27.03.2007

Hasankeyf
Das umweltfeindliche
Staudamm-Projekt wird fortgesetzt

Ilisu ist eine Schande für Deutschland

Die deutsche, die österreichische und die Schweizer Regierung setzen sich weiter für die Pläne von Siemens, Züblin AG und Andritz AG (Mutter-Konzern von VA Tech Hydro) ein, in der Türkei ein umweltfeindliches und menschenverachtendes Staudamm-Projekt zu realisieren. Angeblich wurde nun eine Liste mit 150 Auflagen erfüllt, mit denen Umsiedlungen, Umweltschutz und der Schutz der Kulturgüter optimal gemanagt werden sollen. Das Ilisu-Staudamm-Projekt sei nunmehr "eines der am besten überprüften Großprojekte seiner Art", so der Sprecher des Ilisu-Errichterkonsortiums und Chef der VA Tech Hydro, Alexander Schwab.

Allerdings wurde mit der türkischen Regierung vereinbart, daß die Auflagen erst nach Sicherstellung der Kredithaftung öffentlich gemacht werden. Die Kreditbürgschaften für das inzwischen 2 Milliarden Euro schwere Bauvorhaben werden von der deutschen, der österreichischen und der Schweizer Regierung übernommen - und so grünes Licht für die Flutung eines unwiederbringlichen Kulturerbes der Menschheit gegeben. Seit gestern sind die vereinbarten Auflagen der Exportkreditagenturen Österreichische Kontrollbank (OeKB), Euler-Hermes (Deutschland) und ERV (Schweiz) dennoch online abrufbar.

Ilisu ist das letzte große Staudamm-Vorhaben in der Türkei mit einer Kapazität von 1.200 Megawatt. Nicht zuletzt durch die massiven Auswirkungen auf Menschen, Umwelt sowie auf historische Stätten ist das Projekt schwer in die Kritik geraten. In einer aktuellen Stellungnahme drückten die in der Türkei gegen den Bau des Ilisu-Dammes zusammengeschlossenen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) ihre Bestürzung aus. In einer Erklärung von 72 Organisationen heißt es: "Durch den Ilisu-Damm wird die über 10.000 Jahre alte Stadt Hasankeyf am Tigris, die unter Denkmalschutz steht und von Experten zum Weltkulturerbe gezählt wird, für immer in den Fluten versenkt werden. Darüber hinaus wird der Staudamm zur Vertreibung von 55.000 Menschen führen."

Die deutsche Regierung rechtfertigt ihre Entscheidung mit dem Argument, die Türkei habe nach langen Verhandlungen nun weit strengeren ökologischen und sozialen Vorgaben zugestimmt als ursprünglich vorgesehen. Auch aus der antiken Stadt Hasankeyf sollten "viele Kulturgüter gerettet" werden. Das Projekt war schon einmal an den ungenügenden ökologischen Vorgaben, die die türkische Regierung gemacht hatte, gescheitert. Vor sechs Jahren hatte sich ein britisches Bankenkonsortium deshalb aus der Finanzierung des Projekts zurückgezogen.

Nach Darstellung des Zusammenschlusses der NGOs sind die Behauptungen der RegierungsvertreterInnen fadenscheinig: Bisher sei die Bevölkerung von 52 Dörfern und 15 Kleinstädten, die dem zukünftigen Staudamm weichen soll, in die Entscheidungsfindung überhaupt nicht einbezogen worden. Gemäß der Planung wird es vermutlich auch am Tigris - wie bei anderen Staudämmen am Euphrat - so kommen, daß die neuen Siedlungen ohne die Beteiligung der zukünftigen Bewohner irgendwo auf die Hochebene gestellt werden. Die sozialen Strukturen sowie die landwirtschaftliche Grundlage der betroffenen Bevölkerung wird dadurch weitgehend zerstört.

Namhafte WissenschaftlerInnen aus der Türkei und aus Europa wiesen in einer Stellungnahme darauf hin, daß die angeblichen Pläne, Kulturgüter "retten" zu wollen nicht ernst zunehmen seien. Wenn behauptet werde, "wichtige Kulturschätze" im antiken Hasankeyf würden abgebaut und in einem "Kulturpark" wieder aufgebaut, gehe dies an der Realität vorbei. Ein solches Vorhaben sei technisch nicht möglich, da die Bauwerke im Inneren aus Bindemitteln und nicht aus Steinen bestünden. Sie könnten daher nicht transportiert werden. "Wie will man beispielsweise Teile der Felsenburg, die vom Wasser überflutet werden soll, retten? Wie will man die einzigartigen 6000 Höhlen versetzen?" Abgesehen davon würden in der Umgebung von Hasankeyf weitere 300 archäologische Stätten überflutet. Nur bei vierzehn dieser Fundorte habe man bisher überhaupt mit den Ausgrabungen beginnen können.

Die Hasakeyf-Initiative sieht in den Entscheidungen der Regierungen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz "einen ungeheuerlichen Akt der Vernichtung eines unersetzlichen Weltkulturerbes, da einzigartige Dokumente der Menschheitsgeschichte für immer zerstört werden".

Auch die Weltstaudammkommission (World Commission on Dams, WCD) kritisiert in einer Stellungnahme, daß mit den angeblichen Verbesserungen in der Umweltverträglichkeitsprüfung und im Umsiedlungsplan die ökologischen und sozialen Empfehlungen und Standards wiederum nicht eingehalten worden seien.

Heike Drillisch von der Umwelt- und Entwicklungsorganisation 'Weed' sagte: "Die Bundesregierung opfert Menschen, Kultur und Umwelt, um einigen Unternehmen Gewinne zu ermöglichen. Die Pro-Ilisu-Entscheidung ist eine Schande für Deutschland."

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Hasankeyf weiter bedroht
      Ilisu-Staudamm-Projekt wird vorangetrieben (24.09.05)

      Ilisu-Staudamm-Projekt fortgesetzt
      (20.05.05)

      Siemens bedroht Hasankeyf (12.11.04)

      Wasser und Weltbank (13.07.03)

      Explosivstoff Wasser (4.02.01)

      HASANKEYF - Staudammprojekt des Wahnsinns (5.11.2000)

 

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