4.04.2003

Rezension

Wer ermordete Martin Luther King?

Die US-Regierung?
Heute vor 35 Jahren
wurde Martin Luther King ermordet

Organisierten CIA, FBI und die Mafia den Schuß auf den Bürgerrechtler? Ein Rechtsanwalt legt neue, glaubwürdige Beweise vor.
Titelansicht des Buchs

Martin Luther King starb am 4. April 1968 durch den Schuß eines Präzisions- gewehrs. James Earl Ray wurde als sein Mörder ins Gefängnis gesteckt, ohne daß ihn ein Gericht je öffentlich verurteilte. Beweise für seine Unschuld wurden unterschlagen oder gefälscht. Sagt William F. Pepper, Rechtsanwalt und Journalist, in dem brandaktuellen Buch "Die Hinrichtung des Martin Luther King".

Peppers Reportagen über den Vietnam-Krieg hatten King überzeugt, daß die Unterdrückung der amerikanischen Schwarzen, die Armut in den USA und der Tod von US-Soldaten in dem asiatischen Land keine Einzelphänomene waren, sondern - um ein modernes Wort zu gebrauchen - "Staatsterrorismus". Seine Reden darüber und sein Plan, Hunderttausende von Armen zu einer Demonstration nach Washington zu rufen, machte den charismatischen schwarzen Bürgerrechtler gefährlich für die Herrschenden. Sie beschlossen seine Beseitigung und suchten sich gleichzeitig einen Sündenbock: James Earl Ray.

William F. Pepper recherchierte 20 Jahre lang, um die Wahrheit über den Tod Kings herauszufinden, erst als Verteidiger von Ray und - als ein Prozeß über seine Unschuld abgelehnt wurde - als Anwalt der Familie King um Schadenersatz gegen einen von der Staatsmacht eingeschüchterten Zeugen. Diesen Prozeß gewann er. Vor einem ordentlichen amerikanischen Gericht. Mit Beweisen dafür, daß CIA und FBI die Ermordung Martin Luther Kings geplant hatten.

Diese Beweise legt Pepper in "Die Hinrichtung des Martin Luther King" vor. Detailliert schildert er seine Suche nach der Wahrheit, die Hindernisse, die ihm staatliche Stellen in den Weg legten, und den Prozeß, in dem er seine Beweise endlich der Öffentlichkeit präsentieren konnte. Daß die amerikanische Öffentlichkeit sie nicht zur Kenntnis nahm, kein Aufschrei durchs Land ging, lastet Pepper den, seiner Meinung nach, vom US-Staat und den Wirtschaftsmächten gegängelten Medien an.

Nur in der Einleitung und im Schlußkapitel wird Pepper polemisch und beschuldigt die USA der schlimmste "Staatsterrorist" der Welt zu sein, weit gefährlicher als die Diktatoren auf der "Achse des Bösen" von Saddam Hussein über Iran bis Nordkorea. Aber: Selbst wenn man als Leser Peppers Anschuldigungen gegen die US-Regierung nicht folgen will, weil sie aus der Sicht eines Europäers "Antiamerikanismus" in Reinkultur sind, selbst dann sind die Beweise für die "Hinrichtung" Kings überzeugend: Fotos vom Tatort, die vorher in keinem Prozeß gezeigt wurden, die Veränderung des Tatorts gleich nach der Ermordung - die Hecke, aus der heraus der Täter schoß, wurde beseitigt -, die Einschüchterung von Zeugen, die Verbindung des wichtigsten Zeugen mit der Mafia, den Rückzug der staatlichen Schutzkräfte vor der Ermordung, die Anwesenheit von staatlichen Scharfschützen zur Zeit des Mordes, die Verwicklungen von CIA, FBI, NSA und anderen staatlichen Geheimorganisationen - das alles verursacht kälteren Thrill als jeder Stephen-King-Roman. Allerdings: So spannend ist es nicht. Man muß schon sehr an Martin Luther King und seiner Bürgerrechtsbewegung interessiert oder ein Anhänger von Verschwörungstheorien sein, um das Buch ordentlich, Seite für Seite, zu lesen und sehr antiamerikanisch eingestellt, um Peppers Polemik gegen die USA für fair zu halten. Trotzdem: Lohnend ist "Die Hinrichtung des Martin Luther King" auf jeden Fall - und sei es nur, um auch diese Ansicht kennen zu lernen und sich eine eigene Meinung über den "Staatsterrorist" USA zu bilden.

William F. Pepper: "Die Hinrichtung des Martin Luther King", Verlag Diederichs,
22 €, ISBN 3-7205-2405-1

 

Anne von Blomberg

 

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