertragen können.

Das Umweltressort des Landes Oberösterreich und das Bundesministerium für Soziale Sicherheit und Generationen gaben deshalb eine Studie in Auftrag, um die mögliche Umsetzung von gentechnik freien Anbauzonen in Oberösterreich zu überprüfen. Die Projektstudie wurde an Dipl.-Ing. Werner Müller - ein Mitglied des oberösterreichischen Expertenrates für Gentechnik - vergeben, der auf dem Gebiet der ökologischen Risikoforschung ein anerkannter Fachmann ist.

Untersucht wurden drei Szenarien: Der Anbau von genmanipulierten Pflanzen ohne spezifische Regelungen zum Schutz des GVO-freien Anbaus, die Schaffung kleiner bis mittelgroßer GVO-freier Zonen und die Ausweisung Österreichs als gesamte GVO-freie Fläche.

Szenario 1
Anbau von gentechnisch veränderten Kulturpflanzen ohne spezifische Regelungen

Ohne spezifische Regelungen wird es kurzfristig zu starken wirtschaftlichen Einbußen des biologischen Landbaus bzw. der konventionellen gentechnik-freien Landwirtschaft kommen. Mittelfristig kommt die Produktion des biologischen Landbaus bzw. die konventionelle GVO-freie Produktion völlig zum Erliegen. Die kleinbäuerliche Struktur der österreich- ischen Landwirtschaft wäre deutlich bedroht. Eine Rückkehr zu einer gentechnik-freien Landwirtschaft durch Sanierung der gentechnisch verschmutzten Produktionsflächen wäre aufgrund der Haltbarkeit bestimmter Samen äußerst schwierig und nur nach mehrjährigen Übergangszeiträumen möglich.

Szenario 2
Schaffung kleiner bis mittlerer gentechnikfreier Zonen

Zum Schutz sowohl einer biologisch geführten als auch konventionellen gentechnik-freien Landwirtschaft werden "GVO-freie Zonen" (frei von Gentechnisch Veränderten Organismen) geschaffen, in denen der Anbau gen- manipulierter Kulturpflanzen untersagt ist. Zur Sicherung der gentechnik-freien Bewirtschaftung müssen rund um solche Zonen mehr oder weniger große Schutz- bzw. Pufferzonen eingerichtet werden, um die Verbreitung und Übertragung von fremdgenhaltigem Material durch Pollen, Insekten oder Wind zu unterbinden.

Zur Umsetzung gentechnik-freier Zonen wurde im Rahmen dieser Studie für Oberösterreich eine Erhebung auf Gemeindeebene durchgeführt, um in Erfahrung zu bringen, wieviel Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche je Gemeinde für einen GVO-Anbau zur Verfügung stehen, wenn man beispielsweise um bereits bestehende Bio-Betriebe entsprechende Schutzgebiete legen würde. Das Ergebnis der Erhebung: Geht man von einem Schutzradius von vier Kilometer aus, so ist in Oberösterreich ein konfliktfreier GVO-Anbau kaum möglich.

Die zentralen Probleme bei dieser Variante liegen in der Festlegung und Ausweisung von solchen Zonen, in der notwendigen Überwachung und den damit verbundenen Kosten und der Frage von Haftungen und Entschädigungs- zahlungen im Falle von Kontaminationen.

Szenario 3
Ganz Oberösterreich als GVO-freie Zone

Diese Variante fordert neben einer auf gentechnik-freier Qualitätsproduktion ausgerichteten Landwirtschaft (z.B. mit GVO-freier Saatgutproduktion) die Etablierung eines konventionellen GVO-freien Marktes. Der Anbau von GVO-haltigen Kulturpflanzen müßte neben Oberösterreich auch in allen anderen Bundesländern gesetzlich untersagt werden. Meinungsumfragen zeigen, daß sich eine breite Mehrheit der Konsumenten eine österreichweite GVO-freie Zone vorstellen kann und auch viele Landwirte der Errichtung von GVO-freien Zonen zustimmen würden.

Die österreichische Umweltschutzorganisationen Global2000 und Greenpeace Österreich sehen sich durch die Studie in ihren Warnungen vor Gentech-Nutzpflanzen bestätigt und fordern, ganz Österreich als gentechnik-freie Zone auszuweisen.

 

Petra Willaredt

Weitere Informationen:

Zusammenfassung der Studie "GVO-freie Bewirtschaftungsgebiete" auf der Gentechnik-Website des Gesundheitsministeriums
hier

Global2000
hier

Greenpeace Österreich
hier

EU-Studie zur Gen-Übertragung mittels Pollen
hier

Region ALPE ADRIA soll gentechnikfreie Zone werden
hier

Hinweis:
In der Schweiz wurden bereits 110.000 Unterschriften für den Erhalt des dortigen Gen-Moratoriums gesammelt. Nehmen wir uns die SchweizerInnen und ÖsterreicherInnen zum Vorbild -
Zur Unterschriften-Aktion
'Moratorium für Gen-Food' hier klicken.

 

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