30.10.2007

Kommentar

SPD mit Tempo 130
in die Linkskurve?

Auf dem Hamburger Parteitag der "Roten" wurde neben einer winzigen Teilrücknahme der Enteignung beim ALG I auch ein Beschluß für Tempo 130 auf Autobahnen gefaßt. Dem staunenden Publikum wird das in den Mainstream-Medien als "Linksruck" der SPD verkauft. Klar ist allemal, daß diese Beschlüsse solange Versprechen bleiben, solange die "schwarz-rote" Koalition fortbesteht.

Doch prompt kommt die Linkspartei und bietet sich der SPD als Partnerin an, diese Versprechen in die Tat umzusetzen. Weil Tempo 130 wegen der Sorge ums Klima heute populär ist, will sie das Thema - wie beim Thema Mindestlohn - mit einer Abstimmung im Bundestag zu einer Nagelprobe nutzen. Ob die SPD diesmal mit einem solchen Manöver "vorgeführt" werden kann, steht dahin. Die Pseudo-Grünen im Bundestag wollen bei diesem Spielchen gerne dabei sein und sich so selbst mit dem Thema Tempo 130 profilieren. Kaum jemand wird dagegen wetten, daß die SPD auch diesmal treu zur "schwarz-roten" Koalition steht. Ob es damit gelingt, einen Beweis für die Unglaubwürdigkeit der SPD zu führen steht dahin. Kurt Beck wird - einmal mehr - darauf pochen, daß die SPD mit Realpolitik in der großen Koalition unterm Strich Besseres bewirken könne als mit einer einzelnen Abstimmung im Bundestag, die mit Sicherheit zum Bruch der Koalition und zu Neuwahlen führen würde.

Nach Lenins Konzept einer Nutzung des Parlaments als Tribüne will die Linkspartei die SPD immer wieder "auf die Probe" stellen. Dabei wird wieder und wieder die Illusion geweckt, die SPD könne vielleicht doch einmal links abbiegen, statt nur zu blinken. Und auf eines können wir wetten: Vor der nächsten Bundestagswahl wird sich die Linkspartei anbieten, um mit der SPD eine "rot-rote" Koalition zu bilden und sie so "beim Wort zu nehmen".

Doch dasselbe Spiel hatten wir bereits vor neun Jahren vor der Bundestagswahl 1998. Auch damals wurde die Illusion geweckt, die SPD könne dazu gezwungen werden, irgendeines ihrer Versprechen einzulösen. Wer darauf hereinfiel und "Rot-Grün" an die Regierung brachte, wurde daraufhin sieben lange Jahre bitter enttäuscht. Doch manche haben daraus nichts gelernt - oder sie meinen, innerhalb der SPD habe sich etwas zum Besseren verändert.

Wer das Schauspiel, das Kurt Beck und Franz Müntefering vor dem Parteitag boten, für bare Münze nahm, sollte sich fragen, warum es auf dem Parteitag nicht zu einer Debatte um das Thema ALG I kam. Warum wurde nicht die gesamte Agenda 2010 auf den Prüfstand gestellt und offen Pro und Kontra debattiert? Die Antwort liegt auf der Hand: Es hätte sich niemand gefunden, um gegen die vorab beschlossenen Positionen das Wort zu ergreifen. Einfache Mitglieder der SPD haben keine Chance, Delegierte von Bundesparteitagen zu werden. Und angefangen von den lokalen FunktionärInnen, über den Mittelbau bis zur bundespolitischen Ebene besteht die Partei nur noch aus OpportunistInnen. Linke gibt es in dieser Partei schon lange nicht mehr, auch wenn es in den Mainstream-Medien immer wieder von Linken in der Partei heißt - wie Ottmar Schreiner oder Andrea Nahles.

Wer nach all den Erfahrungen mit der SPD in den sieben Jahren zwischen 1998 und 2005 immer noch eine Nagelprobe wünscht, wurde am Wochenende prompt mit einer Meldung des 'stern' bedient:
Während sich auf dem Podium Vizekanzler Müntefering für einen Mindestlohn von "sieben-fünfzig" aussprach, arbeiteten die Sicherheitsleute, die im Auftrag von Parteichef Beck den Parteitag bewachten, für weniger als sechs Euro pro Stunde.

Erwähnenswert sind allein zwei Beschlüsse des Hamburger Parteitags - auf die in den Mainstream-Medien nicht sonderlich hingewiesen wurde: Zum einen hält die SPD an der großen Koalition fest und zum anderen an der Agenda 2010. Alles andere war Kosmetik.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Siehe auch unseren Artikel:

      Thema Mindestlohn im Bundestag
      Von einem Versuch, die SPD zu stellen (14.05.07)

      Gute Chancen für Demokratie:
      Parteien verlieren Mitglieder (26.06.07)

 

neuronales Netzwerk