11.03.2003

Der Irak-Konflikt
vor der Entscheidung

Es wird ernst

Von dem, was sich zur Zeit in New York am Amtssitz der Vereinten Nationen abspielt, kann man nicht überrascht sein. Die Voraussetzungen für für die UNO (ebenso wie für die NATO) in ihrer bisherigen Form waren seit 1989/90 nicht mehr gegeben, und auch wenn es bisweilen etwas dauert, bis sich die juristische Situation der realen anpaßt, früher oder später kommt es doch. Da niemand mehr da ist, der dem Unilateralismus der USA ernsthaft widerstehen könnte, versuchen sie auch, ihn irreversibel zu machen. Während die USA aber zu Zeiten Clintons mit Rücksicht auf vergleichbare historische Erfahrungen eher den Weg der "Führung statt Beherrschung" (so Clinton noch unlängst im Nachrichtenmagazin Focus/Ausgabe 52/2002) wählten, um ihre Kräfte nicht zu überdehnen, gehen George W. Bush und seine Administration den Weg der vollendeten Tatsachen, auch in der nicht unbegründeten Erwartung, daß letztlich nichts erfolgreicher ist als der Erfolg selbst und daß sie, indem sie Fakten schaffen, die anderen zum Mitziehen zwingen bzw. motivieren können. Die Haltung der Regierungen in Großbritannien, Spanien, Osteuropa, aber auch z.B. der CDU/CSU-Opposition, gibt ihnen recht. Wer die offizielle Ideologie der Herrschaft des Völkerrechts über die Gewalt und andere schöne Dinge wirklich ernst genommen hatte, hatte übersehen, daß die Grundlage für diesen "Vorrang" eben in einem bestimmten globalen Machtverhältnis lag. Carl Schmitt läßt grüßen, Lenin aber auch.

Bush und Powell wollen jetzt die Karten sehen. UNO-Auguren prophezeien, daß die USA, GB und Spanien bereits am Dienstag ihre neue Resolution, die sie eingebracht haben, zur Abstimmung bringen werden. Dies ist übrigens keineswegs ein Zugeständnis an den Sicherheitsrat, sondern mehr an Tony Blair, dessen Regierung ernstlich wackelt. Für den Fall, daß sich Großbritannien ohne UNO-Mandat an einer Militäraktion beteiligen würde, haben bereits mehrere Mitglieder des Labour-Kabinetts ihren Rücktritt angedroht. Blair droht eine Partei-Revolution.

Der Ausgang der Abstimmung wird jedoch wenig ändern am weiteren Ablauf der Ereignisse, das hat Bush erfreulich deutlich ausgesprochen. Manche hoffen noch, daß Saddam Hussein im letzten Augenblick doch noch mit seiner Entourage den Weg ins Exil wählen und damit das Schlimmste abwenden würde. Nordkorea soll sich angeboten haben. Doch das ist unwahrscheinlich. 200 Menschen aus Arabien auf Dauer im koreanischen Exil? Und dann? Zögen die US-Truppen einfach wieder ab? Es spricht alles dafür, daß auch in diesem Falle die USA in den Irak hineingehen und dort Remedour machen würden. Es geht nämlich nur ganz begrenzt um den ärgerlichen Wüstendiktator, sondern um nicht mehr und nicht weniger als die Neuordnung der Welt. Dabei ist der Irak nur ein Schritt. Über die Bedeutung des Irak ist bereits viel geschrieben worden, doch danach geht es weiter, vielleicht, das wäre ja schon viel, ohne Kampf.

Mehr spricht dafür, daß Peter Scholl-Latour recht hat, der behauptet hatte, Saddam habe sich mit seinem (auch physischen) Ende abgefunden und bereite sich nur noch einen "guten" Abgang. So sieht es aus. Wir werden es sehr bald wissen. An der zukünftigem Bedeutung der UNO ändert das alles nichts, sie ist politisch entkernt, im Grunde nur noch eine Art US-Surround-System. So wollen es Bush und die Seinen auch haben.

Welche militärischen Dinge sich nach dem Angriff abspielen werden, muß spekulativ bleiben. Es werden zur Zeit viele Sandkastenspiele durchgeführt, aber es gibt auch sehr viel Desinformation. Alles spricht allerdings dafür, daß die USA ein großes Interesse daran haben, den Krieg möglichst kurz zu halten, um eine gefährliche Internationalisierung zu verhindern, die die Lage verkomplizieren würde. Deshalb wird kein Monat mit Bombardements vergehen, sondern schnell und hart zugeschlagen, entweder getestet, ob die irakischen Streitkräfte kämpfen würden und - falls ja - mit den härtesten Mitteln eliminiert würde. Denn im Schatten des Hauptkonflikts bahnt sich bereits eine neue "Nordfront" an, einerseits zwischen Saddam-Truppen und den kurdischen Peschmergas, andererseits zwischen diesen und den Türken, die heute kaum auf Özals Linie, eine kurdischen Autonomie "gelassen" hinzunehmen, liegen (gemeint ist natürlich immer die offizielle Türkei). Außerdem zwischen dem Iran, der Türkei und Kurdistan/Irak; auch eine Wiederaufnahme des Kampfes durch die türkisch-kurdische PKK ist ganz und gar nicht ausgeschlossen.

Gefährlicher ist aber noch ein anderes Problem. Einige Hinweise deuten darauf hin, daß Israel nur darauf wartet, die Situation in den besetzten Gebieten zu eskalieren um im Schatten eines Irak-Krieges ebenfalls klare Verhältnisse zu schaffen. Ein wichtiger Hamas-Fürhrer wurde jetzt ermordet, 70.000 Palästinenser nahmen an seinem Begräbnis teil, ein Hamas-Sprecher kündigte härtere Methoden an; jetzt sollen die Anschläge ausgeweitet und auch israelische Politiker ins Visier gefaßt werden. Solche Szenarien sind in der Regel das Vorspiel zum Krieg.

Es wäre, wie es Teile der linksliberalen Öffentlichkeit immer noch tun, völlig falsch, diese Strategie der Dummheit durchgeknallter Cowboys zuzuschreiben. Es handelt sich um eine wohldurchdachte Strategie. Sie wird scheitern.
Aber um welchen Preis?

 

Charly Kneffel

 

 

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