6.04.2010

Irak-Krieg
Video zeigt Kriegsverbrechen

US-Hubschrauberbesatzung schießt auf Unbewaffnete

Standbild aus dem wikileaks-Video, Irak 12. Juli 2007 Das Whistleblower-Portal wikileaks hat gestern (Montag) ein bislang vom US-Militär geheim gehaltenes Video veröffentlicht. Aus der Perspektive einer US-Hubschrauber-Besatzung ist zu sehen, wie diese in eine Gruppe unbewaffneter Menschen schießt. Bei dem Blutbad vom 12. Juli 2007 starben vermutlich zwei irakische Mitarbeiter der Nachrichtenagentur Reuters.

Auf dem Video, das von der hochauflösenden Bord-Kamera aufgezeichnet wurde, ist zudem die Tonspur der Aufnahme zu hören. Die Besatzung des US-Hubschraubers war offenbar einer Art Blutrausch verfallen, fragte mehrfach nach weiterer Feuer-Freigabe und bejubelte den eigenen Mord. Nach dem Vorfall kam eine US-"Untersuchung" zum Ergebnis, den beteiligten SoldatInnen sei kein Vorwurf zu machen. Das Video blieb unter Verschluß. Reuters wurde mitgeteilt, ihre Mitarbeiter hätten sich "unter die Aufständischen gemischt." Eine Auswertung des Videos wurde Reuters seinerzeit von den US-Behörden verweigert. Das dem Whistleblower-Portal wikileaks, das für die Veröffentlichung brisanter Dokumente bekannt ist, zugespielte Video zeigt nicht nur aufs Neue die Verrohung der im Irak eingesetzten SoldatInnen, sondern beweist zudem, daß die US-Behörden gezielt Strafvereitelung betreiben und Kriegsverbrechen decken.

Auf dem Video ist zu sehen, wie eine Gruppe von Menschen zunächst in aller Ruhe eine Straße entlang geht. Unter ihnen befanden sich mutmaßlich der erst 22 Jahre alte Fotograf Namir Noor-Eldeen und sein 40 Jahre alter Assistent und Fahrer Saeed Chmagh. Sie müssen den Hubschrauber gehört haben, denn er kreiste in nicht allzu großer Entfernung über ihren Köpfen. Sie ließen ihn aber als etwas in Bagdad nicht weiter Ungewöhnliches offenbar unbeachtet.

Die Besatzung des Apache-Kampfhubschraubers nimmt die Menschen ins Visier. Nach der ersten Salve versuchen sie panisch Schutz zu suchen - das schwere Maschinengewehr des Hubschraubers wirbelt am Boden dicke Staubschwaden auf, Steinbrocken fliegen umher. Aus dem Dialog zwischen Piloten und Schützen: "Hahaha - ich hab sie getroffen!" - "Da liegen jetzt ein Haufen Leichen herum - ein Typ kriecht noch umher." - "Wir schießen noch ein paar mehr." - (einer der US-Soldaten ungeduldig) "Kommt schon, laßt uns schießen." - "Du schießt, ich rede." Die Bord-Kamera zeigt, wie einer davonrennt. Gegen die überlegene Technik ist er machtlos, er wird getroffen. "Ah, ja, schau dir die toten Bastarde an", sagt einer der Soldaten. Unter den Toten waren offenbar auch Kinder.

Das Mißtrauen des Reuters-Chefredakteurs David Schlesinger nach dem Tod des Fotografen Namir Noor-Eldeen und seines Assistenten Saeed Chmagh am 12. Juli 2007 wird durch das Video bestätigt. Schlesinger stellte bereits wenige Tage nach dem 12. Juli 2007 die offizielle Darstellung der Schüsse auf die beiden Mitarbeiter in Frage. "Unsere ersten Untersuchungen lassen ernsthafte Fragen aufkommen, ob es zu dem Todeszeitpunkt der zwei Männer Kämpfe gegeben hat", sagte er. Monatelang kämpfte er vergeblich um die Offenlegung der wahren Todesumstände.

Bereits im Juli 2007 verdichteten sich die Zweifel des Reuters-Chefredakteurs. Bagdader Angestellte der Nachrichtenagentur sahen Video-Aufzeichnungen des Vorfalls. Doch die US-amerikanischen Militärvertreter, die Teile des Videos bei einem vertraulichen Treffen präsentiert hatten, erklärten, dafür sei eine formelle Anfrage nötig. Reuters beantragte noch am selben Tag die Herausgabe des Original-Videos - vergeblich. Ein Jahr nach dem Tod der beiden Mitarbeiter im Irak insistierte Reuters: "Wir haben noch immer keine formelle Antwort." Zugleich erhöhte die Nachrichtenagentur den öffentlichen Druck, indem sie im Juli 2008 eine Gedenkfeier für die getöteten Mitarbeiter in Bagdad abhielt.

Nach eigenen Angaben erhielt wikileaks das Video nun von "mehreren Zuträgern aus dem Militär". Julian Assange, Sprecher und Mitgründer von wikileaks, sagte in einem Interview mit dem Fernsehsender 'Russia Today', an der Echtheit des Videos bestehe "keinerlei Zweifel". Das Material sei verschlüsselt zu wikileaks gelangt. Er und ein Team von Krypotologen hätten etwa drei Monate benötigt um den Code zu knacken.

Die Aufnahmen seien echt, bestätigte ein hochrangiger Mitarbeiter der US-Streitkräfte. Das Pentagon wollte die Echtheit bislang nicht bestätigen. Der Fall werde untersucht, hieß es aus dem US-Hauptquartier im Irak. Ein Sprecher des Zentralkommandos in Florida bestätigte aber, daß es keinen Anhaltspunkt dafür gebe, daß das Video eine Fälschung sein könnte.

Seit der Gründung vor etwas mehr als drei Jahren hat wikileaks, das seine Quellen geheimhält, zahlreiche aufsehenerregende Daten veröffentlicht, so Teile der Akten über das Kundus-Massaker, eine Liste von Mitgliedern der rechtsextremen 'British National Party' oder Fälle von Korruption und Umweltverschmutzung. Wikileaks arbeitet auf ehrenamtlicher Basis und finanziert sich durch Spenden.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkung

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      Gewaltfrei gegen US-Besatzung des Irak
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      auf 1.464 Milliarden US-Dollar gestiegen (9.06.09)

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      Ehemaliger US-General John Abizaid
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      Auch britisches Militär folterte im Irak (19.01.05)

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