29.05.2007

Artikel

china bubble

Wann macht es crash?

Am gestrigen Montag durchbrach der CSI-Börsenindex in Shanghai erstmalig die 4.000-Punkte-Marke. Er schloß mit einem Anstieg um 2,6 Prozent bei 4.090,57 Punkten. Dies markiert einen vorläufigen Höhepunkt im kometenhaften Aufstieg der Kurse auf dem chinesischen Aktienmarkt. Innerhalb eines Jahres stiegen die Kurse durchschnittlich um mehr als 300 Prozent und verdoppelten sich bereits allein in diesem Jahr.

Bösen-KennerInnen registrieren besorgt eine grassierende Aktien-Euphorie in China. Taxifahrer in Peking und ObstverkäuferInnen in Kanton entwickelten sich zu AktienexpertInnen. Doch wenn ein Index an manchen Tagen so schnell steigt wie manche Aktienmärkte in einem Jahr, ist eine solche Entwicklung trotz realer Marktdynamik nur mit Spekulation und Übertreibung zu erklären. Wenn dann der Bubble eines nicht fernen Tages mit lauten Knall zerplatzt, ist die überwiegende Mehrheit der Betroffenen meist völlig überrascht. Zugleich heißt es dann übereinstimmend, es sei eigentlich vorhersehbar gewesen - doch die Gier hat die nötige Vorsicht bis zum Knall verdrängen können.

"Für die Chinesen ist es zu einer Art Zeitvertreib geworden, an der Börse zu investieren", meinte Marshall Gittler, Asien-Chefstratege der Deutschen Bank gegenüber der BBC. Der chinesische Bubble ist auf einen breitgestreuten Aktienbesitz unzähligen chinesischen Privatinvestoren zurückzuführen, die ihre Ersparnisse opfern, um an der Börse mitmischen zu können. Doch auch Gittler warnt, das neue Hobby der ChinesInnen sei hoch riskant, denn früher oder später sei mit "einer erheblichen Korrektur" zu rechnen. Selbst Allen Greenpan mischte sich nunmehr in die globale Diskussion und warnte vergangene Woche, die Spekulationsblase könnte bald platzen. Doch trotz der Warnungen scheint die Investitionsbereitschaft chinesischer KleinanlegerInnen ungebrochen zu sein.

Der Herausgeber des Firmenportals 'Unternehmercockpit', Artur P. Schmidt, analysiert: "Ausufernde hohe Bewertungen mit Kursgewinn-Verhältnissen von über 50, die anziehende Inflation und die nicht zu verhindernde Aufwertung der chinesischen Währung dürften den aktuellen Suber-Bubble in Bälde zum Platzen bringen."

In Shanghai haben von 16 Millionen EinwohnerInnen mittlerweile 11 Millionen in Aktien investiert. China gilt als Land der Spieler und Zocker. Auch Zhou Lin, ein Analyst bei 'Huatai Securities', sieht den Enthusiasmus der chinesischen AnlegerInnen als ungebrochen: "Ich denke, der grundlegende Trend am Aktienmarkt zeigt noch immer nach oben. Das ist nicht nur Geschäftsmännern zu verdanken, sondern auch Pensionisten oder Studenten." Sie setzen - so die Beobachtung - ihre Ersparnisse aufs Spiel und hoffen, ihr bescheidenes Einkommen an der Börse zu erhöhen. Die Beliebtheit von Aktienspekulationen schlägt sich auch in der Anzahl der Börsenkonten nieder. Allein in der vergangenen Woche eröffneten in China 300.000 Menschen pro Tag ein Börsenkonto.

Doch die Vorgänge in China sind im Zeitalter der globalen Verflechtung von großer Tragweite. Das Platzen des chinesischen Super-Bubble wird nicht ohne Auswirkungen auf die Finanzmärkte in Übersee - vor allem in den USA - bleiben. Das Aufblähen dieser Spekulationsblase kann bereits über 12 Jahre hin beobachtet werden. Erste Warnzeichen wurden von Börsen-KennerInnen im Februar 2007 registriert. Der US-amerikanische Aktienmarkt reagierte auf starke Kursabschläge in China sehr nervös.

Kommt es zum Crash in China, kann dies recht schnell zu einer gewaltigen Rezession in den USA führen. Die Weltwirtschaftskrise ist angesichts der weltweiten Verschuldung der USA dann unausweichlich. Die Auslands-Schulden der USA übersteigen jedes Maß und könnten nicht einmal von einer prosperierenden US-Wirtschaft jemals abgestottert, geschweige denn auf einen Schlag abbezahlt werden. Sollte die chinesische Führung im Falle einer US-amerikanischen Rezession massiv ihre Dollar-Vorräte verkaufen, wären auch die USA gezwungen, massiv die Zinssätze anzuheben. Mehr als 80 Prozent des amerikanischen Budgetdefizits wird schließlich vom Ausland - vor allem von China - finanziert. Eine weltweite Rezession im Jahr 2008 wäre zwangsläufig die Folge.

Laut Artur P. Schmidt ist das wahrscheinlichste Szenario, daß ein Crash in China die dortigen Indizes innerhalb von wenigen Tagen um bis zu 25 bis 30 Prozent einbrechen läßt. Ob der chinesische Aktienmarkt dann in der Lage sein wird, sehr große Handelsvolumen im Falle eines Crashes aufzufangen, ist äußerst fraglich. So konnte selbst das reiche Dubai im letzten Jahr einen Aktien-Crash nicht auffangen und die Kurse brachen um mehr als 70 Prozent ein.

Hinzu kommt, daß die staatlich gesteuerte Geldmengenpolitik in China das weitere Aufblähen des Bubble fördert. Die an den Kenngrößen M1 und M2 meßbare Geldversorgung ist in China deutlich zu hoch. Allein im April stieg die umlaufende Geldmenge um 20 Prozent. Zugleich stiegen die Preise für Lebensmittel in China sowohl im März als auch im April um jeweils mehr als 7 Prozent. Die Aufblähung der umlaufenden Geldmenge führt dazu, daß die Aktien-Euphorie sich bis in die chinesische Unterschicht ausbreitet. Bei einem Crash werden also - wie schon so oft in der Geschichte - die Verluste "breit gestreut".

In China erlangten inzwischen ebenfalls Kreditkartenrechnungen und die Beleihung von Häusern ein Rekordniveau, wobei laut Schätzung internationaler Ökonomen 90 Prozent dieses Geldes dazu verwendet wird, Aktien zu kaufen. Doch die meisten Unternehmen, die unter Mitwirkung chinesischer Banken zu neuen Höchstkursen getrieben wurden, sind ebenso substanzlos wie die meisten "Internet-Aktien" zu Beginn des Jahres 2000. Allzu deutlich sind die Parallelen zum Nasdaq-Bubble des Jahres 2000 und zum Aktienmarkt-Crash von 1929.1

Die weitverbreitete Gier läßt jegliche Vorsicht hinter sich: Chinesische InvestorInnen scheinen entweder zu glauben, daß auf Dauer Gewinne von monatlich über 100 Prozent von der wirtschaftlichen Entwicklung real gedeckt seien oder daß sie im letzten Moment den Zeitpunkt zum Absprung finden, bevor der ungedeckte Wechsel platzt.

 

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Anmerkungen

1 Siehe auch unseren Beitrag:

      Löst Spanien den europäischen Wirtschafts-Crash aus? (3.07.04)

 

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