8.07.2003

Artikel

Drei Geschwistern
droht Abschiebung in die Türkei

Ettenheim

Seit beinahe zehn Jahren leben die drei Geschwister kurdischer Abstammung in Ettenheim. Die heute 21-jährige junge Frau und ihre beiden 11 und 15 Jahre alten Brüder kamen im September 1993 nach Deutschland und wurden bei Familienangehörigen in Ettenheim untergebracht. Ein noch im selben Monat gestellter Antrag auf Asyl wurde fünf Jahre darauf, 1998, abgewiesen - die Kinder mußten jedoch als Minderjährige entsprechend der Genfer Konvention von den Behörden "geduldet" werden.

Doch die Behörden gaben keine Ruhe und investierten Geld und Zeit. Tatsächlich wurde nun anscheinend gerichtsverwertbares Material gefunden, das dem Regierungspräsidium Freiburg einen Vorwand liefert, die drei jungen Menschen aus ihrer gewohnten Umgebung herauszureißen und in die Türkei abschieben zu können. Laut Aussage des Pressensprechers des Regierungspräsidiums Albert Schelb, hätten Ermittlungen in der Türkei ergeben, daß der Vater der Drei nicht - wie im Asylantrag vor 10 Jahren angegeben - im Gefängnis sei. Zudem wurde auch über die Presse die Behauptung verbreitet, die Mutter der drei Geschwister sei - ebenfalls entgegen den Angaben des Asylantrags - nicht vor, sondern erst "10 Tage nachdem die Kinder ihren Asylantrag gestellt" hätten gestorben.

Nun ist jedoch allgemein bekannt, daß Kurden in der Türkei kaum jemals Entlassungspapiere erhalten, wenn sie denn aus den Gefängnissen freikamen, in denen sie nicht selten ohne Gerichtsverfahren festgehalten worden waren. Und über den Todeszeitpunkt der Mutter liegen - wie der 'Asylkreis Ettenheim' bestätigt - Dokumente vor, die den Wahrheitsgehalt des Asylantrags von 1993 beweisen. Völlig absurd erscheint die Argumentation des Regierungspräsidiums zumal, wenn das damalige Alter der Kinder betrachtet wird: Ein Jahr, fünf Jahre und elf Jahre waren die Kinder zum Zeitpunkt als "ihr" Asylantrag gestellt wurde, aus dem ihnen nunmehr ein Strick gedreht werden soll.

Von Seiten des Regierungspräsidiums wird argumentiert, den Dreien sei "zuzumuten", künftig bei ihrem biologischen Vater, der ihnen inzwischen ein völlig Unbekannter sein muß, zu leben. Daß sie mit Schule, Ausbildung, Freundeskreis in Ettenheim integriert seien, stünde dem "nicht entgegen". SchülerInnen der Ettenheimer Schulen haben bereits zusammen mit dem 'Asylkreis Ettenheim' eine Petition an den Landtag verfaßt, dem mit einer gleichzeitig vorbereiteten Unterschriftensammlung Nachdruck verliehen werden soll. Vielen wird angesichts des skandalösen Vorgehens des Regierungspräsidiums bewußt, welche Auswirkungen es hat, daß das aus der Erfahrung der Vertreibung durch die Nazis ins Grundgesetz hineingeschriebene Asylrecht von der Kohl-Regierung mit Zustimmung der SPD im Mai 1993 zerstört1 wurde. Auch Ettenheims Bürgermeister Bruno Metz bezeichnet die angedrohte Abschiebung immerhin als "schwierig".

 

Klaus Schramm

 

Anmerkung:

1 Siehe auch unseren Artikel:
          Sind sie darauf stolz, Herr Schily?

 

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