27.05.2012

Blockupy - erfolgreich oder gescheitert?
Eine Analyse und Kritik

Deutsche Piraten Bank
Für 16. bis 19. Mai waren die "Blockupy-Tage" in Frankfurt a. M. angekündigt. Was "Blockupy" nicht gelang, übernahm die Polizei: Sie legte das gesamte Banken- und Geschäftsviertel lahm, einschließlich zahlreicher Grundrechte. War dies ein indirekter Erfolg oder lediglich ein Betriebsunfall des Staatsmacht?

Die städtische Exekutive Frankfurts hob "im Rahmen einer präventiven Notstandsverordnung das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit für weite Teile des Stadtgebiets" auf ('Frankfurter Allgemeine', 20.05.12), um Frankfurt vor jenen zu schützen, die dieses Grundrecht während der "Blockupy-Tage" vom 16. bis 19. Mai in Anspruch nehmen wollten. Kundgebungen, Kulturprogramme, Camps, auch die Demonstration am Samstag sollten verboten werden. Nicht nur die sogenannte BILD-Zeitung nahm die Ankündigung vom "Fluten" dermaßen wörtlich, daß sie es sich nicht nehmen ließen, den Main über die Ufer treten zu lassen, bis die Innenstadt unter Wasser stand. Dermaßen im Fieber des Ausnahmezustands wollte auch die scheidende Oberbürgermeisterin Petra Roth in der Stunde der Gefahr und des drohenden Unterganges dabei sein: "Ich kann die Stadt in diesen Tagen nicht alleine lassen" und sagte ihre letzte Auslandsreise ab. Obwohl viele damit rechneten, daß die damit befassten Gerichte dem "schwarz-grünen" Horrortrip nicht folgen werden, taten sie genau dies - zumindest weitgehend: Bis auf die Demonstration am Samstag bestätigten sie alle Verbotsverfügungen.

Bali in Frankfurt zuhause

Im Vorfeld der "Blockupy-Tage" verschickte die städtische Exekutive Frankfurts über 400 "Aufenthaltsverbote" für den gesamten Innenstadtbereich in Frankfurt: "Nach § 31 Abs. 3 des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) können die Polizeibehörden einer Person für eine bestimmte Zeit das Betreten und den Aufenthalt in einem bestimmten örtlichen Bereich innerhalb einer Gemeinde verbieten, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person in dem Bereich eine Straftat begehen wird. Ein solcher Gefahrenverdacht liegt in Ihrem Falle vor. Aufgrund der polizeilichen Erkenntnisse über Sie im Zusammenhang mit den Ausschreitungen vom 31. März 2012 steht zu befürchten, dass Sie fest in der gewaltbereiten linksextremistischen Szene integriert sind, auch an den verbotenen Versammlungen teilzunehmen beabsichtigen und dabei im oben genannten Gebiet der Stadt Frankfurt am Main Straftaten gemeinschaftlich mit anderen linksextremistischen Gewalttätern Straftaten (...) begehen werden."

Davon betroffen waren alle TeilnehmerInnen der "M31"-Demonstration am 31. März 2012, die an jenem Tag festgenommen wurden. Für einige, die in besagtem Sperrgebiet leben, hätte dies Hausarrest bedeutet. Daß die Rechtmäßigkeit von Festnahmen durch die Polizei - in einem bürgerlichen Rechtsstaat - von Gerichten erst festgestellt werden muß, um Sanktionen zu verhängen, kümmerte jene überhaupt nicht, die den Rechtsstaat wie einen Schlagstock gebrauchen. Ärgerlich für dieses justizferne Stadtregierung war nur, daß sie diese "Aufenthaltsverbote" durch Richter bestätigen lassen mußte. Diese lehnten ihre Selbstauflösung ab - und verweigerten dem präemptiven Rechtsempfinden den richterlichen Segen.

Die Wiege der Demokratie im Polizeikessel

Von diesen minimalen Rückschlägen ließ sich die Stadtregierung nicht beeindrucken und machte sich an die Arbeit. Dies entging nicht einmal der 'Frankfurter Allgemeinen': "Frankfurt hatte sich zum Bürgerkrieg gerüstet: Nato-Draht vor der Sparkasse, ein Großaufgebot von achttausend Polizisten mit mindestens ebenso vielen Absperrgittern im Bankenviertel. Die Straßen leer wie am autofreien Sonntag, die Edelboutiquen in der Goethestraße mit Spanplatten vernagelt. (…) Nach den Vorgaben des Absurden Theaters verteidigte und blockierte eine stets in der Überzahl befindliche Polizei eine weitgehend menschenleere Innenstadt." ('Frankfurter Allgemeinen', 20.05.12) Die "schwarz-grüne" Regierung tat alles, im globalen Wettbewerb mit Bali, Baku und Moskau zu bestehen.

Am Donnerstag, 17. Mai, wurde der erste Versuch unternommen, das Demonstrationsverbot zu durchbrechen. Rund 1.000 Menschen konnten in die Innenstadt gelang, um für mehrere Stunden den Paulsplatz beziehungsweise den Römer, das Rathaus der Stadt Frankfurt, zu okkupieren. Einige TeilnehmerInnen verteilten an der "Wiege der Demokratie", der Paulskirche, eine Taschenbuchausgabe des Grundgesetzes. Bekanntlich enthält dieses Artikel 8, der allen das Recht zusichert, sich ohne Anmeldung oder Genehmigung zu versammeln. Ob das ein eindeutiges Anzeichen für Krawall und Chaos war oder bereits deren verbotene Anwesenheit, darf hier offen bleiben. Eine Großzahl der Anwesenden wurde jedenfalls eingekesselt, der Platz geräumt. Viele betrachten diese temporäre Rückgewinnung eines Grundrechts trotz alledem als Erfolg, als ermutigendes Zeichen für den nächsten Tag.

Der "Tag der Blockaden"

Das Konzept sah vor, am Freitag, 18. Mai, mit tausenden Beteiligten die Europäische Zentralbank (EBZ) von 6 Uhr morgens bis 12 Uhr mittags zu blockieren. Anschließend sollte das Bankenviertel "dicht gemacht" werden. Weder das eine, noch das andere war möglich. Vielleicht waren es insgesamt eintausend Personen, die sich an verschiedenen Punkten außerhalb der Sperrzone versammelt hatten, um das Blockadekonzept umzusetzen. Meist weit von dieser Zahl entfernt wurden die Gruppen eingekesselt. Dabei spielte es für die Polizei keine Rolle, ob es zehn Personen waren (wie im Westend) oder einhundert wie am Willy-Brandt-Platz. An den meisten Orten waren die Beteiligten auf sich alleine gestellt. Vieles war dem Zufall, vor allem der massiven Polizeipräsenz überlassen.

Nicht nur die Zahl der Beteiligten lag weit unterhalb der zuvor verbreiteten Erwartungen. Um das generelle Demonstrations- und Versammlungsverbot zu durchbrechen, hätten bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein müssen:

Eine genügend große Zahl an Beteiligten, zahlreiche Gruppen, die eigenständig agieren können und eine Koordination, die die unterschiedlichen Aktionsorte miteinander verbinden und aufeinander abstimmen kann. Alle diese Voraussetzungen waren am 18. Mai nicht gegeben. Es kam zu über 500 Ingewahrsamnahmen - die Gefangenensammelstellen waren überfüllt. Zum Teil wurden Festgenommene mit beschlagnahmten Bussen am Rand der Stadt ausgesetzt.

"Die EZB wird derzeit nicht von uns, aber wegen uns blockiert," bilanzierte eine "Blockupy"-Sprecherin. So schön das wäre, so falsch ist es. Die Polizei hat nicht das Bankenviertel abgeriegelt, weil der Protest so stark war, weil ihr nichts anderes übrig geblieben wäre, sondern weil sie als Einzige in Lage war, ihrer Planung Realität zu verleihen. Um zu verhindern, daß der Geschäftsbetrieb der Banken eingeschränkt wird, haben sie ihn selbst lahmgelegt. Das entspricht der Logik von Bodyguards, die ihren Chef grundlos zu Boden werfen, um ihn vor einem möglichen Angriff zu schützen – und ihm dabei einen Zeh brechen.

Wie konsequent der Irrsinn betrieben wurde, veranschaulicht der "Sachschaden", den die Stadtregierung Frankfurts und die Polizeiführung gemeinschaftlich angerichtet haben, um einen vermeintlichen Sachschaden von einer Million Euro zu verhindern wie ihn die "M31"-Demonstration am 31. März angeblich hinterlassen hatte: "Die 'Blockupy'-Protesttage haben den Einzelhandel in Frankfurt allein am Samstag zehn Millionen Euro Umsatz gekostet. Das sagte der Landesvorsitzende des Verbands, Joachim Stoll, am Montag der dpa. »Der Freitag war zumindest noch halb voll, allerdings war es am Mittwoch auch nur noch halb voll.«" ('Frankfurter Rundschau', 21.05.12).

Nehmen wir diese Schadensmeldung einmal für bare Münze, dann verursachte die Abriegelung des Triple-A-Sektors (ohne den Samstag hinzuzurechnen) zehn Millionen Euro Sachschaden, also das zehnfache dessen, was es vorgeblich zu verhindern galt. In dieser Rechnung sind weder der finanzielle Schaden durch den eingeschränkten Bankenbetrieb noch die Kosten des Einsatz der Polizei-Armada berücksichtigt.

Warten auf Godot und 2.000 gewaltbereite Autonome…

Während sowohl die OrganisatorInnen als auch alle anderen Gruppen Schwierigkeiten hatten, aufgrund unsicherer Zahlen und Zusagen eine Planung und Koordinierung der Aktionen zu gewährleisten, wußte die Polizeiführung genau, was Sache ist: Über 2.000 gewaltbereite Autonome kommen und legen die Stadt in Schutt und Asche. Daß selbst die Polizei sie am Donnerstag noch nicht gesichtet hatte, lag nach deren Gutdünken vermutlich an der langen Anreise und dem schweren Gepäck. Aber am Freitag, 18. Mai, dem "Tag der Blockaden", durfte die Polizei mit ihrer brandschatzenden Anwesenheit rechnen. An diesem Tag mangelte es an vielem. In Gänze fehlte der "Schwarze Block". Das entging selbst der 'Frankfurter Allgemeinen' nicht: "Von den »2.000 Gewaltbereiten«, deren Kommen von staatlicher Seite zugesichert worden war, keine Spur." ('Frankfurter Allgemeine', 20.05.12). Dafür nahmen über 5.000 "Gewaltbereite" ihren Platz ein.

Auf das Ausbleiben des angekündigten Horrorszenarios angesprochen, erklärte der hessische Innenminister Boris Rhein, die starke Polizeipräsenz habe das Auftreten jener Apokalypse verhindert.

Aber es blieb ja noch der Samstag, 19. Mai, der "Tag der internationalen Demonstration" - die letzte Chance, um den Ausnahmezustand zu rechtfertigen. Abermals wurden Autobahnen gesperrt, die Innenstadt in einen Hochsicherheitstrakt verwandelt. Alles, was einen Polizeistaat auszeichnet, wurde aufgeboten - selbst Räumpanzer durften nicht fehlen. Und selbstverständlich nicht die sich in der Endlosschleife befindlichen Begründung für diesen Ausnahmezustand: "Der Polizeisprecher bestätigte, dass etliche Kontrollstellen eingerichtet wurden. »Wir müssen noch immer mit bis zu 2.000 Gewaltbereiten aus der linken Szene kalkulieren‹«, sagte er." (www.handelsblatt.com, abgerufen am 19.05.12). Die Polizei versuchte einiges, um die letzte Chance zu nutzen, das Armageddon wahr zu machen.

Selbst mit viel "gutem Willen" waren in der Masse der rund 20.000 DemonstrationsteilnehmerInnen allenfalls 500 zu dem zu zählen, was den Ausnahmezustand in Frankfurt für vier Tage rechtfertigen sollte. An der schmalsten Stelle am Untermainkai gab sich dann auch die Polizeiführung alle Mühe, aus dieser Gruppierung das herauskitzeln, was dann später Ausschreitungen genannt werden sollte. Schwerbewaffnete, vermummte und gepanzerte BFE-Einheiten drängten sich in die Demo, derweil am Mainufer und in der gegenüberliegenden Seitenstraße weitere BFE-Einheiten darauf warteten, jene aus der Bedrängnis zu befreien, die sich pflichtbewußt in eine solche brachten. Jetzt erst, dank professioneller Ausrüstung sah das, was "Schwarzer Block" sein sollte, annähernd so aus. An den jeweiligen Seiten und mitten in der Demonstration marschierten die einzigen Gewaltbereiten – uniformiert und vermummt. Daß diese polizeiliche Eskalation gesucht wurde, bestätigte der Innenminister Rhein auf einer Pressekonferenz indirekt: "…man habe auch während der Demonstration am Samstag »intensiv diskutiert«, den schwarzen Block aus der Demonstration »herauszunehmen«…" ('Frankfurter Rundschau', 22.05.12)

Obwohl jede angemessene und organisierte Antwort eine andere gewesen wäre, als dies hinzunehmen, fanden sich die Demo-OrganisatorInnen mit diesen bewaffneten "Kapitalismus- kritikerInnen" in den eigenen Reihen ab. Die Presse-AG von "Blockupy" bedankte sich für dieses Verhalten: "Respekt für unseren Schwarzen Block, der sich trotz permanenter massiver Polizeiübergriffe nicht provozieren ließ, überlegt, überlegen und kämpferisch auftrat." (http://blockupy-frankfurt.org/de/node/433) Viel mehr kann man diese Umstände nicht verbiegen: Angesichts dessen, daß die Demo-Leitung keine Anstrengungen unternahm, auf diese Eskalationen zu reagieren ("Wir verwehren uns gegen mögliche diskriminierende und einschüchternde Kontrollen im Vorfeld der Demonstration, gegen die Anwesenheit von Polizeibeamten in Zivil in unserer Demonstration und gegen die mögliche Bedrängung von Teilen der Demonstration durch die Polizei"), blieb den Betroffenen nicht anderes übrig, als alles hinzunehmen. Das hat nichts mit kämpferischem Handeln zu tun, sondern mit Ohnmacht!

Präventiver Notstand

Wenn selbst die 'Frankfurter Allgemeine' von einer "präventiven Notstandsverordnung" schreibt, die für die "Blockupy-Tage" in Kraft gesetzt wurde, darf man von mehr ausgehen, als von einer pointierten Beschreibung.

Und in der Tat: Wer 5.000 - manche, wie die 'Frankfurter Allgemeine' schrieben von 8.000 - PolizeibeamtInnen für vier Tage eine Stadt belagern läßt, U-Bahnstationen schließt, das Triple-A-Zentrum der Stadt hermetisch abriegelt, hunderte Aufenthaltsverbote verhängt, Busse des VGF beschlagnahmen läßt, um unerwünschte Personen am Stadtrand von Frankfurt auszusetzen, über 1.400 Personen in Gewahrsam nimmt, der handelt nicht im Alleingang. Die Personalisierung dieser Ereignisse auf die Person eines hessischen Innenminister Boris Rhein oder eines Ordnungsdezernenten verharmlost diese Umstände. Um so etwas durchzuziehen, benötigt es ein perfektes Zusammenspiel der regierenden Parteien in Frankfurt ("Schwarz-Grün"), der hessischen Landesregierung ("Schwarz-Gelb") und aller Repressionsorgane (von Polizei, über "Verfassungsschutz" bis hin zu den Unterstützungsleistungen anderer Bundesländer).

Selbstverständlich ist Frankfurt nicht Bali, Baku oder Moskau. Wenn wir uns hingegen vergegenwärtigen, daß zur Verhinderung eine mehrstündige Blockade, die erklärtermaßen defensiv, als ziviler Ungehorsam verstanden wurde, der Ausnahmezustand geprobt wurde, können wir erahnen, wozu die Machthabenden bereit wären, wenn Zehntausende auf die Idee kämen, daß Anklagen, Hoffen und Appellieren nicht ausreichen, um die Politik einer milliardenschweren Minderheit zu stoppen.

Was hier von in Frankfurt und Hessen geprobt wurde, kann man als die zweite Machtoption innerhalb des rechten Lagers begreifen. Dieser präventive Bürgerkrieg war und ist kein Versehen. Er ist keiner fehlerhaften Lageeinschätzung geschuldet. Das machte der Polizeivizepräsident Gerhard Bereswill abschließend und mit großer Weitsicht deutlich: "Die Polizei werde bei kapitalismuskritischen Demonstrationen künftig »grundsätzlich nicht mehr von deren Friedlichkeit ausgehen.«" ('Frankfurter Rundschau', 23.05.12)

Das offizielle Fazit: Alle haben gewonnen, alle sind Sieger…

Kaum war die Demonstration vorbei, erklärten sich alle zum Sieger. Daß dies die "schwarz-grüne" Stadtregierung und ihre Polizeiführung tun würden, daß sie sich auch von der Wirklichkeit nicht täuschen lassen, war zu erwarten. Wenn jedoch "Blockupy"-VertreterInnen dabei mitmachen, ist das nicht etwas anders, sondern besonders ärgerlich.

"Dass trotz der Verbotsorgie im Vorfeld so viele zum Demonstrieren nach Frankfurt gekommen sind, ist ein großer Erfolg."
(Werner Rätz, 'attac' und Sprecher von "Blockupy")

"Unser Einsatzkonzept ist aufgegangen."
(Thomas Mozdzynski, Polizeiführer der Frankfurter Bundespolizei)

"Danke an die Polizei – und die Demonstranten."
(BILD, 20.05.12)

Selbstverständlich waren alle erleichtert, daß zumindest der Samstag, die Beteiligung an der Demonstration die Erwartungen und Hoffnungen erfüllt hatte. Doch mit dieser Demonstration alles zuzudecken, was in den Tagen davor passiert oder auch nicht passiert ist, leugnet den Kern des "Blockupy"-Konzeptes. Dabei ging es nicht darum, abermals Zehntausende auf die Straße zu bringen, die in ihrer Freizeit den Kapitalismus kritisierten, um ihm dann wieder voll und ganz zur Verfügung zu stehen. Kern von Blockupy war, selbst dafür zu sorgen, daß das, was man nicht länger hinnehmen will, auch nicht länger (reibungs- und störungsfrei) geschieht. Und genau dieser notwendige Schritt, aus der Symbolik, aus der Anklage, aus dem Kreislauf von Forderungen und Parolen herauszutreten, gelang nicht. Daran ändert auch der "glückliche" Umstand nichts, daß die Polizei professionell, effizient und schadensintensiv das Bankenviertel weitgehend lahmgelegt hatte.

Woran scheiterte "Blockupy"?

Wir hatten 2010 als Georg-Büchner-Initiative unser Vorhaben, für einen ganzen Arbeitstag eine Finanzzentrale in Frankfurt zu blockieren, aus drei Gründen abgesagt:

1. Die einigermaßen sicheren Zusagen einer Beteiligung lagen bei 1.000 bis 1.500 Personen. Das war und ist für eine Blockade zu wenig.

2. Um ein variables und handlungsfähiges Blockade-Konzept (auch im Hinblick auf eine große Polizeipräsenz) durchzusetzen, werden viele Gruppen benötigt, die eigenständig und in enger Absprache agieren können. Diese gab es nicht. Das galt sowohl für die Rhein-Main-Region, als auch bundesweit.

3. Die inhaltlichen Differenzen im Bündnis und drum herum wirkten sich lähmend und irritierend aus.

Alle drei Gründe, die zu der Absage geführt hatten, waren auch zwei Jahre später nicht ausgeräumt. Was wir 2010 befürchteten, hat sich am Blockadetag von "Blockupy" bewahrheitet. Alles andere als eine von uns erwünschte Bestätigung benannter Bedenken.

Von Erfolg zu Erfolg …

Christoph Kleine hat für die 'Interventionistische Linke' (IL) einen klassischen und ebenso falschen Ausblick geliefert: "Das heute war ein Erfolg, den die Menschen errungen haben … Blockupy war erst der Anfang." ('Frankfurter Rundschau', 21.05.12)

Jede Kampagne (von "Heiligendamm" 2007 bis "M-31") behauptete von sich, erst der Anfang zu sein, ein Startzeichen, ein Startschuß für etwas zu sein… was dann bei der nächsten Kampagne erneut beschworen werden muß. Es ist doch offensichtlich, daß das Problem antikapitalistischer Proteste nicht mit Kampagnen zu lösen ist, auch nicht mit der x-ten Demonstration. Wenn wir Antikapitalismus nicht als einen kritischen Gestus verstehen, der vor allem unsere Freizeit kostet, dann müssen wir aus dem Kampagnen-Karussell aussteigen und uns Zeit nehmen, um folgende Fragen zu beantworten:

Warum kommen über 20.000 zu einer Demonstration, wenn sie erlaubt ist und gerade einmal 1.000 bis 1.500, wenn es verboten ist, den Kapitalfluß zu stören?

Wie muß ein Antikapitalismus aussehen, der den Schritt von der kritischen zur materiellen Negation kapitalistischer Verhältnisse wagt? Warum ist in aller Regel nach jeder Kampagne die Luft raus, wenn es darauf ankommt, die politischen Konsequenzen und Ausdeutungen nicht der Gegenseite zu überlassen?

Wie kann es gelingen, daß die Orgie von Rechtsbrüchen (von Verbotsverfügungen über Aufenthaltsverbote, Verschleppungen bis hin zu willkürlichen Festnahmen und vorsätzlichen Polizei-Provokationen) nicht als Ohnmachtserfahrung der Betroffenen zurückbleibt, sondern der "schwarz-gelben" hessischen Landesregierung und der "schwarz-grünen" Stadtregierung den Kopf kosten?

Welche Strukturen benötigen wir für diese Schritte, wenn wir uns eingestehen, daß eine Mehrheit aus Individuen und Vereinzelten einer kleinen (völlig überforderten) Minderheit von Organisierten gegenübersteht?

 

Wolf Wetzel
für die
REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      IG Metall Pilot-Tarifabschluß
      Eis in der Sonne (20.05.12)

      Berliner Sozialgericht:
      Hartz IV ist nicht menschenwürdig (25.04.12)

      Verschärfung beim Sozialabbau
      Mehr Sanktionen gegen Hartz-IV-Betroffene (11.04.12)

      Weltwirtschaftskrise
      Deutschland ein Stück tiefer im Sog (28.03.12)

      Erneut Rentenkürzung
      Inflation bei über 2,5 Prozent (13.03.12)

      Sozialabbau trifft Frauen härter
      Was gibt's Neues zum Internationalen Frauentag? (8.03.12)

      Was macht den Menschen gierig?
      "Denn wo dein Schatz ist..." (27.02.12)

      Banken bekommen
      zweites Griechenland-Hilfspaket (21.02.12)

      Welche Pläne hat GM mit Opel?
      Verkauf oder Kaputtsanierung? (16.02.12)

      Studie zu "Babyboom"-Jahrgängen
      Besonders Frauen erwartet Altersarmut (15.02.12)

      Belgien: Generalstreik gegen Sozialabbau
      richtet sich gegen EU-Regierungen (30.01.12)

      Hartz IV
      Kafkaeske Situation beim Sozialgericht (12.01.12)

      OECD-Bericht
      Kluft zwischen Arm und Reich wächst (5.12.11)

      Reallöhne in Deutschland sinken weiter
      Zuwächse von Inflation ausgefressen (5.11.11)

      Renten: Minus auch in 2012
      Inflation offiziell bei 2,5 Prozent (28.10.11)

      Schuldenkrise in den USA
      Kampf zwischen Elefant und Esel? (15.07.11)

      Trotz Lohnerhöhungen:
      Inflation bewirkt Minus (6.07.11)

      Sozialabbau -
      Renten seit 2001 real gekürzt (5.07.11)

      Sozialabbau: Bufdis
      bekommen weniger als Zivis (30.06.11)

      Bundestagsabgeordnete wollen
      mehr Diäten (27.06.11)

      Starke Zunahme von "400-Euro-Jobs"
      von "Rot-Grün" verursacht (27.04.11)

      Frauen in Konzern-Vorstände?
      Die realen Probleme bleiben ausgeblendet (8.03.11)

      Verfassungsgericht:
      Einführung von Hartz-IV war grundgesetzkonform (29.12.10)

      Discounter Lidl für 10 Euro Mindestlohn
      Einzelhandel fürchtet Ost-Konkurrenz (21.12.10)

      Mißbrauch von Ein-Euro-Jobs?
      Der Zweck ist Lohndumping (15.11.10)

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      Von der Leyens Hartz-IV-Reform:
      Nominal 5 Euro Plus ab 2011 - real ein Minus (26.09.10)

      50 Milliarden Euro
      für Subventionierung des Niedriglohn-Sektors (13.08.10)

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      Erneuter Sozialabbau trotz Urteil des Bundesverfassungsgerichts?
      (2.08.10)

      Pisa 2010 und die Schere
      zwischen Arm und Reich (23.06.10)

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      Sozialabbau schwarz-gelb (7.06.10)

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