13.03.2010

Gastbeitrag

Familienminister Westerwelle
und die Woche
der Anti-Brüderlichkeit

Martin Buchholz, Kabarettist Ja, ich gebe es zu: Ich bin empört und enttäuscht! Und zwar zutiefst (denn unter dem geht es nicht in unserer superlativen Fast-Feeling-Gesellschaft). Über bzw. von wem? Über bzw. von Guido selbstverständlich. Daß er mich, seinen unerbittlichsten Fan und gnadenlosen PR-Agenten, so schnöde übergangen hat, als er seine Lieben zum Ausflug nach Südamerika einlud, das kränkt mich schon. Sind wir doch schon lange geschäftlich verpartnert. Habe ich nicht alleweil seinen üblen Verruf, von dem er mittlerweile lebt, zu mehren versucht? Ja, ich lebe derzeit nicht schlecht von ihm. Er ist der Dealer, der mich seit Wochen mit feinstem Stoff beliefert, den ich dann einem süchtigen Publikum weiterverhökere. Im Gegengeschäft sorge ich auch dafür, daß sein Name in aller Munde bleibt, was gar nicht so einfach ist, wenn schon bei der Nennung den meisten inzwischen das Würgen kommt; und ich glaube, selbst Angela würde am liebsten mit ihm brechen. Doch dann muß sie sich aus Koalitions-Raison den Kotzbrocken immer wieder zurückstopfen in den würgenden Schlund.

Bitte sehr, das ist jetzt allegorisch oder so ähnlich gemeint, also jedenfalls nicht persönlich: Nicht daß Sie jetzt meinen, daß ich meinen würde, daß der Westerwelle ein Kotzbrocken sei. So etwas kann ich gar nicht gemeint haben, weil mein Rechtsanwalt meint, daß ich so etwas gar nicht meinen darf. Also schon aus rein juristischen Erwägungen heraus bin ich in diesem Fall überhaupt nicht meiner Meinung. (Übrigens, wegen solcher Passagen in meinen unflätigen Reden werden Sie mich auch in nächster Zeit wohl kaum auf dem Fernsehschirm sehen. Da sitzen in den Programmdirektionen geschmackssichere Leute mit gestählten Mägen, die eben ohne weiteres einen Westerwelle auf der Mattscheibe ertragen, aber ganz sicher keinen Buchholz.)

Andererseits sehe ich ja ein, daß ich die Zurückweisung durch Guido nicht allzu tragisch nehmen sollte: Schließlich gehöre ich nicht zum inneren Freundeskreis unseres äußeren Ministers, schon gar nicht zu seinem familiären Umfeld, das er in brüderlicher Nächstenliebe hegt und pflegt. Insofern ist er ein Vorbild auch für die CDU: Er lebt es allen wertkonservativen Unionisten vor, daß die private Fürsorge für die Seinen stets Vorrang hat. Wahrlich ein Familienminister, der auf dem falschen Posten gelandet ist.

Daß Westerwelle sich und die Kompagnons seiner Partei-GmbH dadurch kurz vor der Wahl in NRW in ziemliche Schwulitäten gebracht hat, darf man so wohl auch nicht formulieren. Denn, so mutmaßt ein unterer Geschäftsführer der Fraktion, die ganze "Hetzkampagne" sei davon geprägt, Vorurteile gegen die "sexuelle Orientierung" des Ober-Geschäftsführers zu schüren. Latente Schwulenfeindlichkeit sei also das Motiv dieser zu Ende gehenden Medien-Woche der Anti-Brüderlichkeit. Klar: Ebenso wie jede Kritik an Schäuble latent behindertenfeindlich ist und jede Maulerei über Angela Merkel Ausdruck finstersten Weiberhasses. So habe ich auch stets die fiesen Zerrisse meiner eigenen Programme in verschiedenen Gazetten verstanden - als Pamphlete des schieren Anti-Heteroismus. Auch nach meiner letzten Kolumne zum Frauentag mußte ich in meiner elektronischen Post gehässige Anspielungen auf meine softie-gespülte Frauenversteherei und warmgeduschte Weicheiigkeit über mich ergehen lassen. Und das alles nur wegen meiner, nun ja, "sexuellen Orientierung"...

So gesehen, verbindet Westerwelle und mich ein ähnliches, wenn unterschiedlich orientiertes Los. Ich hatte mich zunächst sogar klammheimlich gefreut, als Westerwelle Außenminister wurde. Zumindest gönnte ich es irgendwelchen Saudi-Ober-Scheichen, daß sie einem homosexuellem Mann freundlich die Hand schütteln müssen, dem in ihrem eigenen Lande allein wegen seines Schwulseins die Todesstrafe drohen würde. Insofern hatte Westerwelles Ernennung durchaus einen emanzipatorischen Nebenaspekt, allerdings einzig und allein wegen seiner "sexuellen Orientierung". Übrigens: Wenn man die "Orientierung" mal geschlechtsneutral untersucht (wiewohl sie als Substantiv eigentlich feminin ist), leitet sie sich ja vom "Orient" ab (der wiederum männlich ist). Westerwelles Orientierung wäre also auch im Wortsinne sowohl in Fernost als in Nahost eine Wegweisung zur sexuellen He-Mann-Zipation.

Das aber ist das einzig Positive, was man ihm derzeit nachsagen kann. Und bei aller latenten Homophilie, die da zwischen meinen Zeilen im letzten Absatz durchschimmern mag, muß ich doch hinzufügen: Schwulsein allein ist noch keine ausreichende Qualifikation - in keinem politischen Amt. Das müssen gerade in Berlin wohl mehrere Herren langsam einsehen.


Programmhinweis / Vorstellungen:

Martin Buchholz spielt sein aktuelles Programm: »Geh! Denken!«
noch bis 25. April 2010
immer So. um 16.30 Uhr
ORT: Die Wühlmäuse
Pommernallee 2-4,
direkt am Theodor-Heuss-Platz
14052 Berlin
Programm: »Geh! Denken!«

 

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