15.07.2003

Ski-Fahren
im Mega-Kühlschrank

Im nördlichen Schwarzwald bei Sasbachwalden ist eine gigantische Kunstschnee-Halle geplant. Umwelt- und Klima-Argumente stoßen in den entscheidenden Gremien auf taube Ohren

420 Meter lang soll sie sein, acht Meter hoch und 60 Meter breit und jährlich 400.000 Skifahrern eine rund 20.000 Quadratmeter große alpine Kunstschnee-Pistenfläche bieten. Die landesweit erste Ganzjahres-Skihalle soll oberhalb des Luftkurortes Sasbachwalden nordöstlich von Offenburg (Baden-Württemberg) gebaut werden.
Kosten: 24 Millionen Euro.

Dieser Tage machte der Regionalverband Südlicher Oberrhein (RVSO) mit einer Änderung des Regionalplanes den Weg für den gigantischen Kühlschrank frei, der auf einer idyllischen Geländeterrasse des Schwarzwaldes auf 800 Meter Höhe, am Westhang der Hornisgrinde, entstehen soll. Schneekanonen an der Decke sollen den luftgekühlten Raum mit Pulverschnee berieseln, 90 Kilometer lange Kühlschlangen den Boden gefrieren lassen. Es wäre die dritte Anlage dieser Art in Deutschland.

"Wir wollten einer Gemeinde in wirtschaftlichen Schwierigkeiten diesen Weg nicht verbauen", begründete Verbandspräsident Otto Neideck (CDU) die Entscheidung. Weil die Kunstschnee-Halle im Regionalplan nicht vorgesehen war, mußte der RVSO durch ein Änderungsverfahren die rechtlichen Voraussetzungen schaffen.

Fachliche Fragen zur Ökologie oder verkehrspolitische Auswirkungen des Mega-Projekts habe die 80-köpfige Verbandsversammlung bewußt ausgeklammert und sich auf formale Gesichtspunkte beschränkt, kritisierte Hallen-Gegner Eckart Friebis, Chef der "Grünen"-Fraktion im RVSO die Entscheidung. "Wo, wenn nicht hier, sollte ein solches Vorhaben umfassend und mit allen Auswirkungen beleuchtet werden?" Mit 36 Ja-Stimmen gegenüber 26 Ablehnungen und einigen Enthaltungen gab der RVSO schließlich grünes Licht für den Mega-Kühlschrank, der den Touristenstrom in die Region anheizen soll.

Kritiker fürchten zudem einen touristischen Super-Gau. Denn in luftiger Höhe soll nicht nur die Mega-Piste, sondern auch eine "Erlebnis- und Themengastronomie" mit 500 Plätzen sowie eine 200 Quadratmeter große Verkaufsfläche für Sport- und Freizeitbedarf entstehen. Es wäre das längste Gebäude Baden-Württembergs. Außerdem sollen auf über einem Hektar Fläche Parkplätze für 400 Autos und 15 Busse sowie ein Sporthotel mit bis zu 300 Betten gebaut werden. Täglich 1.150 Gäste , die sich über kleine Bergstraßen und durch enge Ortsdurchfahrtfahren schlängeln müssen, erwartet der private Investor. Fünf Hektar Fichtenwald müßten abgeholzt werden.

Seit Monaten laufen Natur- und Umweltschutzverbände Sturm gegen den Indoor-Skihang und kritisieren den hohen Flächen- und Energieverbrauch, die Bodenversiegelung, die Verlärmung und Zersiedlung der Landschaft. "Die Skihalle erzeugt 2.400 Tonnen CO2 jährlich. Dabei steht bereits heute fest, daß Baden-Württemberg die in RIO 1992 festgeschriebenen Klimaziele zur CO2-Reduzierung auch ohne den Bau dieser Halle nicht erreichen wird", so das Umweltzentrum Freudenstadt. 10.000 Unterschriften hatte die Bürgerinitiative Legelsau bereits gegen die Mega-Halle gesammelt (www.skihalle-sasbachwalden.de).

Auch der Deutsche Skiverband und der Schwarzwaldverein haben sich gegen das Projekt ausgesprochen. Letzterer fürchtet einen Auftrieb wie beim "Ballermann" auf Mallorca - keineswegs unbegründet wie das Beispiel Bottrop, wo seit längerem eine solche Skihalle betrieben wird, zeigt. Eine solche "Event- und Ballermannkultur" werde abgelehnt.

Neben verstärkter Öffentlichkeitsarbeit durch Protestaktionen setzen die HallengegnerInnen ihre Hoffnungen auch auf das Stuttgarter Kabinett. Denn im Unterschied zu Wirtschaftsminister Walter Döring (FDP) haben das Landesumweltministerium und das Ministerium für Ernährung und Ländlicher Raum Vorbehalte gegen den Mega-Kühlschrank. Auch gegen den Bebauungsplan, den die Gemeinde Sasbachwalden demnächst aufstellen wird, sind Klagen möglich.

 

Martin Höxtermann

 

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