11.08.2002

Diskussionsbeitrag
von Peter Baumann

Der Kapitalismus
schleicht zum Abgrund

Hallo Leute!

Ihr lest wohl nicht regelmäßig die FTD? Am 25.07.02 kam dort ein recht interessanter Artikel von Thomas Fricke: "Die Welt schleicht zum Abgrund". Die darin aufgestellte These, daß es diesmal nicht zu einer abrupten Weltwirtschaftskrise, sondern zu einem schleichenden Zerfall des Kapitalismus kommen wird, könnte die Hoffnung von Frau Ascoli nähren. Sie schrieb ja in ihrem Diskussionsbeitrag: "Statt eines plötzlichen Zusammenbruchs scheint mir eher ein allmähliches Absterben wünschenswert, das Zeit läßt, evolutionär eine neue menschliche, in Einklang von Emotionalität und Rationalität erwachsende, Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung entstehen zu lassen und mitzugestalten."

Ein paar Zitate: "Der Absturz wird zur Routine. Seit Mitte März haben die meisten der großen Aktienbörsen der Welt zwischen einem Viertel und mehr als einem Drittel an Wert verloren. Mittlerweile braucht es wie am Mittwoch schon tägliche Kursverluste von zeitweise mehr als fünf Prozent, um das Desaster wieder präsent werden zu lassen. Und das zu Recht: Denn die Gefahr ist groß, dass die Verluste jetzt ein Niveau erreichen, das für die Realwirtschaft herbe Folgen mit sich bringt."

Und: "Noch ist schwer vorhersehbar, wohin das Börsendesaster realwirtschaftlich führen wird. Und das liegt nicht zuletzt daran, dass es in der jüngeren Geschichte zwei höchst unterschiedliche Präzedenzfälle dafür gibt: den globalen Crash von Oktober 1987, der fast ohne Folgen für das Wirtschaftswachstum blieb, und die bis heute anhaltende und weit folgenschwerere Baisse in Japan seit Anfang der 90er Jahre."

(...) "Was die heutige Lage brenzliger machen könnte als jene von 1987 ist zudem die Vermutung, dass die jüngsten Bilanzskandale bei Enron, Worldcom und anderen nur Auslöser und nicht Ursache für den Absturz der Aktienkurse war. Die Anpassung der Bewertungen an den Finanzmärkten hätte nach dem Überschwang Ende der 90er Jahre ohnehin stattfinden müssen - die jüngsten Kursstürze zeigen lediglich, dass sich der Prozess nun schneller und mithin schmerzhafter vollzieht, als es viele erhofft hatten. Darin wiederum ähnelt die heutige Lage eher jener Japans Anfang der 90er Jahre."

(...) "Die Vertrauenskrise nach den Bilanzskandalen droht dazu zu führen, dass es Unternehmen jetzt schwerer haben an Kapital zu kommen. Spätestens damit geriete der US-Aufschwung in Gefahr - und auch die Konjunkturerholung in Europa.

(...) "Noch ist der Rückfall in die Rezession nur ein mögliches Szenario. Es könnte allerdings schon in Kürze das wahrscheinlichste werden."

Noch ein paar Gedanken zum Aufbau einer alternativen Wirtschaft:
Soweit die "entwickelten" Gesellschaften überhaupt als demokratisch zu bezeichnen sind - auf jedenfall ist ein wichtiger Teil der Gesellschaft bisher nicht demokratisch organisiert: die Wirtschaft. Statt GLEICHEM Stimmrecht herrscht hier eher eine Art Zensus-Stimmrecht. In wirtschaftlichen Dingen hat der um so mehr zu bestimmen, der mehr Geld in die Waagschale werfen kann. Einen Ansatz zur Demokratisierung der Wirtschaft gab es ja mal - lang, lang ist's her: die betriebliche Mitbestimmung. Ganz früh: Die Montan- Mitbestimmung. Das sollten noch Gegenmodelle zum Sozialismus östlicher Prägung sein. Leider aber waren sie diesem ähnlicher als zugegeben. Denn auch hier hatte der kleine Arbeiter kaum Zugang zur Information über die betrieblichen Daten als einer Grundlage der innerbetrieblichen Diskussion, die wiederum grundlegende Voraussetzung für demokratische Entscheidungen wäre. Eine gewisse Mitbestimmung lag allenfalls bei der Gewerkschaftsbürokratie...

 

Peter Baumann

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