24.07.2003

Artikel

Ulla Schmidt und Horst Seehofer -
unsere konzertierten Pharma-Agenten

Das Gesundheits-System ist angeblich unbezahlbar geworden, aber der Pharma-Industrie geht es nirgendwo so gut wie in Deutschland. 40.000 Präparate werden auf dem deutschen Gesundheits- oder besser: Krankheits-Markt angeboten. In den skandinavischen Ländern oder auch in Großbritannien sind es nur wenige Tausend. Eine immer wieder geforderte Positiv-Liste konnte mal wieder von den Pharma-Konzernen erfolgreich verhindert werden.

Als Horst Seehofer (CSU) noch unter Kohl deutscher Gesundheitsminister war und meinte, zur Beglaubigung des S in seinem Pateinamen zeitweilig ein wenig soziales Gewissen simulieren zu müssen, präsentierte er in der Öffentlichkeit Pläne für eine Positiv-Liste, also eine wissenschaftlich abgesicherte Liste nachweislich wirksamer und unschädlicher Medikamente und sonstiger medizinischer Präparate. Die CBG (Coordination gegen BAYER-Gefahren) weist beispielsweise darauf hin, daß nach wie vor ein wirkungsloses Präparat wie das Diabetes-Mittel Glucobay vom Bayer-Konzern verkauft werden darf, was die Krankenkassen mit hunderten von Millionen Euro jährlich belastet. Nun fand die Pharma-Industrie die sozialen Verirrungen des Horst Seehofer auf die Dauer dann doch zu glaubwürdig, so daß am Ende der Debatte eine besondere Demutsgeste fällig war: Beim Geburtstagsfest des Verbandspräsidenten der Pharma-Industrie, Hans-Rüdiger Vogel, übergab der Staatssekretär Seehofers (selbst war er wohl nicht eingeladen) die damals ausgearbeitete Positiv-Liste in geschreddertem Zustand.

Ellis Huber, der frühere, alternativ angehauchte Präsident der Berliner Ärztekammer wurde bei seinem Einsatz für die Positiv-Liste auf ganz besondere Weise gestoppt. Der VFA (Verband der forschenden Arzneimittelhersteller) hatte ihn mit Millionenklagen wegen angeblicher Wettbewerbsverzerrung überzogen. "Ich kapituliere vor der wirtschaftlichen Übermacht der Pharmakonzerne", so Ellis Huber schließlich angesichts sechsstelliger Prozeßkosten.

Der VFA, 1994 auf Initiative des Bayer-Konzerns gegründet, wurde von Cornelia Yzer, einer früheren Justitiarin bei Bayer, geführt. Nach jenem denkwürdigen Geburtstag des Pharma-Präsidenten rückte Cornelia Yzer als Staatssekretärin ins Gesundheitsministerium ein. Auch in den letzten Jahren stand der VFA an vorderster Front im Kampf gegen die Positiv-Liste. Denn wie so vieles Unerfüllbare - Atomausstieg, Abbau der Arbeitslosigkeit, Klimaschutz - war sie Bestandteil des "rot-grünen" Koalitionsvertrages von 1998. Und in der ersten "rot-grünen" Legislaturperiode spielte Wolfgang Clement, damals Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen, den Bösewicht und verhinderte die Positiv-Liste im Bundesrat.

Nicht nur die Positiv-Liste ist nun ein drittes Mal gekippt und Ulla Schmidt und Horst Seehofer, unsere konzertierten Pharma-Agenten, werden in den Medien als strahlender Sieger gefeiert. Auch das geplante 'Institut für Qualitätssicherung in der Medizin' verschwand wieder in der Versenkung. Eine "Reglementierung" des Pharma-Marktes würde die Forschung gefährden, behaupteten die Lobbyisten - dabei geben die Pharma-Konzerne doppelt so viel Geld für Werbung und Marketing aus wie für die Forschung. Kein Arzt kann in Deutschland bei der Flut von Präparaten den Überblick behalten. Und so wird auch in Zukunft der Verkaufs-Erfolg nicht von der Wirksamkeit, sondern weit mehr von der Höhe des Werbe-Etats bestimmt.

 

Harry Weber

 

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