6.09.2008

Soziale Ungerechtigkeit
führt zu minderer Lebensqualität
und vorzeitigem Tod

WHO präsentiert Studie über soziale Gesundheitsfaktoren

Soziale Ungerechtigkeit führt sowohl in den Industriestaaten selbst als auch in den von ihnen ausgebeuteten Ländern zu eklatanten Unterschieden beim Gesundheits- Level der verschiedenen Bevölkerungsschichten als auch bei der Lebenserwartung. Die Unterschiede infolge der sozialen Ungerechtigkeit haben laut einer dreijährige Studie der Commission on Social Determinants of Health (CSDH) im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation WHO stärkere Auswirkungen als das Fehlen von medizinischen Einrichtungen. Innerhalb einer einzigen Generation kann sich das allerdings ändern, berichtet das Wissenschaftsmagazin New Scientist.

Die Forscher der CSDH haben nachgewiesen, daß Lebensqualität, Gesundheit und Lebenserwartung dramatisch von sozioökonomischen Bedingungen abhängen. Demnach sind manchmal nur wenige Kilometer ausschlaggebend dafür, wie lange ein Menschenleben durchschnittlich dauert. Ein Kind, das in einem Vorort der früheren Industriestadt Glasgow zur Welt kommt, hat eine um 28 Jahre geringere Lebenserwartung als ein Baby, das nur wenige Kilometer davon entfernt geboren wird. Ein bolivianisches Baby einer Mutter ohne Grundschulbildung hat eine 25 Mal höhere Sterblichkeitsrate als ein Kleinkind einer Mutter mit Hauptschulabschluß.

Selbst in Deutschland liegt die durchschnittliche Lebenserwartung von Arbeiterinnen heute bei 70 Jahren, von Arbeitern bei 68,5 Jahren. Bei einem Renteneintrittsalter von 67 Jahre bleiben dann gerade noch eineinhalb oder drei Jahre, in denen sie überhaupt Rente beziehen können. Bei Zugrundelegen der Durchschnittsrente von 831 Euro zeigt folgende Berechnung den wahren Charakter des deutschen Rentensystems: Selbst bei einer optimistischen Annahme von vier Jahren Rentenbezug werden also 4 mal 12 mal 831 Euro ausbezahlt. Das sind 39.888 Euro. Dem stehen einbezahlte Rentenbeiträge von - ohne Zinsen - durchschnittlich rund 100.000 Euro gegenüber. Ein Minus von rund 60.000 Euro.

Längst ist der Grundsatz, je reicher ein Land, desto gesünder sei die Bevölkerung, obsolet geworden. Nur wenn Kapital in einem Staat dazu verwendet wird, um soziale Determinanten wie Erziehung, Erwerbstätigkeit, grundsätzliche Annehmlichkeiten und Geschlechtergleichheit zu schaffen, kann die Gesundheit verbessert werden. Positive Beispiele für ärmere Länder, die trotz Armut in eine Verbesserung der Gesundheit investiert haben, sind Kuba, China sowie der indische Bundesstaat Kerala.

Michael Marmot, Vorsitzender der CSDH, gibt drei wesentliche Empfehlungen für eine Verbesserung der Situation: Erforderlich sei eine Unterstützung für alle Mitglieder einer Gesellschaft - vom Neugeborenen bis hin zu Pensionisten. Investiert werden sollte in den Schulbereich, in gesicherte Arbeitsplätze, in die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum, in die Gesundheitsvorsorge und in den öffentlichen Verkehr. Ein weiterer Punkt sei der Zugang zu gesunden Lebensmitteln sowie Reglements bei Alkohol und Tabak. Es müsse ein gut finanzierter öffentlicher Sektor geschaffen werden, um Projekte zu finanzieren. Gewährleistet werden müssen die Gleichstellung von Männern und Frauen sowie ein freier Zugang zu politischen Ämtern. Als dritten Punkt empfiehlt Michael Marmot wesentliche Veränderungen bei der Behandlungen von Problemen. Man müsse sie meßbar machen, sie untersuchen und lernen sie zu verstehen.

Vor allem im Bereich der Gesundheitsvorsorge müßten dringende Schritte eingeleitet werden, kommt der Bericht zum Schluß. Natürlich stehe es jeder Regierung frei, darüber zu entscheiden, was sie mit der Information mache. Sinnvoll wäre es jedoch, Initiativen auf ihre Wirksamkeit in Bezug auf die Auswirkung der Gesundheit zu beurteilen.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel

      Kinderarmut in Deutschland mittelmäßig?
      Stärkere Umweltbelastung von Kindern der Unterschicht (27.05.08)

      Sozialabbau und "Gesundheitsreform"
      Milliarden Euro für die Pharma-Industrie (14.04.08)

      Krebsstation Deutschland (31.03.08)

      Weltgesundheitsorganisation:
      Kampf gegen Tabak nach wie vor inkonsequent (8.02.08)

      Jugendalkoholismus, Existenzangst und Klimakatastrophe
      (26.10.07)

      Sozialabbau und Rentenklau
      Zur aktuellen Diskussion um die Rente mit 67 (15.10.07)

 

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