15.12.2001

Diskussionsbeitrag

von Barbara Schroeren-Boersch

Die "Pisa"-Blamage eröffnet die Chance zu einer neuen Bildungsreform in Deutschland

Während eines Elternabends, an dem ich kürzlich teilnahm, wurde uns Eltern erklärt, dass der Förderunterricht für rechtschreibschwache Kinder zu Gunsten des Computer- Unterrichtes eingestellt würde. Auf die Argumentation hin, dass doch die Rechtschreibschwäche (die eben kein Hinweis auf mangelnde Intelligenz und Lernfähigkeit ist) kein Hinderungsgrund für eine der Intelligenz entsprechenden Schulkarriere sein dürfe und die Förderung hier nicht einfach aufgegeben werde könne, wurde nur mitgeteilt, dass die Förderung auch am Computer stattfinden könnte, was ich zu bezweifeln wage. Es geht mir hier nicht darum, den Computer-Unterricht an Schulen abzulehnen, aber Lesen und Schreiben bilden wohl die Grundlage für alle weiteren zu erwerbenden Kenntnisse in diesem Bereich. Hier sollte die besondere Förderung und Gewichtung des Unterrichts liegen. In einer Beratungsstelle über Lese- und Rechtschreib- schwäche, erfuhren wir, dass das Kind in der Familie lesen und schreiben lernt (also offensichtlich nicht in der Schule!). Warum dann überhaupt noch Schule und Schulpflicht, wenn es so einfach ist und die, für die weitere Bildung nötige Kompetenz, nicht in der Schule, sondern im Elternhaus vermittelt werden soll?

Der Ansatz von Politikern/innen und Lehrern/innen geht von einem Idealbild der Familie aus, das es so noch nie gegeben hat und verfestigt die Rolle der Eltern als Hilfslehrer der Nation. Dabei bleiben zwangsläufig diejenigen Schülerinnen und Schüler auf der Strecke, deren Elternhaus diese Hilfslehrerfunktion nicht übernehmen und ersatzweise Nachhilfeunterricht nicht finanzieren kann.

Wenn also Chancengleichheit hergestellt werden soll, dann kann sie nur in der Schule hergestellt werden: Förderung der Fähigkeiten eines/einer jeden Schüler/Schülerin und damit die Bildung muss unabhängig von den Gegebenheiten des Elternhauses stattfinden. Jede Verlagerung des Lernens aus der Schule heraus ist nicht akzeptabel. Hier sind uns offensichtlich andere Industriestaaten mit Ganztages- und Gesamtschulen voraus. Umdenken hier ist also dringend erforderlich. Die (Schul-)Bildungspolitik muss darüber hinaus aus dem Schattendasein der Politik herausgeholt werden. Aktionen, wie die zwanghafte Einführung einer nicht wählbaren Fremdsprache an den Grundschulen, mögen vielleicht vordergründig für Aufmerksamkeit sorgen und Weltoffenheit vermitteln, als wirkliche Reformen oder gar Lösungsansätze für die Beseitigung des Bildungsnotstandes sind sie aber vollkommen ungeeignet.

 

Geistes-Blitz-Werk