25.03.2001

Rede von Birgit Huneke
Auftakt-Demo in Lüneburg am 24.03.01

Die Sonne
ist unser Symbol

Die Sonne ist unser Symbol - mal mit mal ohne geballte Faust. Ein Symbol gegen eine menschenverachtende Technologie, für eine andere Energiepolitik, für das Leben, für das Lachen, für weitere Generationen.

In einem Monat jährt sich zum 15. Mal das Reaktorunglück von Tschernobyl. Auch wenn wir alle die Spuren dieser Katastrophe in uns tragen- viel zu oft gerät uns dieser Tag aus dem Blickfeld. Für die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft scheint dieser Tag ohnehin ad acta gelegt zu sein - ein kleiner häßlicher Betriebsunfall.

Es fällt mir schwer, an dieser Stelle einfach weiterzumachen. Ich finde aber sofort einen Einstieg, wenn ich hinter meiner Betroffenheit die Wut spüre. Wut über diese unglaubliche Ignoranz, Wut über die Härte und Unverfrorenheit mit der das Grundrecht auf Leben außer Kraft gesetzt wird, Wut über das, was uns die Regierung als “Konsens“ oder als “Ausstieg“ verkaufen will. Ein Deal bei dem es um nichts anderes geht, als um Geld und um Macht. Dieser Atomkonsens hält die deutschen AKWs 30 - 40 Jahre am Netz und die Wiederaufarbeitung bis 2018 am Laufen! - Die Atommüll- mengen werden sich noch einmal verdoppeln. Das soll der Atomausstieg sein? - Die Betreiber dürfen in Zukunft auch die Sicherheitsüberprüfungen selbst durchführen. Die EVUs werden bei den Sicherheitsstandards im Gesetzgebungs- verfahren beteiligt. Das ist kein Ausstieg, das ist der Traum eines jeden Industriellen und eine Riesensauerei. -Transporte aus La Hague bedeuten Transporte nach La Hague und mit jedem Castor der Gorleben erreicht, wird der Standort Gorleben weiter zementiert. Ich sage Euch: MEIN Konsens ist das nicht!

Die Politiker halten uns scheinbar für politisch unterbelichtet. Sie haben sich wirklich getraut uns das aufzutischen und sie haben die Frechheit uns diesen Transport als moralisch und notwendig zu verkaufen. Weil es angeblich “unser“ Müll ist, der da zurückkommt. UNSER Müll? Haben WIR, habt IHR diesen saugefährlichen Müll produziert? Wessen Profit ist es, der mit dem Betrieb von Atomkraftwerken und der Wiederaufarbeitung gemacht wird? Uns ausgerechnet uns will man anläßlich dieses Transportes fehlende moralische Verantwortung vorwerfen. Es ist nicht zu fassen. Wer fordert denn seit 30 Jahren den Ausstieg, wer hat sich ungewollt aber kompetent in diese Materie eingearbeitet, wer hat - sogar manchmal auf Wunsch von Politikern- den politischen Druck auf die Straße getragen?
Das war die Anti-AKW-Bewegung, das waren wir! Und jetzt soll alles anders sein? Jetzt sollen wir bei diesem Transport, weil politisch reiner und moralischer, stillhalten? Jetzt soll im Interesse der Nuklearindustrie ein weiteres Mal die Menschenwürde und das Grundrecht auf freie Meinungs- äußerung auf der Strecke bleiben? Es ist der gleiche lebensbedrohliche Müll. Müll von privaten Industrie- unternehmen, die für ihren Profit über Leichen gehen. Für diese Gangster sollen wir die Straße räumen? Ich nicht! Niemals!

Ich weiß, der Vergleich hinkt. Aber ich bringe ihn trotzdem. Wenn in dieser Republik jemand eine Frittenbude aufmacht, dann bekommt er seine Betriebserlaubnis nur dann, wenn er nachweisen kann, was er mit seinem alten Frittierfett macht. Für die mächtigste aller Industrien, für die Atomindustrie, gilt das offenbar nicht. Sie produziert den giftigsten Müll, der überhaupt vorstellbar ist. Und weder sie noch die Regierung hat auch nur die leiseste Ahnung, wo er halbwegs sicher untergebracht werden kann. Was passiert? Haut die Regierung den Stromerzeugern auf die Finger? Wird diese tödliche Frittenbude sofort zugemacht? Rückt die Polizei an, riegelt alles ab und stellt den Laden unter Quarantäne? Nein, im Gegenteil: Die Regierung vergibt eine Garantie für den geregelten Weiterbetrieb und freut sich über das gute Verhandlungsergebnis. Der vielbeschworene Ausstieg: unter der Hand eine regierungsamtliche Bestandgarantie für die AKWs. Ich frage mich: Wer hat denn in diesem Land eigentlich das Sagen?!

Die Mehrheit für Rot/Grün bei der Bundestagswahl 1998 war ein Wählerauftrag zum Atomausstieg. Die Menschen hatten somit ihre Wahl getroffen und der gewählten Regierung nicht nur die Möglichkeit zum Atomausstieg gegeben, sie hat mit ihrem Votum den Atomausstieg vielmehr zwingend vorgeschrieben. Da gibt es keine “Wahl“ oder “Möglichkeit“ für die Regierungsparteien. Da heißt es das Umsetzen, was die Mehrheit im Lande will. Und wenn eine Regierung aufgrund von massiven wirtschaftlichen Interessen dazu nicht in der Lage ist, zeigt das nur, dass in diesem demokratischen Rechtsstaat etwas grundlegendes nicht stimmt. Wenn Rechtsstaatlichkeit und Demokratie zugunsten einzelner Wirtschaftszweige zurechtgebogen werden, dann gehört das - verdammt noch mal geändert.

Laßt uns was ändern! Laßt es uns heute und in den nächsten Tagen tun. Ihr seid alle da, ihr habt euch nicht abschrecken lassen von all den Verboten, Diffamierungen und Schikanen mit denen wir als Atomkraftgegner wieder einmal belegt worden sind. Wir sind da, wir sind viele und an uns kommt weiterhin keiner vorbei. Wer immer sich für einen raschen Atomausstieg einsetzt, ist hier an der richtigen Stelle. Wir werden weiterhin der Sand im Getriebe sei. Ruhe im Wendland und an allen anderen Atom-Standorten darf und kann es nur geben, wenn die Weichen für eine andere Energiepolitik tatsächlich gestellt sind.

Wir haben ein klares Ziel und dieses Ziel heißt nach wie vor: Stopp aller Atomanlagen - Ausstieg aus der Atomenergie sofort und weltweit. Unser Konsens - heißt Widerstand! Ich lasse mir das demonstrieren nicht verbieten, weder heute, noch morgen, noch in Zukunft.
Paßt auf euch auf!

 

Birgit Huneke

 

neuronales Netzwerk