16.09.2007

Kommentar

Grüngefärbter Komödienstadl

Göttinger Sonderparteitag auf der Suche nach der Mitte der Gesellschaft

Die negativen Schlagzeilen in den Mainstream-Medien waren einkalkuliert. Die Pseudo-Grünen versuchten mit einem inszenierten Eklat ein wenig "street credibility" zurückzugewinnen. Zuletzt war es ihnen kaum mehr gelungen, bei Friedens-Demos oder Ostermärschen eigene RednerInnen unterzubringen.

Doch mit dem vermeintlich wiederentdeckten Pazifismus der Pseudo-Grünen ist es nicht weit her. Das zeigt sich beispielsweise daran, daß in dem mit 361 zu 264 siegreichen "Basis"-Antrag ein "Ja zu der militärischen Komponente" von ISAF steckt - wie Co-Vorsitzende Claudia Roth genüßlich bemerkte.

Doch dies wurde in den Mainstream-Medien nicht zur Kenntnis genommen. Da hieß es schlicht von einem "Nein der Grünen-Basis zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr", von "Debakel" und von "Schwerer Niederlage für die Parteispitze". Da wurde von einer angeblichen Rückkehr zum "Fundmentalismus" der Frühzeit, vom "Begräbnis für Joschka Fischer" und vom "Verlust der Regierungsfähigkeit" berichtet. Und dies wird die Parteistrategen fröhlich stimmen. Denn ohne solche "Schützenhilfe" wäre es wenig aussichtsreich, genügend Dumme zu finden, die den Pseudo-Grünen den Pazifismus bei der nächsten Bundestagswahl erneut abzukaufen bereit sind. Daß weiterhin zumindest die Führungsschicht innerhalb dieser Partei - inklusive Jürgen Trittin - zur Verfügung steht, um für ein Ministeramt jedem gewünschten Kriegseinsatz zuzustimmen, ist indes so sicher wie das Amen in der Kirche.

Doch vorerst geht es darum, sich das Image der Kriegspartei vom Hals zu schaffen, die 1999 dem Kosovo-Krieg und 2001 dem Afghanistan-Krieg zu größerer gesellschaftlicher Akzeptanz verhalf. Niemand analysiert dies treffender als Joseph Fischers alter Weggenosse und bekennender Anti-Pazifist Daniel Cohn-Bendit, der in einem Interview mit der 'taz' bemerkt: "Die Grünen sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen, also da, wo sie immer sein wollten." Es ist schließlich wenig bekömmlich für eine Oppositionspartei, sich zu einen Krieg zu bekennen, der von der Mehrheit der Deutschen abgelehnt wird.

Es geht also um nichts anderes als um ein klein wenig realpolitische Kurskorrektur, um politische Kosmetik. Anders als es die Mainstream-Medien darzustellen versuchen, gibt es längst keine PazifistInnen mehr in jener Partei. PazifistInnen verließen bereits anfangs der 1990er - spätestens 1999 - die ehemals grüne Partei.

Schauerlich witzig ist es zudem, wenn ausgerechnet Jürgen Trittin der Öffentlichkeit als "Parteilinker" verkauft werden soll. Trittin spielt nach wie vor seine angestammte Rolle, indem er links blinkt, einige Leute von der Parteibasis um sich schart und dann rechts abbiegt, um so möglichst viele auf Kurs zu bringen. Auf der einen Seite sprach er sich gegen den Tornado-Einsatz aus, auf der anderen warb er dann für die militärische Absicherung des angeblichen Wiederaufbaus in Afghanistan mit dem platten Slogan: "Raus aus Afghanistan hieße mehr Krieg für dieses Land." Und um eine möglichst harmlose Umsetzung des Parteitagsbeschlusses bei der kommenden Abstimmung im Bundestag bemüht, erklärte Trittin allen ernstes: "Der Beschluß des Parteitages ermöglicht ein Nein oder eine Enthaltung. Auch eine gemeinsame Enthaltung wäre durch den Parteitag gedeckt." Dennoch fabulierten die Mainstream-Medien von einer "Zerreißprobe", vor der die Partei nun stehe.

Obwohl der Sonderparteitag allein schon vom Tagungsort Göttingen her auf Trittin zugeschnitten war, vermochte dieser nicht als "Sieger aus der Schlacht" hervorgehen. Zu diffus war die Position Trittins. Es zeigt sich darin einmal mehr, daß Trittin lediglich die ihm vom engeren Führungszirkel vorgegebene Rolle zu spielen weiß, daß er aber weder über eine eigene Seilschaft in der Partei verfügt, noch in der Lage ist, Stimmungen rechtzeitig zu erkennen und sich auf diesen - wie ein Wellenreiter Lafontaine es meisterhaft versteht - nach oben tragen zu lassen.

Kabarettreif war auch eine Einlage von Reinhard Bütikofer, der treudoof erklärte, es seien "nach Angaben der Bundesregierung" keine Informationen aus den Aufklärungsflügen an den Anti-Terror-Einsatz OEF gegangen. Sprachliche Anleihen machte Bütikofer zudem beim mittelalterlich-militärischen Vokabular: Er und seine Co-Vorsitzende Claudia Roth hätten "mit offenem Visier gekämpft" - soll heißen: Sie haben - anders als sonst üblich - offen gesagt, daß sie für die Fortsetzung des ISAF-Mandats und für den Tornado-Einsatz in Afghanistan eintreten. Deutsches Militär sei daher nicht für zivile Tote verantwortlich zu machen. Und auch Claudia Roth formulierte gewohnt komödiantisch: Das Abstimmungsergebnis sei "politisch keine Ohrfeige".

Der Titel des nun mehrheitlich gefaßten Beschlusses "Militärische Eskalation ist keine Lösung" greift zudem einen der unbedarftesten Slogans auf, die in der Friedensbewegung je formuliert wurden: "Krieg ist keine Lösung". Es wird dabei suggeriert, in Afghanistan gehe es tatsächlich um Frieden, Demokratie oder Terrorbekämpfung - allein die Methode sei die falsche. Auch auf Demonstrationen der Friedensbewegung bleibt eine klare Analyse oft seltsam im Hintergrund: Sowohl in Afghanistan als auch im Irak geht es einzig und allein um die Herrschaft über die Rohstoffe Öl und Gas - sei es über die Ölquellen im Irak oder sei es über die Öl- und Erdgasressourcen in der Region des Kaspischen Meers.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Siehe auch unseren Artikel:

      Afghanistan: Raubzug ohne Rücksicht
      Mohnernte liefert neuen Drogenrekord (27.06.07)

      KriegsbefürworterInnen in grün (10.03.07)

 

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