31.05.2004

Artikel

Naturschutztag
weicht Konflikten aus

Wie sehr der offizielle Naturschutz inzwischen von "Rot-Grün" instrumentalisiert wird, zeigte sich gleich zu Beginn des 27. Deutschen Naturschutztages, der vom 24. bis 28. Mai unter dem Angesichts fortschreitender Umweltzerstörung und ungebremstem Artensterben belanglosem Motto "Neue Horizonte - Zukunftsaufgabe Naturschutz" in Potsdam stattfand. Bundes-"Umwelt"-Minister Trittin, dessen Ignoranz gegenüber der Rotbauchunke schon sprichwörtlich ist, bekam Gelegenheit, "Rot-Grün" und "Kollegin Künast" als wackere Kämpen in der Abwehr der Agro-Gentechnik darzustellen. Einmal mehr wurde das in Scheingefechten im Bundesrat blockierte Gentechnikgesetz als Schutz für die Natur propagiert, während es tatsächlich gerade im Gegenteil eine Türöffner-Funktion erfüllt1.

Auch die Vorsitzende des BUND, Angelika Zahrnt spielte eine traurige Rolle. Statt die ihr bekannten Fakten über die längst aus Argentinien, den USA und Kanada bekannten Folgen einer "Koexistenz" mit dem Anbau von Gen-Pflanzen auch nur anzudeuten, spielten sie und Trittin sich die Bälle zu, um das Publikum über die tatsächlich verheerenden Wirkungen dieser "Umwelt"-Politik hinwegzutäuschen. Vor dem Hintergrund sich seit 1992 hinziehender Ausweisungen und - da ungenügend - angeforderter Nachmeldung bei den FFH-Gebieten, meinte Frau Zahnrt, "Brüssel" als Buhmann hinstellen und verstärkte Gesetzgebungskompetenzen auf nationaler Ebene fordern zu müssen: "Die Erfahrung bei der Ausweisung von Schutzgebieten nach der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der EU haben gezeigt, daß eine Versechzehnfachung der Zuständigkeiten das Erreichen von Umweltzielen eher behindert." Tatsächlich liegen diese 16 Rechtsakte, die auf dem bürokratischen Weg der Umsetzung von FFH-Richtlinien in geradezu kafkaesker Weise zu überwinden sind, auf deutschem Hoheitsgebiet und sind nicht etwa (wie sonst oft genug) durch EU-Bürokratie bedingt. Wenn Zahrnt zugleich forderte, "die Gesetzgebungskompetenzen im Umweltbereich sollten vorrangig bei der Bundesregierung liegen", ist dies nur noch als bewußte Irreführung des Publikums zu verstehen.

Den Ball nahm Trittin dankend auf. Prompt forderte er eine stärkere Zuständigkeiten des Bundes in Naturschutz- und Wasserrecht. "Unsere Kompetenzordnung muß europatauglich werden. Solange ein EU-Rechtsakt im Naturschutz in Deutschland 16 landesrechtliche Rechtsakte zur Umsetzung erfordert, werden wir die Fristen wieder und wieder verletzen", erklärte Trittin in unnachahmlicher Frechheit. Von den über 500 anwesenden beruflich, ehrenamtlich oder in Behörden tätigen VertreterInnen des Naturschutzes war in dieser Hinsicht keinerlei Widerspruch zu vernehmen.

Kritik erntete Trittin dann allerdings, als er auch die Verzögerungen bei der Übertragung von 100.000 Hektar ehemaliger "volkseigener" Flächen in Ostdeutschland zu verharmlosen suchte. Erst ein Viertel der wertvollen Naturgebiete ist bisher übertragen worden, obwohl das entsprechende Recht bereits vor drei Jahren geschaffen wurde. "Ich appelliere an die Länder, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und das Angebot des Bundes voll in Anspruch zu nehmen", sagte Trittin. Vertreter der Länder entgegneten, die Verzögerungen gingen nicht von ihnen oder den von ihnen benannten Naturschutzverbänden und -stiftungen aus, sondern von der bundeseigenen Treuhand- Nachfolgerin BVVG.

Zu Recht wies Trittin allerdings auf die Flächen des "Grünen Bandes" beiderseits der einstigen innerdeutschen Grenze hin. Diese könnten seit rund einem Jahr den Ländern gehören, wenn sich die betroffenen Länder mit der unentgeltlichen Übertragung einverstanden erklärt hätten. "Wer hat heute schon das Glück, daß Hans Eichel ihm etwas schenken will? Jahrelang haben die Länder dieses Geschenk gefordert. Nun ist der Tag da, und einige Länder kriegen kalte Füße", polemisierte Trittin. So stehe auch die Zustimmung Brandenburgs beispielsweise noch aus. "Vergessen" hat er dabei aber, daß in Brandenburg die SPD mit an der Regierung ist. Es ist das alte Bürokratenspiel, die Menschen "von Pontius zu Pilatus" zu schicken. Kompetenzen und schwarze Peter werden zwischen Brüssel, Berlin und den Landeshauptstädten hin- und hergeschoben, das Volk schaut gläubig zu und der Naturschutz findet nach wie vor weitestgehend nur auf dem Papier und in Sonntagsreden statt.

 

Monika Wittmer

 

Anmerkung:

1 Siehe auch unseren Artikel
    Druck auf die WTO? v. 26.05.04

 

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