7.04.2008

Artikel

Deutsche Hilfe für Libyen privat?

Zu viele Zufälle

In den vergangenen Tagen wurde berichtet, daß deutsche Polizisten "privat" libysches Sicherheitspersonal ausbildeten. Dies erinnert an frühere deutsche Hilfsdienste wie etwa die Lieferung einer Giftgasfabrik.

Polizeibeamte, vermutlich auch GSG-9-, SEK- und Bundeswehr-Angehörige, aus mehreren deutschen Bundesländern haben mit Wissen des deutschen Geheimdienstes BND geholfen, den Unterdrückungsapparat des libyschen Diktators Muammar al Gaddafi1 mit deutschen Know-how auszustatten. Die Aufregung im deutschen Blätterwald muß als heuchlerisch erscheinen, da in denselben Medien Informationen über die Funktion Libyens als Wachposten der "Festung Europa" und über dessen Auftrag, Flüchtlinge aus Afrika von Europa fernzuhalten, unterdrückt werden.

Mittlerweile darf als gesichert gelten, daß der BND durch Agenten in Libyen über die Aktivitäten der deutschen "Privatausbilder" informiert war. Es ist daher kaum glaubwürdig, daß die deutsche Bundesregierung nicht informiert gewesen wäre. Wenn der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Jäger, betont, die Deutsche Botschaft in Tripolis habe die Aktivitäten der Deutschen "in keiner Weise unterstützt", ist dies keineswegs ein Dementi. Bekannt ist ebenfalls, daß der BND bereits Ende der 1970er Jahre Ausbildungshilfe für Libyen leistete.

In Ländern wie Libyen wissen die Botschaften, wenn sich Staatsbürger der eigenen Nationalität im Land befinden, wo sie sich befinden und was sie dort tun. Es existieren sogenannte Evakuierungslisten, in denen auch Anschriften und Rufnummern notiert sind. Der BND, das Bundeskanzleramt und alle übrigen Beteiligten werden stets nur soviel zugeben, wie ohnehin bekannt ist.

Im Juni 2005 gab die Europäische Union den Startschuß für eine Zusammenarbeit mit Libyen bei der Flüchtlingspolitik - im Klartext: bei der Flüchtlingsabwehr-Politik. Die Innenminister der 25 EU-Staaten hatten sich in Luxemburg auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt. Der Beschluß sah einen Dialog mit der Regierung in Tripolis vor, um zu einer "konkreten Kooperation" in "Einwanderungsfragen" zu kommen. Bei einem Besuch wurden konkrete Schritte vereinbart und ein Aktionsplan verabschiedet.

Mittlerweile ist auch bekannt, daß die EU Libyens Grenzpolizisten ausbildet. Diese sollen bereits im Hinterland afrikanische Flüchtlinge abfangen. Italien hatte Libyen schon mit Radargeräten, Helikoptern, Booten und Jeeps zur Grenzüberwachung ausgestattet. Welche Art von "Auffanglagern" in Libyen eingerichtet wurden, zeigte ein vielsagender Versprecher des damaligen Kandidaten für das Amt des Justizkommissars in der EU-Kommission, Rocco Buttiglione. Der damalige italienische Kultusminister sprach im Herbst 2004 vor dem Europaparlament von "Konzentrationslagern" in Nordafrika. Auch der damalige deutsche Bundesinnenminister Otto Schily hatte im Sommer 2004 die Debatte über Auffanglager in Nordafrika aufgegriffen und einen Vorstoß der Briten vorangetrieben.

1978 war der ehemalige deutsche Fallschirmjäger-Major Hans Dieter Raethgen im Auftrag des BND in Libyen. Mit ihm zusammen waren mindestens 13 Deutsche als Ausbilder in Libyen tätig. Deren Aufgabe war die Schießausbildung für die Leibgarde Muammar al Gaddafis und dessen engster Entourage. Ausgebildet wurden zunächst libysche Offiziere und Unteroffiziere, später auch Mannschaften mit bis zu 400 Personen gleichzeitig. Raethjen bestätigte diese Informationen selbst gegenüber dem Kölner Journalisten Peter F. Müller (vgl. Peter F. Müller/Michael Müller: "Gegen Freund und Feind - Der BND: Geheime Politik und schmutzige Geschäfte", rowohlt, 2002).

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

1 Siehe auch unsere Artikel:

      Zwei Irre und die A-Bombe
      Sarkozy offeriert Gaddafi AKW als Eintritt in den Club (27.07.07)

      Europa, schäme dich!
      Flüchtlingselend im Mittelmeer (28.05.07)

      Tag des Flüchtlings 2004:
      Europa macht dicht! (30.09.04)

      Die Wandlungen des Obersten Gaddafi
      Libyen will respektabel werden (27.12.03)

 

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