29.04.2008

Artikel

Was "verdienen"
deutsche Manager?

Wie wird der Wert von Arbeit ermittelt?

Hier die "Top 20" der DAX-Unternehmen:

Platz 1
An der Spitze der deutschen DAX-Manager steht nach wie vor
Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann. Er strich 2007 insgesamt
14,34 Milionen Euro ein. (2006: 13,21 Milionen Euro - plus 8,6 Prozent) .

Platz 2 (2006 auf Platz 4)
Daimler-Chef Dieter Zetsche
10,67 Millionen Euro (2006: 7,15 Millionen Euro - plus 49 Prozent)

Platz 3 (wie 2006)
Wolfgang Reitzle, Vorstandschef der Linde AG, hat 2007 rund
8,15 Millionen Euro eingesackt. (2006: 7,37 Millionen Euro - plus 10,6 Prozent)

Platz 4 (2006 auf Platz 7)
E.on-Chef Wulf Bernotat
6,83 Millionen Euro (2006: 4,93 Millionen Euro - plus 39 Prozent)

Platz 5
Henning Kagermann, Chef des Softwarekonzerns SAP
6,44 Millionen Euro

Platz 6
Jürgen Hambrecht, BASF
5,72 Millionen Euro

Platz 7
Michael Dickmann, Allianz
5,66 Millionen Euro

Platz 8
Nikolaus von Bomhard, Münchner Rück
5,09 Millionen Euro

Platz 9
Martin Winterkorn, VW
4,93 Millionen Euro

Platz 10
Ekkehard Schulz, ThyssenKrupp
4,59 Millionen Euro

Platz 11
Ben Lipps, FMC
4,52 Millionen Euro

Platz 12
Reto Francioni, Deutsche Börse
4,50 Millionen Euro

Platz 13
Herbert Hainer, Adidas
4,40 Millionen Euro

Platz 14
Klaus Zumwinkel, Deutsche Post
4,31 Millionen Euro

Platz 15
Manfred Wennemer, Continental
4,29 Millionen Euro

Platz 16
Wolfgang Ziebart, Infineon
4,28 Millionen Euro

Platz 17
Michael Frenzel, TUI
3,84 Millionen Euro

Platz 18
Håkan Samuelsson, MAN
3,65 Millionen Euro

Platz 19
Werner Wenning, BAYER
3,59 Millionen Euro

Platz 20
Ulrich Lehner, Henkel
3,39 Millionen Euro

Nun ist es sicherlich sehr wichtig, das, was diese Herren einsacken - und was sie von Jahr zu Jahr gieriger werden läßt - , öffentlich zu machen.
Doch damit ist die Frage »Was verdienen deutsche Manager?« noch gar nicht wirklich beantwortet.

Schlaue Leute wollen uns nun erzählen, bei einem "Verdienst" wäre das ganz kompliziert: Wir müßten dreierlei Aspekte auseinander halten.

Erstens gehe es um einen gerechten Lohn entsprechend der Leistung,
zweitens gehe es um den Marktwert der Ware Arbeit und
drittens um den Status oder das Prestige.

Beginnen wir mal mit dem ersten, der Leistung. Da wird nun also ein schwiemeliger Begriff wie Lohngerechtigkeit auf einen ebenso schwiemeligen Begriff wie Leistung zurückgeführt. Ganz klar taugt im Zeitalter der Maschinen der klar definierte physikalische Begriff der Leistung - also Arbeit pro Zeit - nicht mehr zum Maßstab. Sonst wäre es hübsch einfach. Physikalische Arbeit ist in Kilowattstunden meßbar - dann wird durch die Zeit in Stunden dividiert und heraus kommt ein Betrag in Kilowatt, die Leistung. Die Arbeit könnten wir dann mit einem Lohn von beispielsweise 10 Euro pro Kilowattstunde vergüten. Ein Blick auf die Stromrechnung zeigt uns, daß dies eine recht noble Bezahlung wäre. Ein kleines - ebenso anrüchiges - Beispiel: Der mehrfache 'Tour de France'-Sieger Lance Armstrong leistete angeblich um 450 Watt. Wenn er also an einem Tag lang 10 Stunden fährt, hat er 4,5 Kilowattstunden gearbeitet und damit 45 Euro verdient.

Wie an diesem Beispiel zu sehen ist, führen Versuche, uns an den sicheren physikalischen Boden zu halten ins Absurde. Wenn also von Leistung fabuliert wird, soll wohl neben dem Körperlichen etwas Geistiges bei der Bewertung mit eine Rolle spielen. Bisher hat aber noch kein Mensch irgend eine vernünftige Grundlage angeboten, wie denn geistige Leistung meßbar sein könnte. Und ohne sie messen zu können, ist selbstverständlich nicht an eine gerechte Entlohnung nach Leistung zu denken...

Ein sozialer Aspekt fällt bei irgendwelchen Scheinbegründungen für einen objektiven Maßstab zur Entlohnung von Leistung regelmäßig unter den Tisch. Nicht allein, daß Menschen konstitutiv - also von ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit her - sehr unterschiedlich sind - sie sind auch recht unterschiedlich in ihren geistigen Fähigkeiten. Nehmen wir nur mal den ach so beliebten Intelligenz-Quotienten, IQ. Ist es denn gerecht, wenn ein Straßenfeger mit einem IQ von - sagen wir mal - 70, der sich sehr bemüht, um seine Arbeit ordentlich zu machen, weniger verdient, als ein Mathematiker mit einem IQ von vielleicht 150, der den ganzen Tag mit Leichtigkeit und ohne die geringste geistige Anstrengung komplizierte mathematische Formeln weiterentwickelt?

Wir sehen also: Leistung ist offenbar in der Realität kein Kriterium. Der Begriff Leistung wird nur in die Debatte um Lohn- oder Gehaltsgerechtigkeit eingeführt, um sie zu vernebeln. Ebenso ist es mit dem Begriff der Verantwortung. Trägt ein Chirurg mehr Verantwortung, der pro Tag 5 lebensgefährliche Operationen vornimmt, als ein Lokomotivführer, von dessen "Verantwortungsbewußtsein" täglich das Leben mehrerer tausend Menschen abhängt? Oder müssen wir das mit der statistischen Wahrscheinlichkeit von mißglückten Operationen und der von Zugunglücken multiplizieren oder dividieren. Auch hier gibt es bisher keine vernünftigen Vorschläge und es wird solche auch nie geben.

Kommen wir zum zweiten Aspekt: dem Marktwert der Ware Arbeit. Dieser Wert ist keine Eigenschaft der spezifischen Arbeit, sondern kann - bei gleicher Arbeit - mal höher, mal niedriger ausfallen, je nach Nachfrage. So wie die Kurse an der Börse. Der Wert kann also nicht anhand der Art der Arbeit gemessen werden, sondern wird auf dem Markt entsprechend der Nachfrage und - nicht zu vergessen - dem Angebot, ausgehandelt. Gäbe es keine Gewerkschaften, also kein Kartell der AnbieterInnen, wäre beim heutigen Überangebot an Arbeit in vielen Sparten der Lohn - also der Preis der Ware Arbeit -, längst bis zum Existenzminimum abgesackt. Und in vielen Bereichen ist er dies bereits - trotz Gewerkschaften.

Vereinfacht gesagt: Je seltener eine bestimmte Art Arbeit angeboten wird, desto höher steigt ihr Marktwert. Umgekehrt: Je mehr Menschen auf dem Arbeitsmarkt sich selbst beispielsweise als HilfsarbeiterInnen anbieten, desto niedriger fällt der Marktwert.

Noch vor dreißig, vierzig Jahren konnten sich die Gesetze des Kapitalismus noch nicht in dieser Reinheit durchsetzen, da zählte auch so etwas wie Prestige bei der Bezahlung der Arbeitskraft. Das beste Beispiel ist der Beruf des Arztes oder der Ärztin. Als diese noch als "Halbgötter in Weiß" galten, wurde in der Gesellschaft noch ein kräftiger Aufschlag auf den Marktpreis genehmigt. Streng genommen kam es im Bereich des Gesundheitswesens gar nicht zu Verhandlungen um Ärztegehälter. Daß heute ein Prestige nichts mehr zählt, können wir an der sinkenden Gehältern von KlinikärztInnen oder den schrumpfenden Einnahmen von Allgemeinmedizinern mit eigener Praxis erkennen.

Nebenbei bemerkt: Auch das Argument, in das Studium habe sehr viel Geld investiert werden müssen, ist ein - bestenfalls moralisch gemeintes - aber kein ökonomisches Argument: Das sehen wir an den vielen arbeitslosen AkademikerInnen im Bereich der Geisteswisenschaften. Ein gesellschaftlicher Bedarf an ihrer Leistung wäre wohl vorhanden - allein: es handelt sich um Bedarf und nicht um Nachfrage im ökonomischen Sinne.

Warum wird für manche "wertvolle" Arbeit nichts bezahlt? Viele verwechseln Bedarf und Nachfrage. Es gibt zwar für viele Dienstleistungen einen Bedarf, aber keinen zahlungskräftigen - also keine Nachfrage. Die Mehrzahl der am Neoliberalismus orientierten WirtschaftswissenschaftlerInnen wollen uns weismachen, es müsse nur der Lohn für bestimmte Dienstleistungen gesenkt werden, dann setze auch die Nachfrage ein. Zu Ende gedacht bedeutet dies zweierlei: die Löhne müßten unters Existenzminimum sinken, denn diese Jobs "rechnen" sich erst, wenn sie entsprechend billig angeboten werden. Dies kann aber nur unter zweierlei Voraussetzungen funktionieren: A - Der Staat muß die Löhne aufstocken - und B - die Menschen müssen gezwungen werden. Entweder durch Sozialleistungen, die unter dem Existenzminimum liegen oder durch den Druck, Sozialleistungen von der Annahme jedweder Billigjobs abhängig zu machen. Aus der Sicht der Wirtschaft: Am besten beides zugleich.

Da der Staat sich aber aus Steuern - und daher aus der Arbeit der Menschen als alleiniger Grundlage jedweder "Wertschöpfung" finanziert, bedeutet dies letzten Endes: Lohnkürzung für alle, um mehr und mehr Billiglohn-Arbeitsplätze in Deutschland schaffen zu können. Wer ehrlich ist, nennt dies auch Subventionspolitik.

Wenn das Grundprinzip des Kapitalismus, Profit zu erwirtschaften, mehr und mehr in bislang geschützte Bereiche des menschlichen Lebens vordringt, hat dies zudem noch weitere negative Folgen. Für Kindererziehung gibt es beispielsweise einen gesellschaftlichen Bedarf. Viele Eltern würden aber selbst für 50 Cent Stundenlohn ihre Kinder nicht von - wie es Christa Müller in einem 'spiegel'-Interview kürzlich so scharf formuliert hat - einer Fremdbetreuerin oder einem Fremdbetreuer erziehen lassen wollen.

Warum erwartet eine Mutter oder ein Vater keinen Lohn, wenn sie ihrem Kind beispielsweise das Fahrradfahren beibringen? Hier ist noch ein kleines profitfreies Refugium übriggeblieben. In der Familie - idealer weise, längst nicht mehr real - sind die Beziehungen von Liebe bestimmt. Die Menschen tun etwas füreinander, ohne eine Gegenleistung oder Bezahlung zu erwarten. Auf dem Markt herrscht Mißtrauen. Bekomme ich für meine Ware auch genug Geld - oder werde ich übers Ohr gehauen?

Wovor haben die Menschen Angst? Vor der Gier der anderen. Im Kapitialismus wird bezeichnender Weise Gier als Normalzustand angesehen. Übrigens war das in feudalen oder merkantilen Gesellschaften nicht viel anders - nur weniger stark ausgeprägt.

Doch: Ist Gier normal? Ich behaupte, es ist eine Form psychischer Erkrankung. Das hatte übrigens bereits der Philosoph Spinoza erkannt. Daß diese psychische Erkrankung im voll entwickelten Stadium übrigens auch heute relativ selten anzutreffen ist, zeigen uns die hohen Manager-Gehälter. Das Angebot auf dem Arbeitsmarkt an Gierigen, die zur Befriedigung ihrer suchtartigen Leidenschaft sogar bereit sind, andere über die Klinge springen zu lassen, ist selbst in der Gegenwart relativ gering.

Es besteht also Grund zu der Hoffnung, daß eine grundlegend andere Gesellschaft geschaffen werden kann, in der die Gier nahezu völlig zum Verschwinden gebracht wird. Nicht etwa, weil sie mit Zwang oder Strafandrohung bekämpft würde, sondern weil das Sein - also gesunde Lebensumstände - das Bewußtsein bestimmt: also eine robustere psychische Gesundheit.

Im übrigen ist Gier vom gesellschaftlichen Blickwinkel aus betrachtet zudem völlig unsinnig. Gandhi sagte einmal: "Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht genug für jedermanns Gier." Heute sind wir laut WHO so weit, daß global weit mehr Lebensmittel produziert werden als für die Ernährung aller Menschen nötig wären.

Nur auf den ersten Blick erscheint die Hoffnung utopisch, daß unsere Gesellschaft planmäßig so umgestaltet werden kann, daß in ihr Liebe und gegenseitige Hilfe selbstverständlich werden und daß Gier dann so selten anzutreffen ist wie heute beispielsweise Schizophrenie.

 

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