1.11.2018

Frauen-Streik in Glasgow
Jahrzehntealte Rechnung offen

Frauen-Streik in Glasgow, Oktober 2018 - Foto: Foto Services International - Creative-Commons-Lizenz 2.0
Glasgow (LiZ). Über 8.000 Frauen streikten in der vergangenen Woche im schottischen Glasgow, um Nachzahlungen des Lohns zu fordern, der ihnen seit Jahrzehnten auf Grund ihres Geschlechts verweigert wird. Es war der größte Streik für gleichen Lohn in ganz Großbritannien seit 1968.

Trotz massiver Hetze gegen den Streik von Seiten der Unternehmen und der Mainstream-Medien, zeigten viele ihre Solidarität mit den über 8.000 Putzfrauen, Heimhilfen und KantinenmitarbeiterInnen. So ließen Busfahrer die Streikenden gratis fahren und alle 600 ArbeiterInnen der Müllabfuhr in der Frühschicht stellten ihre Arbeit ein. John O’Connor, GMB-Vertreter für die Abfallarbeiter der Stadt, sagte gegenüber einer Zeitung: "Wir alle wissen von den Streiks für gleiche Löhne heute und morgen. Als Reinigungskräfte sind wir heute Morgen zur Arbeit gegangen, um unser normales Geschäft zu erledigen und zu arbeiten, aber wir wollten keinen Streikposten durchqueren, da wir die Frauen voll unterstützen." Bei der GMB handelt es sich um eine der größten Gewerkschaften Großbritanniens.

Männliche Arbeiter der Entsorgungsbetriebe, Straßenreiniger und Parkplatzwächter weigerten sich, an den von den Frauen errichteten Streikposten vorbei die Betriebe zu betreten und an die Arbeit zu gehen. Obwohl die Vorgesetzten mit der Polizei, Lohnentzug und Klagen wegen illegalen Streiks drohten, setzten die Kollegen ihre Solidarität auch am zweiten Tag des Streiks fort. In einem Brief an die GMB bezog sich der Stadtrat auf Thatchers Anti-Gewerkschafts-Gesetzgebung und kündigte gerichtliche Schritte an, wenn die Gewerkschaft ihre Mitglieder nicht umgehend zur Wiederaufnahme der Arbeit auffordert. Am ersten Streiktag, 23. Oktober, marschierten über 10.000 DemonstrantInnen von Glasgow Green zum George Square.

Im Jahr 2006 hatte der Rat der Stadt - damals unter Führung der links firmierenden Labour-Partei - beschlossen, ungleiche Bezahlung anzugehen und die schlechtere Bezahlung von Frauen zu beenden. Dieser Ratsbeschluß wurde bis heute nicht umgesetzt, obwohl Labour bis 2016 eine Mehrheit im Stadtrat hatte. Die Verhandlungen zwischen Stadt und Gewerkschaft über Nachzahlung des entgangenen Lohns verliefen im Sande, obwohl die Bürgermeister der Stadt einer Nachzahlung des Teils des Lohns, der den Frauen seit 2006 nicht ausgezahlt wurde, nach einem zehn Jahre langen Rechtsstreit zugestimmt hatten.

Laut einer Bekanntmachung der GMB sind die Frauen bereit, ihren Streik fortzusetzen, da derzeit ein Einlenken von Stadtrat und Verwaltung ist nicht erkennbar ist. Die nachzuzahlenden Löhne belaufen sich inzwischen auf fast 750 Millionen Pfund (rund 848 Millionen Euro). Einige der Frauen haben jährlich bis zu 4.000 Pfund (umgerechnet 4.530 Euro) weniger verdient als männliche Beschäftigte in der gleichen Position. Dies zeigt, daß die Gleichberechtigung von Frau und Mann und das Recht auf gleichen Lohn so lange nur auf dem Papier existiert, bis es real erkämpft wird.

1968 hatten die Frauen bei Ford gestreikt, die "Näherinnen von Dagenham". Auch vor 50 Jahren ging es um dieselben Ziele.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Irland: Große Mehrheit bei Referendum
      für Liberalisierung des Abtreibungsverbots (26.05.18)

      Frieda Kahlo als Barbie-Puppe
      Reaktionär oder emanzipativ? (8.03.18)

      Silvesternacht 2015/2016 - Köln - Domplatz
      Versuch einer Bilanz (2.01.18)

      Zwang zu Job in Sex-Shop?
      Jobcenter macht Druck (3.06.17)

      Witz zum Internationalen Frauentag / Realsatire
      Janusz Korwin-Mikke und die Dummheit (8.03.17)

      Emanzipation verlangsamt
      Deutschland fällt zurück (26.10.16)

      Tausende Polinnen
      gegen Verschärfung des Abtreibungs-Verbots (2.10.16)

      Frauen auch im Kulturbereich benachteiligt
      24 Prozent Manko bei Gehältern (30.06.16)

      Feminismus und Agrar-Wende
      passen gut zusammen (8.03.16)

      Kampf gegen Hot Pants
      Rektorin aus Horb für Rettung des Abendlandes (7.07.15)

      Eltern tradieren Unterdrückung
      Mädchen werden entmutigt (8.03.15)

      Deutliche Benachteiligung der Frauen
      bei der Rente (5.03.15)

      Unerklärliche 7 Prozent
      Witz der Woche (26.03.14)

      Weiblich: die Arbeitslosigkeit,
      die Teilzeitarbeit, die Leiharbeit... (8.03.14)

      Emanzipation? Rollback
      in Deutschland (25.11.13)

      Geht es um den Boden unter den Füßen
      oder um eine "gläserne Decke"? (8.03.13)

      Mein Wort zum Frauentag: Sex is Muß!
      Gastbeitrag von Martin Buchholz (8.03.13)

      Skandal in Köln
      Katholische Kliniken weisen Vergewaltigungsopfer ab (17.01.13)

      Sozialabbau trifft Frauen härter
      (8.03.12)

      Studie zu "Babyboom"-Jahrgängen
      Besonders Frauen erwartet Altersarmut (15.02.12)

      Frauen in Konzern-Vorstände?
      Die realen Probleme bleiben ausgeblendet (8.03.11)

      Bundesverfassungsgericht stärkt Position
      lediger Väter
      Traditionelles Mutterbild im Kern unangetastet (3.08.10)

      Nachwuchs ohne Zukunfts-Chance
      Immer mehr Kinder kommen unter die Räder (1.06.10)

      Witz der Woche
      Warum ist der Kapitalismus
      für Frauen besser als der Islam? (30.12.09)

      90 Jahre Frauenwahlrecht in Deutschland
      Errungenschaft oder Sackgasse? (8.03.09)

      Papst gegen Trennung von Kirche und Staat
      Subvention in Deutschland jährlich... (13.09.08)

      Lohndifferenz zwischen Frauen und Männern
      unverändert bei 30 Prozent (12.08.08)

      Vorname: Brigitte / Name: Bertelsmann
      Tatbestand: Versuchte Frauenverdummung (26.03.08)

      Sozialabbau trifft Frauen härter
      Erklärung von NETZWERK REGENBOGEN zum Frauentag (8.03.08)

      Alpha-Mädchen statt Alpha-Männchen?
      Feministische Überlegungen zu einer 'spiegel'-Titelstory (31.05.07)

      Mit Merkel für feministische Umweltzerstörung
      und feministischen Sozialabbau? (8.03.07)

      Gender Mainstreaming
      - Schlaftablette für die Frauenbewegung? (8.03.06)

      Emanzipation als Einbildung (8.03.05)

      Frauen unverändert bei 70 Prozent
      "It's the ecomomy, stupid" (30.10.04)

      Auch nach fünf Jahren "Rot-Grün":
      Frauen bei 70 Prozent (3.03.04)

      Internationaler Frauentag
      und Afghanistan (24.02.03)

      Oben buckeln, unten treten - Hartz und die Frauen
      oder: Auf dem Weg in die autoritäre Gesellschaft (18.10.02)

      70 Prozent (4.08.99)

 

neuronales Netzwerk