22.04.2003

Atom-Ausstieg ist möglich
- in Japan 17 AKWs abgeschaltet

Eine Meldung der Agentur AFP vom 16.04.03 wurde hierzulande von den meisten Medien ignoriert: In Japan wurden in einem Zeitraum von nur einem dreiviertel Jahr 17 AKWs abgeschaltet. (In Deutschland werden insgesamt 19 AKWs betrieben.) Dies wurde in Folge eines Skandals möglich, über den in Deutschland auch kaum berichtet wurde.

Der größte japanische Strom-Konzern TEPCO beliefert im Großraum Tokio etwa 20 Millionen Menschen mit Strom. Das Unternehmen hatte Ende der 80er-Jahre und Anfang der 90er-Jahre die Sicherheits-Dossiers seiner Reaktoren systematisch gefälscht, was erst durch die Enthüllungen eines Prüf-Ingenieurs ans Licht der Öffentlichkeit kam. Risse in Rohrleitungen und Reaktor-Druckbehältern sollten vertuscht werden - Zustände wie in Deutschland.

Nicht ganz, denn wie auch bei den gefälschten Zertifikaten aus Sellafield, die sowohl nach Japan als auch nach Deutschland gegangen waren, wurden in Japan - anders als in Deutschland - Konsequenzen gezogen. Japan stornierte die Verträge mit Sellafield, Trittin ging auf Tauchstation.

Die japanischen Reaktoren ohne gültige Sicherheits-Dossiers mußten entsprechend den rechtlichen Vorgaben vom Netz genommen werden. In Japan scheint der Rechtstaat zumindest soweit noch zu funktionieren. Am Dienstag, 15. April, mußte das AKW Fukushima als letztes der 17 AKWs von TEPCO abgeschaltet werden. Zwar sind in Japan noch weitere 35 AKWs in Betrieb und es heißt, bis zum Sommer 2003 sollen einige der abgeschalteten AKWs wieder hochgefahren werden. Das Beispiel zeigt jedoch, daß auch in Deutschland ein Atom-Ausstieg möglich und nur politisch nicht gewollt ist. In Japan mag allerdings neben ein bißchen mehr Achtung vor dem Recht eine entscheidende Rolle gespielt haben, daß mit der Atom-Katastrophe 1999 in Tokaimura das Bewußtsein der Gefahren der sogenannten friedlichen Nutzung der Atomenergie wacher geblieben ist als in Europa.

Seit der Atom-Katastrophe von Tschernobyl 1986 wird in Europa die "stille Katastrophe" (Holger Strohm) der permanenten Beinahe-Havarien, der permanenten radioaktiven Verseuchung von Ärmelkanal und Irischer See durch die WAAs in Sellafield und La Hague oder auch die erhöhte Leukämierate bei Kleinkindern durch den "Normalbetrieb" der AKWs von der mehrheitlich in Deutschland und in den meisten europäischen Ländern gegen Atomenergie eingestellten Bevölkerung mit Ausnahme gelegentlicher Protestaktionen hingenommen. Medien und Politik suggerieren das Phantom eines "rot-grünen" Atomausstiegs und eine Wende hin zu erneuerbaren Energien. Die Tatsachen sprechen eine andere Sprache: Deutschland ist nicht etwa "Vorreiter", sondern hinkt in vielerlei Hinsicht im europäischen Vergleich hinterher. Nach langer Stagnation steigt der Stromverbrauch in Deutschland wieder und - statt wie versprochen weiter zu sinken - steigt seit 1999 der Ausstoß von Kohlendioxid. (siehe auch unseren Artikel 'klimapolitische Geisterfahrer')

Japan hingegen ist weltweit der größte Produzent von Photovoltaik-Anlagen. Seit 1996 hat das Land der aufgehenden Sonne ein 70.000-Solardächer-Programm realisiert. Dessen ungeachtet mault die japanische Atom-Mafia, die vorerst nur eine Schlacht, aber noch nicht den Krieg um die Energieherrschaft verloren hat, daß es nächsten Sommer in Japan zu einem Strom-Mangel kommen werde: dieser "akute" Strom-Mangel sei zu "befürchten", weil in den trockenen und heißen japanischen Sommern die Klimaanlagen den Stromverbrauch nach oben schnellen ließen...

 

Harry Weber

 

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