25.08.2004

Montags-Demos
weiten sich aus

In mehr als 160 Städten gingen über 130.000 Menschen gegen Sozialabbau auf die Straße

Auch wenn die Massenmedien es anders darstellten: Es waren keineswegs weniger Menschen als vor Wochenfrist, die am Montag abend gegen die von der Bundesregierung betriebene dreiste Umverteilung von unten nach oben auf die Straße gingen. In rund 160 Städten gab es Demonstrationen, an denen sich nach ATTAC-Angaben mindestens 130.000 Menschen beteiligten. Denn während in großen Städten wie Berlin, Leipzig und Magdeburg die Teilnehmerzahl zurückgegangen war, erhöhte sie sich in vielen kleineren Orten, insbesondere in Westdeutschland.

Im anhaltinischen Schönebeck demonstrierten mehr als 5.000 Menschen. In Berlin brachte der Unmut über den Sozialabbau gut 20.000 Menschen auf die Straße, obwohl sich die Veranstalter der vorletzten Montagsdemonstration in der Hauptstadt zerstritten hatten. Das breite Bündnis "Weg mit Hartz IV" hatte zur Kundgebung vor dem Roten Rathaus aufgerufen, von wo die Demonstration durch Berlins Mitte zur Parteizentrale von "Bündnis 90/Die Grünen" ging. An dieser Demonstration beteiligten sich nach Angaben der Veranstalter gut 15.000 Menschen. Das Bündnis "Montags gegen 2010" versammelte sich auf dem Alexanderplatz und zog von dort mit etwa 5.000 Demonstranten zur SPD-Zentrale. Anders als bei der letzten Montagsdemonstration waren diesmal vor dem Roten Rathaus die Fahnen aller Einzelgewerkschaften zu sehen. Große Medienaufmerksamkeit zog der Berliner PDS-Landes- und Fraktionschef Stefan Liebich auf sich, der sich ebenfalls eingefunden hatte. Gegenüber der linken Tageszeitung 'junge Welt' erklärte er, 'Hartz IV' sei nicht von der PDS beschlossen worden, sondern werde von ihr abgelehnt. "Wir sind nicht verantwortlich für diese Politik, die von der Bundesregierung beschlossen wurde. Ich stehe hier im Interesse der Betroffenen."

In Magdeburg, wo nach Polizeiangaben 8.000 Menschen gegen "Hartz IV" demonstrierten, hatten sich erneut Neonazis unter die Protestierenden gemischt. Antifaschisten werfen der Polizei vor, den Rechten den Weg freigemacht und Gegner der Rechten behindert und von der Demonstration ausgeschlossen zu haben. Dem Anmelder der Magdeburger Montagsdemo, Andreas Ehrholdt, machen sie zum Vorwurf, sich nicht von rechten Demonstranten abzugrenzen. Auch in Chemnitz, wo rund 4.000 Menschen auf der Straße waren, sollen die Rechten massiv präsent gewesen sein.

In Rostock kamen rund 5.500 Menschen zur Demonstration gegen Sozialkahlschlag, in der Hansestadt Stralsund waren es fast 3.000, wobei hier eine starke Präsenz der NPD zu beobachten war. In der mecklenburgischen Landeshauptstadt Schwerin demonstrierten rund 2.000 Menschen gegen "Hartz IV". Im thüringischen Nordhausen waren zum zweiten Mal mehr als 2.000 Menschen auf der Straße. Bekanntester Redner des Abends war hier der DGB-Landesvorsitzende Frank Spieth.

Erstaunlich große Resonanz erfuhren die Demonstrationsaufrufe auch in Baden-Württemberg. Die größte Montagsdemonstration kam hier in Offenburg zustande, wo sich nach Polizeiangaben 900 bis 1000 Menschen in der Innenstadt versammelt hatten. Nach einem vorläufigen Überblick gab es außerdem Demonstrationen in Mannheim, Stuttgart, Freiburg, Tübingen, Heilbronn, Ulm, Heidelberg und in Villingen-Schwenningen. Auch in Aachen gingen rund 400 Menschen gegen Sozialabbau auf die Straße.

In Kassel demonstrierten etwa 1.000 Menschen. In Köln gab es vor der Montagsdemonstration eine Aktion des Wahlbündnisses "gemeinsam gegen Sozialraub". Rund 40 Aktivisten stürmten die Agentur für Arbeit, die sie feierlich in "Agentur für Armut" umbenannten. In Saarbrücken hatten sich nach Schätzung von ATTAC rund 1.200 Menschen an der zweiten Montagsdemo beteiligt. In München verdoppelte sich die Zahl der Demonstranten auf rund 750.

 

Andreas Arnold
Nick Brauns
Andrej Hunko
Till Meyer
Klaus Schramm

www.jungewelt.de

 

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