16.04.2004

Artikel

Positives
zu Wildtieren in Deutschland

Selbst dem Feldhasen, der in den letzten Jahren auf die rote Liste zu rutschen drohte, geht es wieder besser. Die wegen Landschafts- zerschneidung und Flächenverbrauch in ihrem Bestand bedrohte Tierart konnte sich - Dank Klimadesaster und trockenem Sommer 2003 - wieder stärker vermehren. Auch Biber, Luchs und Wolf werden allmählich wieder in Deutschland heimisch. An der Elbe und einigen ihrer Nebenflüsse finden sich wieder Biber-Burgen, im den Bayerischen Wald und den Harz die Fährten von Luchsen, die sich allerdings vor Touristen nicht blicken lassen, und Wolfrudel, die zunächst nur aus den Karpaten mal einen Abstecher nach Brandenburg und Sachsen machten, haben sich anscheinend fest niedergelassen. Die Wölfe kamen zum Teil auf jahrhundertealten Wildtierpfaden aus Osteuropa. ExpertInnen hatten bereits Ende des letzten Jahrhunderts vorhergesagt, daß Wölfe und Elche bald die alten Wanderwege wiederentdecken würden. Immer mehr Wildtiere, die in Deutschland ausgerottet oder verdrängt waren, kehren zurück.

Die Luchse wurden gezielt angesiedelt. Seit 1999 setzte die Nationalpark-Verwaltung im Harz 17 Luchse frei. Die scheuen Raubkatzen mit den Pinselohren gewöhnen sich im Gebirge gut ein und dehnen ihre Streifzüge bis nach Thüringen und Sachsen-Anhalt aus. Mindestens fünf Jungtiere wurden schon geboren.

Biber und Wildkatzen kamen dagegen eher klammheimlich zurück. Im Wendland, wo sie seit 1819 als ausgestorben galten, finden sich schon seit einigen Jahren wieder Biber. Die bis zu 1,30 Meter großen und 30 Kilogramm schweren Nager leben an nicht begradigten, naturbelassenen Abschnitten der Elbe, an ihren Altarmen und an Nebenflüssen wie Jeetzel und Seege.

Grundlage der Rückwanderung ist, daß Biber, Wildkatze, Luchs und Wolf in einigen Gebieten Deutschlands so gute Lebensbedingungen vorfinden, wie es sie davor lange Zeit nicht gegeben hat. In einigen Mittelgebirgen und an der Elbe wurden in den letzten Jahren große und vor allem zusammenhängende Flächen als Nationalparke oder Biosphären-Reservate ausgewiesen. Weitere Gebiete stehen unter Naturschutz. Hier dürfen weder Straßen noch Häuser gebaut werden, nur eine eingeschränkte landwirtschaftliche Nutzung ist möglich. Autobahnen und Ackerflächen verhindern derzeit allerdings, daß etwa die Wildkatzen den Harz verlassen und weiter nach Norden wandern können.

Den NaturschützerInnen vor Ort gehen die Maßnahmen zum Schutz der Wildtiere oftmals allerdings noch nicht weit genug. Sie fordern von Bund und Ländern größere Anstrengungen im Artenschutz. Dringend erforderlich sei ein "bundesweiter Verbund naturnaher Biotope", um die langfristige Wiederansiedlung von Wildtieren zu ermöglichen. Landschaftszerschneidung und Flächenverbrauch dürfen nicht weiter zunehmen, sondern müssen auf Null gebracht werden. "Wir benötigen zusammenhängende, größere Gebiete, um die Bestände der Wölfe zu schützen, die sich zum ersten Mal seit 150 Jahren wieder in Deutschland angesiedelt haben", erklärt WWF-Artenschutzexperte Frank Mörschel.

Und Deutschland hat im internationalen Vergleich im Hinblick auf Naturschutzgebiete oder Nationalparks nicht sonderlich viel vorzuweisen. Wenig mehr als 2 Prozent der Landesfläche stehen unter (halbwegs ernsthaftem) Naturschutz. In Norwegen sind es hingegen zumindest formal 6 Prozent. Den USA kann zwar sicherlich eine allgemeine Mißachtung des Natur- und Umweltschutzes vorgeworfen werden, besonders unter den letzten vier Präsidenten. Doch die als Nationalparks unter Schutz gestellte Fläche - eine alte Errungenschaft, die hier und dort angegriffen wird - beträgt immerhin rund 11 Prozent der Fläche der USA - ebensoviel wie beispielsweise in Neuseeland. Vorbildlich ist im Vergleich hierzu der arme afrikanische Staat Tansania (u.a. Serengeti Nationalpark) zu nennen, wo rund 25 Prozent der Landesfläche unter strengem Naturschutz stehen.

Wenn sich auch auf Seiten der Politik nichts zum Besseren verändert hat, ist positiv neben den Erfolgen der NaturschützerInnen auch eine wachsende Toleranzbereitschaft der in den genannten Gebieten lebenden Menschen festzustellen. Wurde der letzte wild lebende Luchs vor rund hundert Jahren noch von mehreren Dorfgemeinschaften im Harz in einer Treibjagd zur Strecke gebracht, betrachtet die Bevölkerung die Luchse heute weit überwiegend als Bereicherung. Selbst die zunächst skeptischen Jagdverbände tragen Auswilderungsprojekte inzwischen aktiv mit. Einige Landwirte, deren Schafe von Raubkatzen gerissen wurden, wurden schnell entschädigt.

Und wenn es nicht um Säugetiere geht, die wenigsten beim Menschen von einem gewissen Sentimentalitäts-Bonus zehren, sondern beispielsweise um die vom Aussterben bedrohte Rotbauchunke, wiegen in Deutschland die Interessen eines Energie-Multis wie Vattenfall schweren als sonntäglich beschworener Artenschutz. In der Lausitzer Teichlandschaft um den kleinen Ort Lacoma ist eines der letzten Vorkommen dieser äußerst seltenen Amphibienart vom Braukohlebergbau bedroht. Doch weder "Umwelt"-Politiker auf Landesebene noch auf Bundesebene trauen sich, gegen den zweitgrößten der vier marktbeherrschenden deutschen Strom-Multis auf die Einhaltung geltender Gesetze zu pochen. Von Jürgen Trittin heißt es gar, er wisse nicht einmal, was eine Rotbauchunke ist.

 

Petra Willaredt

 

Anmerkung:
Siehe auch unseren Artikel
    'Hungerstreik für Lacoma'
    v. 19.03.04

 

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